Politik | Renzis Reformen

Tumulte im Senat

Der Senat wird zum Tollhaus. Eine Gruppe Senatoren marschiert zum Quirinal. Ein übergeschnapptes System blockiert einmal mehr jede Reform.

Alles wie gehabt. Was sich am Donnerstagabend im römischen Senat abspielte, war der neuerliche Beweis dafür, dass im italienischen Parlament eine seriöse Diskussion über Reformen unmöglich ist. Schon die Tatsache, daß eine in Agonie befindliche Linkspartei wie SEL 6.200 Abänderunsanträge zur Senatsreform einbringen konnte, beweist, wie übergeschnappt das parlamentarische System und viele seiner Protagonisten sind.

"Wir sind hier nicht bei Masterchef", erregte sich Parteichef Nichi Vendola. Gemessen an dem, was sich am Donnerstag im Senat ereignete, erweist sich Masterchef freilich als durchaus würdevolles Spektakel.  Schreiduelle, triviale Beschimpfungen, hysterische Auftritte wie jener des Trentiner Lega-Vertreters Sergio Divina, der theatralisch jene Verfassung zerriss, die seine Partei schon immer verabscheute. Ein in der Geschichte der Republik bisher einmaliger Protestmarsch von mehreren Dutzend Senatoren zum Quirinal, wo Staatspräsident Napolitano ein Treffen mit der unorthodoxen Allianz aus Lega Nord, Fünfsterne-Bewegung und SEL verweigerte. Beppe Grillo, der einmal mehr den Tod der Republik proklamiert und von Staatstreich spricht.

Anlass für das peinliche Theater war die vom Präsidium verfügte Kürzung der Redezeiten, um die Senatsreform noch vor dem 6. August in erster Lesung zu verabschieden - einzige Lösung, um die Hürde der insgesamt 8.000 Abänderungsanträge zu überwinden. Hätte es noch eines Beweises bedurft, dass Italiens Parlament einscheidende Reformen systematisch aushöhlt - er wurde am Donnerstag im Senat erbracht. Längst geht es nicht mehr um  Inhaltliches, sondern um die Verteidigung von Partout-Standpunkten und um die Errichtung von Barrikaden gegen die vermeintliche "deriva autoritaria."  Jede Form von Eile sei bei einer Verfassungsreform unangebracht, erregen sich Renzi-Gegner.

Eile? Die erste Kommisssion zur Verfassungsreform unter Aldo Bozzi liegt 31 Jahre zurück. Drei weitere waren ebenso erfolglos. Und ob die Reform des Senats bis März nächsten Jahres abgeschlossen ist, scheint mehr als fraglich. Was im Senat passiert, demonstriert augenfällig die Dringlichkeit einer Reform des Parlaments und der Gesetzgebung. Gleichzeitig beweist das schizophrene Klima, daß Renzis Durchmarsch-Methode Widerstand und transversale Obstruktion noch fördert - ein absurder Kreislauf, der mit Kurzschluss endet. Die Gegner der Senatsreform kommen allesamt aus zerstrittenen Parteien wie Lega, Forza Italia, PD, M5S und SEL und benützen die Abstimmungen im Parlament zur Austragung interner Fehden. Verantwortungsgefühl ist ein Fremdwort.  Doch für viele gibt es einen durchaus plausiblen Grund, gegen die Abschaffung des Senats auf die Barrikaden zu steigen: die Erhaltung des eigenen Mandats und Monatsgehalts von 13.000 Euro. Die nächste Vorstellung im Teatro di Palazzo Madama ist bereits vorprogrammiert. Am 23. August verfällt das Dekret zur überfälligen Reform der öffentlichen Verwaltung. Vorsorglich haben Renzis Gegner dazu bereits 1.700 Abänderungsanträge eingebracht. Da kann man nur noch viel Spaß wünschen. Italiens stärkste Partei ist noch nicht offiziell konstituiert, aber allmächtig: der Partito Contro le Riforme. An ihm kommt kein Premier vorbei.