Politik | Frauenrechte

Für Erdogan sind nur Mütter gute Frauen

Die Islamisierung des türkischen Staates schreitet voran. Staatspräsident Erdogan findet die Gleichberechtigung von Mann und Frau "unnatürlich".

Zu den Grundfesten der laizistischen Verfassung des türkischen Staatsgründers Kemal Atatürk gehörte die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Atatürk förderte die Frauen und Mädchen geradezu -  und das in den 20iger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Um den damals noch sehr konservativen und streng muslimisch ausgerichteten Familien einen Riegel vorzuschieben, verbot Atatürk kurzerhand das Tragen des Kopftuchs und jeglicher Verschleierung  in der Öffentlichkeit .

Vor kurzem wurde dieser Passus aus der Verfassung gestrichen. Das Kopftuch ist wieder offiziell erlaubt, nachdem es in den letzten 20 Jahren ohnehin - eben weil verboten - ein grosses Comeback erlebt hatte.  Staatspräsident Erdogan geht jetzt einen Schritt weiter : nicht nur äusserlich sollen sich türkische Frauen islamischen Gesetzen beugen, sondern auch " innerlich". Sie seien von Natur aus zur Mutterrolle erschaffen und darauf sollten sie sich bitte konzentrieren: so Erdogan gestern in Istanbul bei einer Veranstaltung des Frauenverbandes Kadem.

 Das ist insofern nicht verwunderlich, als Erdogan noch in seiner Zeit als Ministerpräsident erklärt hatte, jede türkische Frau solle mindestens drei Kinder auf die Welt bringen. Und im vergangenen Sommer hatte ein Spitzenpolitiker der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP befunden , dass es sich für eine anständige Frau nicht schicke, in der Öffentlichkeit laut und herzlich zu lachen. 

Nun geben die verheirateten türkischen Frauen mit Kopftuch ohnehin zumeist kein fröhliches Bild ab .   Dagegen vermitteln die den neuen Zeiten angepassten türkischen Mädchen schon eher einen Anflug von Lebensfreude. Sie sind schick gekleidet und tragen ihr Kopftuck lässig gebunden   über einem toupierten Dutt , der  ihre Statur verlängert und schlanker macht .  Doch mit der Ehe scheinen alle zu traurigen Matronen zu werden.

 Gewalt gegen Frauen, vor allem vonseiten der Ehemänner oder Väter, wird nach wie vor als Kavaliersdelikt geahndet.  Laut Statistik sind in der Türkei seit Jahresbeginn 260 Frauen ermordet worden. Das ist deutlich mehr als die ebenfalls erschütterende Todeszahl in Italien, wo jeden zweiten Tag eine Frau ermordet wird - ebenfalls als Opfer häuslicher Gewalt.

 Zu dieser schrecklichen Entwicklung hat Staatspräsidnet Erdogan etwas sehr vernünftiges gesagt : Gewalt gegen Frauen sei nicht hinnehmbar und verstosse gegen die Regeln des Islam als Friedensreligion. Der Islam lehne Gewalt ab, erklärte Erdogan gestern.

Man sollte Erdogan dabei unbedingt beim Wort nehmen : wenn er als strenger Moslem Gewalt ablehnt, müsste er doch als allererstes die  Gewaltorgien der ISIS-Milizen  bekämpfen. Und das tut Erdogan noch immer nicht. Er redet zwar davon, doch de facto schützt er das Terrorregime des Islamischen Staates weiterhin .  Womit er zugibt, dass brutale Gewaltanwendung gegen "Ungläubige" durchaus zulässig ist.