Politik | Bozen

Der Aufpasser

Rücktritt, doch kein Rücktritt? Vize-Bürgermeister Klaus Ladinser trägt wesentlich zu den verwirrenden Verhältnissen in Bozen bei. Doch langsam scheint sich die Sache zu klären.

Update: Seit Donnerstag sorgt er für widersprüchliche Meldungen: Luigi Spagnolli und Klaus Ladinser zurückgetreten, hieß es ursprünglich, als die politische Bombe am Nachmittag vor der Abstimmung über die beiden Misstrauensanträge im Bozner Gemeinderat losging.  Doch schon bald kristallisierte sich heraus, dass Bozens Vize-Bürgermeister und nun auch geschäftsführender Bürgermeister noch formell im Amt ist – wenn er auch bis in den Freitag hinein untergetaucht blieb. Nach seinem Wiederauftauchen bestätigte der SVP-Politiker zwar seine Rücktrittsabsichten. „Nur Hinausziehen um des Hinausziehens willen ist nicht meine Sache“, erklärt Ladinser. „Ich sehe nicht, das diese Mehrheit imstande sein wird, programmatisch zu arbeiten.“

Nachdem dies geklärt ist, stellt sich nun die große Frage nach dem Zeitpunkt des Rücktritts. Vielleicht schon am Samstag, spekulierte die Tagesschau von RAI Südtirol am Freitag Abend. „So bald wie möglich“, zitiert der Corriere dell’Alto Adige den Vize-Bürgermeister. Es gäbe nur eine technische Verzögerung, weil der Generalsekretär ihn darum gebeten habe, einige Übergaben zu begleiten.

Viel konkreter wird Klaus Ladinser dagegen im Alto Adige: "Bis von den Parteien entschieden wird, wie diese ganze Angelegenheit abzuschließen ist, würde ich gerne vermeiden, dass seltsame Dinge geschehen“, erklärt er der italienischen Tageszeitung in einem Interview. Auch Gigi wäre wohl damit einverstanden, dass er für Kontinuität sorge, nachdem nur mehr ein Teil des Stadtrats weitermacht, so Ladinser. Deshalb werde er vorerst auch die vielen Kompetenzen des zurückgetretenen Bürgermeisters übernehmen, inklusive Urbanistik.

Einen klaren Reim auf dieses Vorgehen macht sich schließlich am Samstag die Südtiroler Tageszeitung. Sie wittert hinter der Entscheidung der fünf Stadträte mit einem Rumpf-Stadtrat weiterzumachen vor allem eine Mission: das umstrittene "Benko bis" wieder rückgängig zu machen. Ob das Erbe Spagnollis mit einem Stadtratsbeschluss im Wege des Selbstschutzes wieder aus der Welt geschafft werden kann, soll in den nächsten Tagen rechtlich überprüft werden. Einen solchen Streich der im Stadtrat verbliebenen Benko-Gegner will nun offenbar Aufpasser Klaus Ladinser verhindern. Wie er selbst so schön sagt: Mit ein wenig Kontinuität wäre wohl auch Gigi einverstanden.

Benedikters Aufforderung

Ganz anders sieht das Benko-Gegner Rudi Benedikter: Er ruft am Samstag Vormittag Ladinser selbst als amtsführenden Bürgermeister auf, "mit einem analogen Amtsakt Spagnollis Benko-Dekret im administrativen Selbstschutz zu widerrufen, um die Stadt vor Schaden zu bewahren." Denn, wie der Projekt-Bozen-Gemeinderat ausführt: Mit dem „Benko-Wiederaufnahmedekret“ habe Spagnoli einen Willkürakt gegenüber dem Gemeinderat gesetzt, der am 23 .Juli 2015 souverän festgestellt hat, dass kein öffentliches Interesse am Benko Projekt besteht.

"Mit diesem Dekret hat Spagnolli nicht etwa das „Öffentliche Interesse“ der Stadt Bozen interpretiert oder etwa den Gemeinderatsbeschluss durchgeführt - nein, er hat einzig und allein sein persönliches Interesse am Benkoprojekt in einen Amtsakt gegossen. Gegen den übergeordneten Ratsbeschluss vom 23. Juli 2015, der die „Programmatische Vereinbarung“ nicht ratifiziert hat, womit  - gem. Art. 55 quinquies, Abs. 7, LROG -  ihr gesamter Inhalt verfallen ist, rechtlich nicht mehr existiert, also nicht mehr aufgegriffen werden kann!"

Mit seinem letzten Akt hat der zurückgetretene Bürgermeister laut Benedikter  dem Stadtrat, dem Gemeinderat und der ganzen Stadt Bozen "eine immense Belastung aufgebürdet, die die Stadtpolitik wahrscheinlich auf ein weiteres Jahr lähmen wird".  Seine Drohung: "Ich halte Spagnollis Dekret für Amtsmissbrauch – und behalte mir den Weg zur Staatsanwaltschaft vor."  

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Hermann Trebo Sa., 26.09.2015 - 18:10

Frage - Wie kann man - bei solch urbanistisch dubiosen und politisch prekären Umständen - ein die Zukunft unserer Stadt so entscheidendes Groß Projekt derzeit weiter betreiben ? Oder wollen jene Politiker oder Parteien, welche dieses Projekt- aus welchen Gründen auch immer schon immer favorisierten - unbedingt noch vor den Wahlen im Mai ihre restliche Macht ausspielen ?

Sa., 26.09.2015 - 18:10 Permalink
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Klaus Griesser Sa., 26.09.2015 - 19:19

Allein die Tatsache, dass Spagnolli vor der Einreichung seines Rücktritts die Einberufung der unseligen Dienstleiterkonferenz zwecks Übergehung des souveränen GR- Beschlusses sprich Ablehnung des Benko-Projekts dekretierte, sagt mir, dass da was nicht stimmt. Dazu kommt noch der gewählte Zeitpunkt - nach seinen eigenen Worten: nach erfolgter Ernte am Weinberg der Gemeinde (auf Schloss Runkelstein) gehe er heim. Ich finde dies erbärmlich.

Sa., 26.09.2015 - 19:19 Permalink