Politik | Traforo Stelvio

Der Stilfser-Joch-Grat

Die Unterschrift unter das Stilfser-Joch-Dokument ist gesetzt. Die dazugehörigen Interviews sprechen Welten.

Rossi: "Wir sprachen auch viel von Autonomie und dass Selbstverwaltung auch für andere montane Gebiete existenziell wichtig ist."

Maroni: "Genau, wollen wir hoffen, dass die Lombardei auch bald eine autonome Region wird."

Kompatscher: "Ab diesem fast historischen Moment wollen wir den Park von unten gestalten,  nicht mehr von oben."

Also irgendetwas läuft hier gehörig schief. „Von unten“ würde ich als auf Gemeindeebene oder Bezirksebene verstehen. Nun mögen sich die Vinschger von Arno Kompatscher noch einigermaßen vertreten fühlen. Auf der hinteren Seite des Joches stellt sich dieses von unten wesentlich abstruser dar. Wenn sich Roberto Maroni in Szene setzt, um das Stilfser Joch im Sinne einer ehrlichen Regionalentwicklung zu untertunneln, dann könnte er sich von sich von überglücklichen Veltlinern in einer Sänfte zur Unterschrift am Joch hinauftragen lassen. Stattdessen spielt die nach Autonomie strebende Provinz Sondrio überhaupt keine Rolle im Protokoll. Der Name Luca Della Bitta, seinerseits Präsident der Provinz kommt in der Geschichte schlicht und einfach nicht vor. Valcamonica wird so wenig erwähnt, dass Salto gar darauf vergisst, dass Brescia ja auch seinen Anteil am Stilfer-Joch-Park hat. In den Köpfen ist es weiter entfernt, als der Mortirolo hoch ist.

Roger De Menech, Sekretär des PD Veneto darf als Wächter des Grenzgemeindenfonds immerhin still in der Ecke sitzen und der aus Lecco gebürtige Ugo Parolo, der regelmäßig warme Luft in das EUSALP-Horn bläst, darf der lombardischen Delegation einen alpinen Anstrich geben. Jener Parolo, der stets bemüht ist, jegliche Energie der lokalen Autonomiebestrebungen der Valtellini, Valchiavennaschi und Camuni ganz im Sinne der Lega Nord verwässernd auf die Lombardische Autonomie umzumünzen. „Von unten“ also…

Zusammenfassend kann man wohl sagen, dass Maroni und co die Regionalisierung des Ex-Nationalparkes ganz um Vorteil „seiner“ Region durchgezogen hatte. Die lokalen Verbände konnten in dieser Partie keinen Stich machen. Fast würde ich es als eine verpasste Chance bezeichnen, der Idee zur echten lokalen Verwaltung des Parks mehr Glaubwürdigkeit zu geben. Ob da mehr drin gewesen wäre?

Nein. Wohl kaum. Liest man sich durch den O-Ton der Südtiroler Berichterstattung und Kommentatoren, könnte das Interesse an der Bevölkerung hinter dem Joch kaum geringschätzender ausgedrückt werden. Ein drittes Bahngleis Richtung Poebene wäre wichtiger, und eine Verlängerung der Vinschgerbahn Richtung Flüela, in die von uns hochgeadelte Schweiz gilt als chic. Eine Verlängerung ins Veltlin hingegen ist umweltzerstörerisch und keinen Euro wert. Nein, wir legen auf vertieftes Zusammenwachsen mit unseren Nachbartälern keinen Wert, haben verstärkte Zusammenarbeit mit ihnen nicht notwendig.

Er wandert den Grat schon gut, der Kompatscher.