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Plattners Kredite

Was ist die Business Judgment Rule? Warum greift die Stiftung darauf zurück? Zwei konkrete Beispiele, wo diese limitierte Haftungsklage im Fall Sparkasse greifen könnte.

Selbst Gerhard Brandstätter war am Ende etwas ratlos. „Ich verstehe nicht warum die Stiftung auf diese Präzisierung bestanden hat“, sagte er am Dienstag nach der Aktionärsversammlung. Man merkt es dem Präsidenten der Sparkasse und noch mehr seinem Stellvertreter Carlo Costa an, dass beiden dieser Ausgang nicht ganz geheuer ist.
Konrad Bergmeister hat die Bankenspitze am Dienstag mit seinem Vorschlag, die vorgefertigten Beschlüsse abzuändern, völlig überrascht. Der neue Stiftungspräsident hatte übers Wochenende mit zwei Universitätsprofessoren jene Beschlussvorschläge ausgearbeitet, die er dann auf der Aktionärsversammlung vorgelegt hat.
Drei Stunden vor der Versammlung hatte der Verwaltungsrat der Stiftung drei wesentliche Änderungen der von der Bank vorgeschlagenen Gangart beschlossen. Statt vier verschiedener Haftungsklagen sollten fünf eingereicht werden. Konkret: Der ehemalige Sparkassen-Präsident soll getrennt vom Exekutivausschuss geklagt werden.
Zudem soll in der Prämisse aller Haftungsklagen der Verweis auf die „Business Judgment Rule“ (BJR) aufgenommen werden. Ebenso schlug Bergmeister vor, in jeden Beschluss einzufügen, dass man nur gegen „Vorsatz“ (dolo) und „grob schuldhaftes Verhalten“ (colpa grave) vorgeht.
Letztere Änderung nahm Konrad Bergmeister – nach den zornigen Protesten der Kleinaktionäre – aber wieder zurück. Der Hauptgrund für das Einlenken war dabei ein verfahrenstechnischer. Man kann diesen Zusatz als substanzielle Änderung sehen, die nicht auf der Tagesordnung stand. Damit hätte jeder anwesende Aktionär die Beschlussfassung anfechten können. Dieses Risiko wollte die Stiftung nicht eingehen. Deshalb der Rückzieher vor der Abstimmung.

Business Judgment Rule

Sehr wohl aber wurde der ausdrückliche Verweis in die Haftungsklagen aufgenommen, dass man nur dann gegen die Verwalter vorgeht, wenn diese gegen die Business Judgment Rule verstoßen haben. Man darf getrost annehmen, dass im vollbesetzten Waltherhaus kaum zwei handvoll Personen wussten, was es mit diesem Anglizismus auf sich hat.
Die Business Judgment Rule (BJR) ist ein Rechtssubjekt, das aus dem amerikanischen Rechtssystem stammt und das inzwischen zum internationalen Standard geworden ist. Es ist eine Art Garantieerklärung für jene, die von Haftungsklagen betroffen sind. Die BJR stellt die Vorstände, Geschäftsführer oder Aufsichtsräte unter gewissen Bedingungen haftungsfrei, auch wenn diese Fehlentscheidungen getroffen haben, die zu einem Schaden geführt haben.
Können die Verwalter nachweisen, dass sie eine ausreichende Sorgfalt bei ihren Entscheidungen abgewandt haben, greift die Haftungsklage nicht. Diese ausreichende Sorgfalt liegt vor, wenn sie eine unternehmerische Entscheidung in gutem Glauben, ohne Sonderinteressen und sachfremde Einflüsse zum Wohle des Unternehmens und auf der Grundlage angemessener Information getroffen haben.
Konkret: Die Haftungsklage wird nur jene Sparkassen-Verwalter treffen, die gegen diese Spielregeln verstoßen haben.

„Können die Verwalter nachweisen, dass sie eine ausreichende Sorgfalt bei ihren Entscheidungen abgewandt haben, greift die Haftungsklage nicht. Diese ausreichende Sorgfalt liegt vor, wenn sie eine unternehmerische Entscheidung in gutem Glauben, ohne Sonderinteressen und sachfremde Einflüsse zum Wohle des Unternehmens und auf der Grundlage angemessener Information getroffen haben."

Strategische Entscheidung

Es wird sich zeigen, ob es sich in diesem Falle um eine „Haftungsklage light“ handelt. Sicher ist, dass die Stiftung diesen Zusatz auch aus strategischen Gründen eingeführt hat. Denn es gibt längst ein Szenario über das die Sparkassenspitze seine Aktionäre bewusst nicht informiert.
Die Sparkasse hat schon vor Monaten indirekt eine Haftungsklage gegen die Verwalter der „Raetia SGR SPA“ eingeleitet. Einer der betroffenen Verwalter hat umgehend eine Gegenklage gemacht. Er fordert von der Sparkasse 20 Millionen Euro an Schadenersatz wegen Rufschädigung.
Dieselbe Aktion haben auch einige ehemaligen Sparkassen-Verwalter in den Raum gestellt. Es handelt sich um bekannte Wirtschaftsberater, Anwälte oder renommierte Unternehmer, deren Ruf durch eine Haftungsklage auf jeden Fall ramponiert wird. Kommt bei der Haftungsklage nichts heraus, könnten diese Schadenersatzforderungen für die Bank zu einem echten Problem werden.
Mit dem Hinweis auf die Verletzung der Business Judgment Rule wird diese Prozessrisiko deutlich minimiert, wenn nicht sogar gänzlich ausgeschaltet.

Die Kredite

Bereits am Dienstag kursierte unter den Kleinaktionäre die Befürchtung, dass die Haftungsklagen mit dieser Einschränkung zum Rohrkrepierer werden. Das dem aber nicht so ist, zeigen zwei konkrete Beispiele, bei denen man davon ausgehen kann, dass die ehemaligen Sparkassen-Verwalter die Business Judgment Rule keineswegs eingehalten haben.
Auf dem Bankensektor gibt eine ungeschriebene Regel. Der Verwaltungsrat kann nur Beschlüsse fassen, die von der Struktur der Bank vorbereitet wurde. Hält sich der Verwaltungsrat nicht an die Vorgaben der zuständigen Abteilungsleiter, muss er seine Entscheidung begründen. Diese gilt umso mehr bei Kreditentscheidungen.
Im Abschlussbericht der Inspektoren der Banca D´Italia, der vergangene Woche an Staatsanwalt Giancarlo Bramante ging, sind sich nach Informationen von salto.bz aber rund ein Dutzend konkrete Fälle angeführt, in denen die Kreditabteilung der Sparkasse ein negatives Gutachten abgegeben hat. Der Exekutivausschuss, das Präsidium oder der Präsident die Kredite aber trotz genehmigt haben. Ohne irgend eine Begründung.
Deutlicher kann man gegen die Business Judgment Rule kaum verstoßen.

Euregiofinance & Co

Nachzuweisen, dass man diese Spielregeln eingehalten hat, wird auch in einem anderen konkreten Fall, für manche Sparkassen-Verwalter schwierig werden. Einer der größten Verlustfälle der Sparkasse ist bekanntlich die Unternehmenstochter „Raetia SRG Spa“ Sparkassenpräsident Gerhard Brandstätter verkündete am Dienstag, dass man den schwierigen Fall „fast abgeschlossen“ haben. Durchaus erfolgreich. So habe man erst vor wenigen Tage eine Einigung mit der Agentur der Einnahmen erreicht. Kostenpunkt für die Bank: 10 Millionen Euro.
Die Raetia SGR AG ist eine Millionenloch, das noch lange nicht gestopft ist. Die Sparkassentochter hat nur in einem einzigen Jahr ihres Bestehens einen Gewinn gemacht. Spätestens 2011 hätten bei der Sparkasse die Alarmglocken läuten müssen. Zum einen wird der wichtigste Partner, der Immobilienunternehmer Raffaele di Mario wegen betrügerischen Bankrottes verhaftet, zum anderen verfügt die Banca d’Italia nach einer Inspektion die Auflösung aller drei Immobilienfonds der Raetia SGR.
Zu diesem Zeitpunkt hält die Sparkasse 49 Prozent des Unternehmens, das bereits einen zweistelligen Millionenverlust angehäuft hat. Jeweils 10 Prozent des Unternehmens halten hingegen die drei Privatunternehmen Euregio Finance AG, La Finanziaria Trentina Spa und CIS Spa: Ebenso 10 Prozent hält der Raetia-Geschäftsführers Giovanni Martino Dettori.
Was tun Norbert Plattner & Co aber? Innerhalb eines Jahres kauft die Sparkasse um viel Geld alle Anteile dieser privaten Gesellschafter auf. Und das obwohl längst klar ist, dass das Ganze ein Millionengrab wird.
Was das Ganze noch brisanter macht: Zum Zeitpunkt dieses Deals sitzt Sparkassen-Präsident Norbert Plattner im Aufsichtsrat des Euregiofinance. Präsident des Aufsichtsrates der Euregiofinance ist Walter Ausserhofer, ebenfalls Verwaltungsrat der Sparkasse.
Auch hier gibt es für die Aktion kaum eine logische Begründung. Außer man wollte Geschäftsfreunde vor der Schuldenfalle retten. Ob das in die Business Judgment Rule passt?