Kultur | Chormusik

Wenn die Noten sitzen

Nach der Einführung des neuen Gotteslobes müssen Millionen der alten Ausgaben entsorgt werden. Der Bozner Domchor hat dafür bessere Pläne.

Als am 1. Adventssonntag 2013 die katholischen Bistümer Deutschlands, Österreichs und auch unsere Diözese das neue Gotteslob einführten, bedeutete dies: die deutsche katholische Kirche hat wieder ein zeitgemäßes, mit neuen Texten bereichertes Liederbuch. Gleichzeitig aber stellte sich die unangenehme Frage:  Was tun mit den alten Gottesloben? Eine umweltfreundliche Entsorgung durch Altpapiersammlungen, wie auf der Internetseite des Gotteslobes empfohlen wird, wäre das Mindeste. Das allerdings war für den Bozner Domchor noch keine überzeugende Lösung. Und er war nicht der Einzige: Ein anderes Bistum verwendete die Seiten aus dem alten Gotteslob, um Engelchen und Windlichter zu basteln. Doch eine Sängerin des Bozner Chores kam auf eine andere Idee.

Nachdem sich die neuen gepolsterten Stühle für die korrekte Haltung beim Singen als wenig zuträglich herausstellten, beschloss Chorleiter Tobias Chizzali, wieder die alten Holzstühle zu verwenden: Die waren zwar für das Singen geeigneter, waren optisch aber eine Zumutung. Da witterte die Sängerin Benedikta Pechlaner, ansonsten Bäuerin und Künstlerin vom Ritten, die Möglichkeit, durch Kunst zwei Probleme auf einmal zu lösen.  Und die Idee war bald in die Tat umgesetzt. Zu Beginn des Sommers setzten sich Benedikta und einige andere Chormitglieder zusammen, trugen Leim auf die alten Stühle auf und begannen die aufwendige und zeitintensive Arbeit, die Stühle mit den Seiten aus dem alten Gotteslob zu bekleben. Darauf kam am Ende noch eine Schutzschicht matter Firnis. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen:

Aus der Masse heraus sticht der Stuhl des Chorleiters, der mit den roten Seiten des neuen Gotteslobes bespickt wurde. „Das war aufgrund des allgegenwärtigen Sparzwanges gar nicht so leicht“, meint Benedikta, „denn die Seiten des neuen Gotteslobes sind viel dünner und rissen deshalb beim Aufkleben sehr schnell.“

Auf diese Weise gelang es dem Bozner Domchor, das alte Gotteslob zu recyceln und gleichzeitig den Chorraum im Bozner Dom neu und kunstvoll zu gestalten. Das Motto des neuen Liederbuches „Mit neuem Geist zum Lobe Gottes“ lässt sich nun auch einwandfrei auf die Mannschaft übertragen, die dem Lob überhaupt erst seine Stimme verleiht. Und dass gute Musik auch vom Stuhlmöbel der Sänger abhängt, darüber besteht für Benedikta kein Zweifel: „Erst, wenn die Noten richtig sitzen, dann entsteht Musik.“