Gesellschaft | Reform

Mehr als Geburten

Das Reizwort Geburtenstationen ist zurück. Doch die Gesundheit bietet eine Reihe anderer Herausforderungen, belegte Landesrätin Martha Stocker am Dienstag.

Ein Dienstag im Zeichen der Sanität – und das schon von frühmorgens an. Da stellte sich der nämlich der neue Generaldirektor des Südtirol Sanitätsbetriebs den Fragen von RAI Südtirol. Wie werden die Aufgaben unter Südtirols Krankenhäusern künftig verteilt, lautet eines der Themen im Morgengespräch mit Thomas Schael. Freizeitunfälle oder Dialyse werden weiterhin in den kleinen Krankenhäusern betreut, antwortet der Generaldirektor dort auf eine entsprechende Frage. Ein Hirntumor?  Der wird wohl eher in Bozen oder zumindest in Bruneck oder Brixen operiert werden, sagt Schael. Und Geburten, folgte die unvermeidliche Frage – werden die weiterhin auch in Sterzing und Schlanders möglich sein? Mir wäre lieber nicht, gab der Generaldirektor zu verstehen. Immerhin sei er selbst bei der Ausarbeitung der umstrittenen Leitlinien in Rom mitbeteiligt gewesen. „Europaweit hat sich gezeigt, dass das Risiko für Mutter und Kind steigt, wenn die Mindestzahlen nicht erreicht werden.“ Dabei redet Schael aber nicht von 500, sondern von 1000 Geburten im Jahr. 500 sei bereits die Ausnahme. Brauchen wir also noch einmal eine Ausnahme von der Ausnahme? „Das wird noch politisch diskutiert“, anwortete Schael. „Als Generaldirektor werde ich das machen, was mir vorgeben wird.“

Alarmierte Bürgermeister 

Reflexartig meldete sich schon kurz darauf die Bürgermeister von Sterzing und Schlanders zu Wort. „Landeshauptmann Arno Kompatscher wird sich in Rom für den Erhalt unserer Geburtenstationen einsetzen“, beruhigte Dieter Pinggera. Fritz Karl Messner forderte eine möglichst rasche Entscheidung. „Es hat keine politischen Treffen zur Zukunft des Krankenhauses mehr gegeben – und wir brauchen möglichst bald Klarheit“, reagierte der Sterzinger Bürgermeister auf die klare Ansage Schaels.

Weit gelassener dagegen die Gesundheitslandesrätin, die am Dienstag zu Mittag gemeinsam mit Landeshauptmann Arno Kompatscher über aktuelle Entscheidungen zum Gesundheitswesen informierte. „Wir sind in Erwartung der technischen Vorgaben – und es wäre sicher vernünftig, hier noch einmal nachzuhaken“, verwies Martha Stocker  auf die ausständige Antwort einer technischen Kommission in Rom. Gleichzeitig gab die Gesundheitslandesrätin aber zu verstehen, dass ihre Lust auf das Thema sich in Grenzen hält. „Ich glaube, dass es in der Gesundheit eine Reihe von anderen Herausforderungen zu bestehen gibt“.

Mehr Macht für Thomas Schael

Gleich mehrere von ihnen hatte die Landesregierung am Dienstag auf dem Tisch. Als zentral hob die Gesundheitslandesrätin die Weichenstellung für die Reorganisation des Landesgesundheitsdienstes hervor. Innerhalb Februar 2016 plant sie die Reform des aktuellen Landesgesetzes 7/2001 in den Landtag zu bringen – also jenes Gesetzes, mit dem Aufgaben der Landesverwaltung und des Sanitätsbetriebes festgelegt werden. Im Herbst soll ein breiter Beteiligungsprozess mit Sozialpartnern, Interessensgruppen, Fachgewerkschaften und politischen Vertretungen starten, bevor der definitive Text von der Landesregierung beschlossen wird und in den Landtag kommt.

Ein Kernstück der Sanitätsreform, mit dem Stocker Zuständigkeiten und Verantwortungen zwischen Politik, Landesabteilung und Sanitätsbetrieb klarer abgrenzen will, aber auch die Führungs- und Verwaltungsstruktur vereinheitlichen und verschlanken will. „Schluss mit fünf Kirchtürmen“, lautet das Motto für die Entmachtung der Gesundheitsbezirke zugunsten der Generaldirektion des Betriebs. Nicht von ungefähr musste die Landesregierung wohl am Dienstag den Vertrag des Brixner Bezirksdirektors Siegfried Gatscher anpassen. Der ging eigentlich bis Ende 2016 – Gatscher zog es aber vor, bereits im Oktober 2015 seinen Ruhestand anzutreten. Wer wird nachfolgen? „Wir werden jetzt nicht unbedingt eine definitive Ersetzung machen“, lautete Stockers Antwort.

Wann können Hausärzte 1500 Patienten überschreiten?

Ein weiteres heißes Eisen stand mit dem Übergangsvertrag für die Südtiroler Hausärzte auf der Tagesordnung der Landesregierung. Nach den teils heftigen Diskussionen vor dem Sommer informierte Stocker nun über den Abschluss des Provisoriums, auf den unmittelbar die Verhandlungen für einen Landeszusatzvertrag folgen sollen. Der Übergangsvertrag war in Folge eines Kassationsgerichts-Urteils notwendig geworden, mit dem Südtirol zur Anwendung der staatlichen Regeln gezwungen wurde – was auch Gehaltseinbußen von 30 Prozent mit sich gebracht hätte. Einer der umstrittensten Punkte darin war die staatlich vorgesehene Beschränkung auf 1500 Patienten pro Praxis. Hier wurde eine pragmatische Lösung gefunden, wie die Landesrätin erläuterte: „Dort, wo sich keine neuen Ärzte ansiedeln, können die bisherigen Patientenzahlen beibehalten werden. In Orten, wo allerdings junge, neue Ärzte den Dienst aufnehmen, gilt die Beschränkung auf 1500 Patienten", erklärte Stocker.

Der Übergangsvertrag sieht darüber hinaus eine Stärkung von Gemeinschaftspraxen sowie eine Förderung der ohnehin knappen  Jungmediziner vor: Für sie werden künftig 20 Prozent eines Landesfonds zur Förderung innovativer Projekte reserviert. Nicht ganz so reibungslos verläuft laut Stocker der Übergang der Notarztdienste, den Hausärzte etwa im Pustertal, in Gröden und im Vinschgau teilweise übernehmen. Bevor sie diese Dienste weiter anbieten können, muss laut Staatsvertrag ein Komitee auf Landesebene und ein Komitee des Gesundheitsbetriebs grünes Licht geben, erklärte die Landesrätin. Stocker rechnet damit, dass dies noch innerhalb September erfolgt.