Politik | Papst-Besuch

Was erwartet Papst Franziskus in der Türkei ?

Nur noch 150.000 Christen, darunter 50.000 Katholiken leben heute in der Türkei. Ihre Religion wird noch immer nicht staatlich anerkannt, ihr Besitz ist beschlagnahmt.

Die kleine katholische Gemeinschaft in Istanbul hat sich enttäuscht über das Programm von Papst Franziskus während seines zweitägigen Türkei-Besuchs geäussert. Nur zwei Stunden widmet der Papst den dort über-lebenden Katholiken. Er wird in der Heilig -Geist-Kathedrale von Istanbul eine Messe in lateinischem Ritus lesen und armenisch-apostolische, syrisch-katholische und chaldäische Elemente einfliessen lassen. Denn die christliche Gemeinde in der Türkei besteht aus eben diesen Religionszweigen.

Offizieller Anlass dieser sechsten Pastoralvisite ist die Annäherung zwischen der katholischen  und der später abgespaltenen griechisch-orthodoxen Kirche. Der Patriarch von Konstantinopel, Bartolomäus I, ist auch ein persönlicher Freund von Papst Franziskus. Er nahm an dessen Amtseinführung teil  und besuchte den Papst mehrmals in Rom.  Die Gespräche zwischen den beiden Kirchenoberhäuptern  in Istanbul verheissen Gutes.

Ungewiss ist der Ausgang des sogenannten Höflichkeitsbesuchs von Papst Franziskus bei Staatspräsident Erdogan.  Weil der Papst nicht als Kirchenoberhaupt empfangen wird, sondern als Chef des Vatikanstaates, wird Franziskus den umstrittenen neuen Prunkpalast Erdogans in Ankara betreten müssen. Er weiht den neuen Amtssitz sozusagen ein: als erstes Staatsoberhaupt, das dort empfangen wird.  Der Bau dieses 1000-Zimmer-Palastes ist sehr umstritten, weil er von vielen Rechtsbrüchen begleitet war.  Papst Franziskus soll sie durch seinen Besuch "sanieren", hofft Erdogan. 

Der Vatikan hat alle Aufforderungen der türkischen Opposition , den Besuch im Weissen Palast zu boykottieren, abgelehnt. Der Papst verfolge andere Ziele, vor allem den interreligiösen Dialog und die Behebung der dramatischen Flüchtlingssituation an der türkisch-syrischen Grenze, hiess es in Rom. In seiner Rede vor dem Europaparlament  hatte der Papst die Flüchtlingspolitik der EU heftig kritisiert.  In diesem Zusammenhangh hatte er auch Gesprächsbereitschaft mit Vertretern des ISIS- Terrorregimes angedeutet. Wenn es etwas helfe, spreche er grundsätzlich mit jedem,  sagte der Papst in Strassburg. 

Indiskretionen zufolge könnte der Papst ein Flüchtlingslager besuchen, um die Welt auf die Situation der 1,6 Millionen Syrer aufmerksam zu machen, die seit Ausbruch des Bürgerkriegs in der Türkei Zuflucht gefunden haben. Auch wird erwartet, dass Franziskus davor warnen wird,  die Religion zu missbrauchen, um im Namen Gottes Schandtaten zu begehen. Das wäre auf den IS-Terrorstaat gemünzt, der den Islam zur Rechtfertigung aller Gräueltaten auslegen lässt.  

Springender Punkt ist das Nahverhältnis von Staatspräsident Erdogan zum Terroregime des  benachbarten Islamischen Staates.  Die türkische Regierung bestreitet gar nicht mehr, dass sie den ISIS-Milizen Zuflucht bietet und Hilfe leistet. Um die Islamisierung des - noch - laizistischen Staates voranzutreiben, bedient sich die Regierung in Ankara ganz ungeniert der islamischen Extremisten von Nebenan.

Der Türkei hat das eine Art internationaler Ächtung eingebracht. Staatspräsident Erdogan sieht das  anders: der Westen sei  nur auf das Geld und die Reichtümer des Morgenlandes aus.  Er hasse die Türkei und wolle , das " wir alle tot sind ",  beklagte er sich gestern in einem Interview.  Nach dem Grössenwahn (1000 Zimmer) nun auch der Verfolgungswahn?