Politik | Präsidentenwahl

Rückkehr in die erste Republik

Sergio Mattarella könnte am Samstag zum Staatspräsidenten aufsteigen - gegen den Widerstand Berlusconis. Sein Name
ist 30-jährigen Italienern völlig unbekannt.

Als 1978  Johannes Paul I zum kurzlebigen Papst gewählt wurde, war Romano Prodi bereits Minister im vierten Kabinett Andreottis. In Österreich regierte damals Bundeskanzler Bruno Kreisky. Als 1983 Margaret Thatcher auf den Falkland-Inseln den britischen Sieg über die argentinischen Invasoren feierte, amtierte Giuliano Amato als Staatssekretär in der Regierung von Bettino Craxi. 1987, als Oliver Stones Antikriegsfilm Platoon mit vier Oscars ausgezeichnet wurde, war Sergio Mattarella Unterrichtsminister im sechsten Kabinett Andreottis. Als 1990 der Zerfall der Sowjetunion des Ende des Kalten Kriegses besiegelte, saß  Pier Luigi  Bersani bereits als Abgeordneter im Regionalrat der Emilia-Romagna. Als John Lennon 1980 vor seinem Haus in New York ermordet wurde, war der Christdemokrat Pier Ferdinando Casini  bereits im Gemeinderat seiner Heimatstadt Bologna.

Zur Wahl des neuen Staatspräsidenten signalisiert der Aufmarsch politischer Dinosaurier einen Rückfall in die erste Republik. Mattarella ist ein  Name, der einem 30-jährigen Durchschnittsitaliener gar nicht geläufig ist. Dennoch sieht es fast so aus, als könnte ausgerechnet der 75-jährige Sizilianer für die Überraschung sorgen, die zerstrittene Linke zu einen und Silvio Berlusconi bei der Wahl des neuen Staatschefs eine empfindliche Niederlage zuzufügen. Mattarella stammt aus einer christdemokratischen Familie, sein Bruder Piersanti wurde 1980 als Präsident der Region Sizilien von der Mafia ermordet. Sergio Mattarella war einer der Gründer des Partito Popolare und Vizepremier in der Regierung D'Alema. Anschließend wurde er zum Verfassungsrichter ernannt. Die Wahl des seriösen Juristen wird in den Reihen der SVP für Jubel sorgen.

Bruch zwischen Renzi und Berlusconi
Dass Silvio Berlusconi wegen Mattarella den Bruch riskiert, sorgt für Verwunderung. Denn der Ex-Premier, der sich Giuliano Amato als neuen Staatschef wünschte, hatte vor allem gegen Kandidaten aus den Reihen des Partito Democratico Widerstand geleistet. Berlusconi verzeiht Mattarella nicht, dass er 1987 gegen das Gesetz votiert hatte, mit dem die privaten TV-Sender des Cavaliere zugelassen wurden. Nun bleibt abzuwarten, was nach dem dritten Wahlgang passiert. Auf dem Papier verfügt Mattarella über eine Mehrheit, die seine Wahl auch ohne Zustimmung von Forza Italia, Lega Nord und M5S gewährleisten kann. Er kann auch mit den Stimmen von SEL und dem linken PD-Flügel rechnen, weil seine Kandidatur den verhassten Patto del Nazareno beerdigt. Auch einige der Parlamentarier der Fünfsterne-Bewegung könnten ihm deshalb ihre Stimme geben.
Was am Samstag im Parlament und hinter den Kulissen geschieht, ist dennoch ungewiss. Denn die Wahl des Staatspräsidenten bleibt bis zum letzten Augenblick ein Hasardspiel.