Politik | Wahlsonntag

Das zirkusreife Wahlkarussell

Am Sonntag wählen 23 Millionen Italiener in 7 Regionen und über 1000 Gemeinden. Es ist ein Wahlgang politischer Anomalien und Verrücktheiten

Dass man ihn sceriffo nennt, empfindet Vincenzo De Luca keineswegs als ehrenrührig. Ganz im Gegenteil. Im Austeilen und im Nehmen war der Bürgermeister von Salerno noch nie kleinlich. Seine politischen Gegner beschimpft er als "cialtroni, imbecilli, sfessati, panzoni oder pinguini".  Sollte der Spitzenkandidat des Partito Democratico am Sonntag zum Präsidenten Kampaniens gewählt werden, steht die Politik vor einem bisher einmaligen Dilemma. Weil De Luca  vorbestraft ist, müsste er nach dem Anti-Korruptionsgesetz zurücktreten. "Faró ricorso al Tar" hatte er bisher stets erklärt - in der Hoffung, das Verwaltungsgericht werde ihm - wie schon Neapels Bürgermeister De Magistris - den Weg ebnen. Doch diese Hintertür ist seit drei Tagen durch eine Entscheidung des Kassationsgerichts versperrt. Fazit: was passiert, wenn de Luca gewählt wird, weiss niemand.  "Ci penserá Renzi", so der Ex-Bürgermeister schulterzuckend.

Wahlgang politischer Verrücktheiten

Freilich ist der Fall de Luca nur eine Facette politischer Verrücktheit in einem Wahlgang, der an Anomalien und Eskapaden nicht zu überbieten ist. Wenn 23 Millionen am Sonntag sieben neue Regionalräte wählen, können sie etwa in Apulien zwischen zwei verfeindeten Forza-Italia-Listen wählen. In Ligurien hat Luca Pastorino vom linken Flügel des Partito Democratico seinen Parlamentssitz geopfert, um den Sieg der Spitzenkandidatin Raffaela Paita zu verhindern, die derselben Partei angehört. Nach dem gleichen Rezept will der ehemalige Forza Italia-Senator Enrico Musso dort die Siegespläne des Berlusconi-Intimus Giovanni Toti durchkreuzen. Ein Polit-Theater, das der Fünfsterne-Bewegung in Grillos Heimatregion entsprechenden Rückenwind bringen könnte. Im Veneto kommt es zu einem Duell der verfeindeten Lega-Spitzenvertreter Luca Zaia und  Flavio Tosi. Angelino Alfanos Nuovo Centro Destra wiederum hat das Kunststück geschafft, in allen sieben Regionen mit unterschiedlichen Listen anzutreten.

Im unüberschaubaren Gewirr von Bürgerlisten hat die Antimafia-Kommission eine Reihe von "impresentabili" geortet. Nicht zählen lässt sich auch  die Zahl der Wendehälse auf den Listen. Zu ihnen gehört Gian Mario Spacca, der über Jahre die Marken als linker Präsident der Region regierte und jetzt plötzlich fürs Rechtsbündnis antritt.  Die Wähler dürften dieses Chaos mit wachsender Stimmenthaltung quittieren.

Nur in zwei der sieben Regionen gilt das Ergebnis als sicher: im Veneto wird die Bestätigung des amtierenden Präsidenten Luca Zaia erwartet, in der Toskana ein Sieg des Partito Democratico.

Matteo Renzis 6:1 - Prognose ist bereits der Feststellung gewichen, auch 4:3 sei ein Erfolg. In Apulien, Marken und Umbrien gilt ein Sieg des PD als wahrscheinlich. In Kampanien und Ligurien ist das Rennen offen und könnte auch ohne Sieger enden. In Kampanien steht vor allem für Silvio Berlusconi viel auf dem Spiel. Dort amtiert mit Stefano Caldoro der letzte Forza Italia-Präsident in einer italienischen Region.

Die Wahlen spiegeln zwei politische Phänomene wider: die Auflösungerscheinungen in den traditionellen Parteien und den Aufstand lokaler Parteifürsten gegen ihre römischen Zentralen.