Politik | Bozen 2016

Nachwehen in der Nachwahlzeit

Inmitten politischer Spielchen bricht für Renzo Caramaschi die zweite Woche als Bozner Bürgermeister an. Seine Suche nach einer Mehrheit wird ihm nicht leicht gemacht.

Drei Wochen sind vergangen seit die Bürger von Bozen, Schluderns, Niederdorf und Freienfeld gewählt haben. Während die drei kleineren Gemeinden bereits ihre erste Gemeinderatssitzung hinter sich haben und die Ausschüsse bestätigt sind, geht das Ringen eine Woche nachdem Renzo Caramaschi die Bürgermeister-Stichwahlen gewonnen hat in der Landeshauptstadt weiter.

Die Ausgangslage

Ein Gemeinderat mit 45 Räten, zehn Parteien und ein Bürgermeister, der noch drei Wochen Zeit hat, um eine regierungsfähige Mehrheit zu finden, sprich mindestens 23 Gemeinderäte, die ihm und seiner Stadtregierung das Vertrauen aussprechen.


Wer mitmischt

Da ist einerseits der PD mit seinem Nicht-PD-Bürgermeister. Beide sind sich einig, dass Mitte-Links der Dreh- und Angelpunkt der künftigen Stadtregierung sein soll. “Unentbehrlich” sind dabei sowohl für Caramaschi als auch die Demokratische Partei die Grünen (offiziell lautet die Bezeichnung der Gemeinderatsfraktion “Grüne-Projekt Bozen”). Einer Großen Koalition mit Mario Tagnin nach dem “Modell Leifers”, wie sie zuletzt auch der dortige Bürgermeister Bianchi seinem Bozner Amtskollegen nahegelegt hat, kann Caramaschi nichts abgewinnen.

Einer zaghaften Öffnung gegenüber Mitte-Rechts kann hingegen Matteo Bonvicini (Lista Civica con Caramaschi), dessen Bürgermeister Renzo Caramaschi ebenso ist wie jener des PD, durchaus etwas abgewinnen.

Dann ist da die SVP, die sich als stimmenstärkste Partei, die den Vizebürgermeister stellt und unverzichtbarer Bestandteil einer jeden Stadtregierung ist, in einer starken Verhandlungsposition befindet, wenn es um die Gestaltung der künftigen politischen Kräfteverteilung in Bozen geht. Dabei würden viele in der SVP am liebsten auf die Grünen verzichten. Dafür aber Mitte-Rechts und Mario Tagnin mit in eine “Koalition der Mitte” holen, der am 22. Mai immerhin 45 Prozent der Stimmen erhalten hat. Somit wäre der allergrößte Teil der Bozner Wähler in der Stadtregierung vertreten, argumentiert auch Vizebürgermeister Christoph Baur. Wenn Tagnin sich weigert, könnte man sich in der SVP auch eine Unterstützung von außen durch Giorgio Holzmanns Alleanza per Bolzano vorstellen. Auch bei der Lega Nord hat man sich offensichtlich bereits umgehört.

Weniger glücklich über das Liebäugeln mit Rechts ist Claudio Della Ratta, der Dritte im Bunde des Bündnisses, das Caramaschi von Anfang an unterstützt und es in den Gemeinderat geschafft hat: “Se la SVP voleva un governo di destra, perché non ha appoggiato la destra al ballottaggio?

Dann sind da noch die Grünen, die sagen “ohne uns geht es nicht” und bereits auf das Umwelt- und Mobilitätsressort schielen. Für sie kommt eine Große Koalition mit der moderaten italienischen Rechten nicht in Frage.

Und was macht Mario Tagnin? Von seiner Liste Uniti per Bolzano kommt ein entschiedenes “No alle larghe intese”. Tagnin selbst gönnt sich am Wochenende nach den Stichwahlen zwei Tage Bedenkpause. Nach seinem anfänglichen entschiedenen Nein zur Großen Koalition will er es sich – auch auf das wiederholte Drängen gewisser SVP-Kreise hin – vielleicht noch einmal überlegen. Inzwischen stellt er eine Forderung an die Volkspartei: Sie solle sich eingestehen, dass es ein Fehler war, Caramaschi bei den Stichwahlen zu unterstützen.

Giorgio Holzmann ist nach wie vor “offen für alle, die den Dialog suchen”. Gar nichts hält er von möglichen Mauscheleien (“inciuci”), wie er sie seinen Erzfeinden von Uniti per Bolzano vorwirft. Anlass dazu gibt ein angebliches mysteriöses Treffen zwischen SVP und Silvio Berlusconi, über das eine Regierungsbeteiligung von Uniti per Bolzano im Vorfeld der Wahlen vereinbart worden sein soll. Holzmanns mögliche Unterstützung von außen (um den Grünen Anstrich der Koalition zu verhindern) bereitet aber nicht nur Mitte-Links Bauchschmerzen. Selbst innerhalb der SVP sieht man Holzmanns Vergangenheit beim MSI und den Zweitgewählten seiner Liste, Giovanni Benussi, der bei den Wahlen 2015 mit CasaPound angetreten war, skeptisch.

Die Beteiligung von Angelo Gennaccaros Liste Io sto con Bolzano ist so gut wie fix. Als “estremamente normali”, wie sich Gennaccaros Anhänger selbst bezeichnen, passt man einfach überall dazu.


Wer (wahrscheinlich) nicht mitmischt

Lega Nord und CasaPound werden wohl von jeglichen Koalitionsgesprächen ausgeschlossen bleiben. Zweitere auf jeden Fall, denn auch wenn sich Renzo Caramaschi mit den drei CasaPound-Räten bereits zum Austausch getroffen hat, mit den “Faschisten des 3. Jahrtausends” will niemand regieren. Allein “die Anweisungen Salvinis befolgen” will indes Marco Galateo, der als möglicher abtrünniger Lega-Gemeinderat gehandelt wird, um doch eine Koalition ohne Grüne zustande zu bekommen.

Die Ankündigung von Caramaschi, der sich seine Amtsentschädigung als Bürgermeister um ein Drittel kürzen will, dürfte im Sinne der Grillini sein. Die sechs Gemeinderäte des Movimento 5 Stelle haben sich aber mit ihrer Oppositionsrolle abgefunden: “Saremo inflessibili e determinati nel vigilare, denunciare e contrastare soluzioni poco trasparenti ai danni della cittadinanza, ma anche pronti a collaborare per il bene e l’interesse comune.


Nun hat Renzo Caramaschi noch gut drei Wochen Zeit. Am 21. Juni muss die Stadtregierung stehen und vom Gemeinderat abgesegnet worden sein. Am selben Tag, an dem der kalendarische Sommer beginnt, könnte für Bozen der politische Frühling anbrechen. Welche Farben er haben wird, wird sich zeigen. Oder ob es grau bleibt. Denn ebenso bleibt zu beobachten, wie lange Caramaschi die “politischen Spielchen”, wie er sie nennt, noch mitspielt. Als Polit-Newcomer, der mehr Verwalter denn Politiker ist, hat er sich bereits entnervt geäußert über das Hin und Her um die Bildung (s)einer Koalition: Er sei zwar optimistisch, doch für Machtspiele gebe er sich nicht her. “Wenn ich sehe, dass es mir frei steht, eine 25-köpfige Mehrheit zu bilden, werde ich weiter machen. Andernfalls werde ich alles hinschmeißen, ohne zu zögern.” Und das würde dann die Rückkehr eines kommissarischen Verwalters nach Bozen bedeuten – ein Szenario, für das wohl keine der politischen Kräfte die Verantwortung übernehmen möchte.