Politik | So nicht

Neues Wahlgesetz: Die Diskussion ist eröffnet

So wie bisher kann in den großen Gemeinden nicht mehr gewählt werden. Dessen sind sich viele Politiker bewusst. Unterschiedliche Vorschläge aus unterschiedlichen Lagern.

Situationen, wie sie nach den diesjährigen Gemeinderatswahlen in den größten Städten des Landes eingetreten sind, soll es in Zukunft nicht mehr geben. Darin sind sich zahlreiche Politiker aus verschiedenen Lagern einig. Denn es hat sich gezeigt, dass der Mechanismus, nach dem derzeit die Regierungen in den Gemeinden mit über 15.000 Einwohnern zustande kommen, kaum bis gar nicht funktioniert: Im ersten Wahlgang werden die stärksten Parteien ermittelt. Doch falls keiner der Bürgermeisterkandidaten beim ersten Wahlgang 50 Prozent der Stimmen erhält, gibt es Stichwahlen. Die teils chaotischen und unsicheren Zustände, die dadurch entstehen, sind vor allem in Bozen und Meran wiederholt deutlich geworden.

Alessandro Urzì ist einer der ersten, der nun aktiv geworden ist. Für Alto Adige nel Cuore in den Bozner Gemeinderat gewählt, hat der ehemalige Bürgermeisterkandidat sein Amt nach der Bestätigung der Regierung Spagnolli am 25. Juni niedergelegt. Der Landtagsabgeordnete will sich mit aller Kraft im Regionalrat dafür einsetzen, dass das Wahlgesetz in Südtirol abgeändert wird. Er hat bereits einen Gesetzesentwurf vorgelegt. “Mein Ziel ist es, die Stichwahlen abzuschaffen”, erklärt Urzì im Gespräch mit dem Alto Adige. “Denn diese sind eine Fiktion, weil sie keinerlei Einfluss auf die Zusammensetzung des Gemeinderats haben.” Seine Vorschläge: Entweder reines Verhältniswahlrecht mit der direkten Wahl des Bürgermeisters bereits im ersten Wahlgang – wer am meisten Stimmen erhält wird unabhängig von den erreichten Prozenten Bürgermeister. Oder der Gemeinderat wählt auf Basis seiner Kräfteverhältnisse direkt den Bürgermeister. Er könnte sich aber auch eine dritte Variante vorstellen. Nach Schweizer Vorbild würde sich demnach der Stadtrat aus den meist gewählten Kandidaten zusammensetzen. “Eine Art erzwungene große Koalition”, so Urzì.

Auch auf der anderen Seite hat man sich bereits überlegt, wie man in Zukunft stabilere Verhältnisse schaffen will: “Wir haben mit der SVP gesprochen und sind uns einig, dass es einen Mechanismus braucht, der größere Regierbarkeit garantiert”, berichtet Christian Tommasini. Der PD-Landesrat ist überzeugt: “Es braucht einen Mehrheitsbonus.” Doch Klaus Ladinser bremst: “In Bozen klappt das mit dem Bonus für die stimmenstärkste Partei nicht”, so der ehemalige und wahrscheinlich auch zukünftige Bozner Vizebürgermeister und meist gewählter Kandidat der SVP. “Der Verfassungsgerichtshof hat diesen bereits in mehreren Urteilen für nicht zulässig erklärt.” Die Begründung des Gerichts: Die Vertretung der sprachlichen Minderheiten im Gemeinderat muss garantiert werden. “Daher ist es sinnlos, es noch einmal zu versuchen”, so Ladinser. Sein Vorschlag wäre, den Bürgermeister gleich wie in den Gemeinden mit weniger als 15.000 Einwohnern zu bestimmen. “Damit die Situation besser wird, braucht es ein Verhältniswahlrecht ohne direkte Wahl des Bürgermeisters. Dieser würde dann vom Gemeinderat bestimmt.”

Welche Lösung es in Zukunft auch geben wird, fest steht, dass es eine Neuordnung des Wahlgesetzes braucht. Dessen ist sich auch der Bozner Bürgermeister Luigi Spagnolli bewusst. Noch am Tag seiner mehr als wackligen Wiederbestätigung verkündete er: “Es braucht sofort ein neues Wahlgesetz. Und sobald es genehmigt worden ist, bin ich bereit, zurückzutreten, damit Bozen neu wählen kann. Und die Stadt eine starke Regierung bekommt, welche auch immer das sein wird.”