Kultur | Theaterkritik

Viel Theater um nichts?

Mit einem offenen Brief an die lokalen Medienvertreter versucht das Stadttheater Bruneck seinen Unmut auszudrücken. Der Grund: Seriöse Theaterkritik ist Mangelware.

Sich medial richtig in Szene zu setzen, fällt der darstellenden Kunst Südtirols in diesen Zeiten offensichtlich schwer. Trotz hoher Besucherzahlen und gutem Niveau der lokalen Theaterbühnen fiel die Berichterstattung darüber nur gering aus oder aber fand - wie in mehreren Fällen - gar nicht erst statt. Eine schockierende Entwicklung, findet das Stadtheater Bruneck und wandte sich deshalb in einem offenen Protestbrief an die heimischen TV-, Online- und Printmedien.

"Es ist traurig, dass von den Südtiroler Printmedien nur die Dolomiten auf ihrer Kulturseite und die Pustertaler Zeitung regelmäßig über die Produktionen des Brunecker Stadttheaters berichten", so die erzürnte Stellungnahme des Stadttheater-Gründers Klaus Gasperi.

Ein harter Vorwurf an die Kultur- und Chefredakteure. Auch die vermehrten Südtirol-Besuche  internationaler Filmproduktionen in den letzten Jahren, bei denen die Regisseure auch gerne auf die einheimische Schauspieler zurückgriffen, konnte diese Entwicklung nicht stoppen. Eine  übertriebene Klage des Stadttheaters? Ein Hilfeschrei? Oder war  der offene Brief nur eine Marketingstrategie der Verantwortlichen, um den Druck auf die Medien zu erhöhen und sich Gehör zu verschaffen?

Klaus Gasperi, Direktor des Stadttheaters, erklärt auf Nachfrage: "Nein! Ein bloßer Werbegag war das nicht! Unabhängig von der beachtlichen Anzahl von 18.000 Theaterbesuchern in Bruneck und mehr als 150 Eigenproduktionen im Jahr, nimmt die Berichterstattung spürbar ab. Medien, die noch vor einigen Jahren seriöse und gute Kritiken veröffentlichten, haben offenbar kein Interesse daran, dies auch weiterhin fortzusetzen. Woran das liegt, wissen wir nicht. Vielleicht sind es die Sparmaßnahmen, die es heutzutage in jeder Branche gibt."

Gästemangel gibt es trotz dieser Unterrepräsentation in den Tageszeitungen nicht. Insgesamt 250.000 verkaufter Theaterkarten verzeichnete Südtirol im Jahr 2013. Jedoch fällt es schwer, wichtige Produzenten davon zu überzeugt, sich an den  Kosten für Aufführungen zu beteiligen, wenn Projekte in der medialen Öffentlichkeit nicht wahrgenommen werden. Um Aufmerksamkeit zu erhalten, müssen sich die Theater mächtig ins Zeug legen. So wie beispielsweise im Dezember 2013, als man Studentinnen der "Europäischen Theaterschule Bruneck" für Filmaufnahmen als Prostituierte in die Dantestraße in Bruneck schickte. Da war das Interesse einiger Zeitschriften schnell geweckt. "Aber", so betont Gasperi, Provokationen ohne tieferen Inhalt sind nicht  Sinn und Zweck unserer Projekte. Es wird unseren Schauspielern und Studenten nicht gerecht. In Zeiten des Internet ist es ohnehin unmöglich, ständig einen Aufschrei zu produzieren. Die Reizschwelle ist niedriger als noch vor 20 oder 30 Jahren."

Auch der künstlerische Leiter des Stadttheaters Meran, Rudolf Ladurner weiß über die gegenwärtige Lage zu berichten: "Prinzipiell gilt zu bemängeln, dass die Berichterstattung zu sehr auf Großveranstaltungen ausgelegt ist. Nur Events interessieren und sind in der Öffentlichkeit zu verkaufen. Die Qualität der eigentlichen Theaterstücke wird nicht mehr besprochen. Gute Kritiker findet man nur noch selten hier. Es ist der Zeitgeist, der verständlicherweise auch die Medien treibt. Kultur muss aber mehr sein als nur blauer Dunst und sonst nichts dahinter"

Rückmeldung auf den offenen Brief erhielt Gasperi bislang nur von salto.bz und einem Journalisten des Bezirksblatt Der Vinschger, der den erstaunten Direktor um Nachsicht bat, da es für ihn schwierig sei, über Aufführungen im Pustertal zu berichten. Es bleibt zu hoffen, dass sich der Stellenwert lokaler Theaterkunst in den Kulturnachrichten wieder erhöht.