Wirtschaft | Fusion

"Das wird das schönste Unternehmen im Land"

Argumente für eine der größten Operationen der Südtiroler Wirtschaftsgeschichte gefällig? News von der ersten gemeinsamen Pressekonferenz von SEL und Etschwerken.

So hat man sie noch nie gemeinsam gesehen. An kleinen Stehtischchen vereint präsentierten sich am Freitag Vormittag im Bozner Museion die Manager und Präsidenten jener beiden lokalen Stromhirsche, die in der Vergangenheit wenn schon gegeneinander statt miteinander arbeiteten: Schulter an Schulter standen SEL-Präsident Wolfram Sparber und Etschwerke-Präsident Mauro Marchi, auf Tuchfühlung auch die Generaldirektoren Albert Stuflesser und Nicola Calabrò sowie SEL-Finanzdirektor Paolo Vanoni. Die Mission des gemeinsamen ersten öffentlichen Auftritts: Überzeugungsarbeit für die neue gemeinsame Gesellschaft zu leisten, die nach aktuellem Fahrplan bereits im Sommer dieses Jahres operativ werden sollte.

Dementsprechend großzügig wurde beim so genannten Pressefrühstück auch mit positiv besetzten Schlagworten und Superlativen umgegangen. Da war von Natur und Umwelt die Rede, von der Green Region, von Smart Cities und Smart Grids - aber vor allem von der Stärke der Provinz im Bereich Erneuerbare Energien und intelligenter Technologien, die mit dem Zusammenschluss ihrer beiden stärksten Spieler auf dem Feld wesentlich ausgebaut werden könnte. Bereits mit der Fusion würde das neue Unternehmen Italiens Nummer Eins unter jenen Produzenten, die ausschließlich erneuerbare Energie herstellen. Doch auch in anderen Rankings könnte sich der durch den Zusammenschluss entstehende größte Südtiroler Betrieb sehen lassen: 1,5 Milliarden Euro Umsatz, 260 Millionen Euro EBITDA, über 100 Millionen Euro Reingewinn und 1000 Mitarbeiter – damit würde das neue Unternehmen viertstärkster Energieanbieter des Nord-Ostens und sogar drittgrößter Player im Bereich Erneuerbarer Energien nach Enel und a2a auf nationaler Ebene. In der Region Trentino-Südtirol hätten Etschwerke und SEL gemeinsam einen Marktanteil von 25 Prozent.

Umschulungen statt Personalabbau

Eine Stellung, die man mit gemeinsamer Kraft auch noch beachtlich ausbauen will, wie die Führungskräfte der beiden Gesellschaften versicherten. Mit dem Zusammenschluss würden mehr als 40 Untergesellschaften von SEL und Etschwerken zusammengeführt; das Synergiepotential wird in den kommenden Jahren auf 25 bis 30 Millionen Euro geschätzt. Bis 2030 würde die Fusion laut den Zahlen der Beraterfirma McKinsey den Gewinn vor Steuern aufgrund solcher Optimierungen und Rationalisierungen um 20 bis 30 Prozent steigern. Personalabbau sei dennoch keiner geplant, wurde einmal mehr versichert. Ein Großteil der Beschäftigten würde den eigenen Arbeitsplatz behalten; dort wo es zu Veränderungen kommt, seien dagegen Weiterbildungen und Umschulungen geplant. 

Immerhin will das neue Unternehmen auch wachsen – nicht zuletzt durch die Neuausschreibung von Konzessionen, bei der man sich als stärkerer Player auch überregional größere Chancen erhofft. 0,6 Gigawatt an Kapazität verfällt innerhalb 2030 in Südtirol. Mehr als doppelt so groß ist der Kuchen dagegen in den kommenden 15 Jahren im Trentino bzw. Nord-Ost-Italien, wo insgesamt 11,4 Gigawatt den Betreiber wechseln könnten.

Wer hat wen über den Tisch gezogen?

So offen der Name der neuen Gesellschaft vor dem definitiven grünen Licht durch Politik und die Gesellschaftsorgane bleibt, so flexibel sind derzeit auch die Beteiligungsverhältnisse von Land und Gemeinden. Der aktuelle Entwurf sieht eine Quote von 54,42 Prozent für das Land vor, je 21 Prozent für die Gemeinden Bozen und Meran sowie 3,58 Prozent für die Selfin. Hier könnten sich infolge der parallel laufenden Neubewertung der Konzessionsgesuche innerhalb Frühling noch Verschiebungen ergeben, hieß es. Bei vier Kraftwerken mit 589 Gigawattstunden produzierter Energie auf Seiten der Etschwerke sowie 31 Kraftwerken und 2693 Gigawattstunden sieht es aber auch derzeit danach aus, als hätten die Gemeinden verdammt gut verhandelt. „Klarerweise sind diese Beteiligungsquoten auf politischer Ebene ausgehandelt worden“, räumte  SEL-Präsident Sparber ein. Er führte allerdings auch die weit größere Stärke der Etschwerke bei den Endkunden ins Spiel. Mehr als 133.000 Abnehmer haben die Stadtwerke mit ihrer 130-jährigen Geschichte; nicht einmal 20.000 die junge SEL. Angesicht der rapide fallenden Margen in der Stromproduktion der vergangenen Jahre habe dieser Vorteil den Wert der Etschwerke Wert in den vergangenen Jahr stark angehoben, meinte der SEL-Präsident.

Das delikate Ringen zwischen politischen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten zeigt sich aber auch in anderen Bereichen. So wird die Fusion wohl besonders der finanzschwachen Gemeinden Bozen mit einem Zuckerl von einer Sonderdividende für die Etschwerke-Eigentümer in Höhe von 15 Millionen Euro versüßt. Darüber hinaus wurde den Gemeinden zugesichert, dass zumindest 50 Prozent des Reingewinns alljährlich als Dividende ausgezahlt würde. Damit würde den beiden Gemeinden laut aktuellen Zahlen eine jährliche Dividende von je 10 Millionen Euro sicher sein. Sollte der Reingewinn allerdings unter das heutige Niveau fallen, würde sich die Finanzspritze für die Gemeindekassen anteilsmäßig reduzieren. Dennoch könnte dieses Zugeständnis den künftigen Energiekoloss in seiner Investitionsfähigkeit einschränken.

Schluss mit politischen Versorgungsposten?

Doch ohne diese Mindestgarantie waren die Gemeinde wohl kaum ins Boot zu holen.  Immerhin zeichnet sich bereits derzeit ab, dass mit der Fusion auch ihr politischer Einfluss auf das Energiegeschäft beträchtlich zurückgehen würde. Das fängt bei der Besetzung der künftigen Entscheidungsgremien an. Hier musste die Idee eines schlanken Vorstands mit nur vier Mitgliedern zwar aufgegeben werden, da Bozen und Meran in der Konstellation nur einen gemeinsamen Kandidaten ernennen hätten können. Sechs Vorstandsmitglieder, sechs Aufsichtsräte, heißt nun die neue Governance-Formel. Im Gegenzug wurden für die Mitglieder der Entscheidungsgremien aber auch kompetenzmäßige Anforderungen festgeschrieben und der politische Einfluss auf den Vorstand möglichst eingeschränkt, hieß es aus den Verhandlerkreisen. Ein klarerer Schlussstrich also auch für politische Versorgungsposten, die insbesondere den Etschwerken-Eigentümern gerne nachgesagt werden. 

Noch ist ein solcher Schlussstrich aber nicht gezogen. Innerhalb 10. Februar sind laut Fahrplan nun die Gemeinderäte von Bozen und Meran und die Landesregierung am Zug, die Satzung und das Rahmenabkommen zur Fusion zu genehmigen. Mitte Februar sollen die Verwaltungsräte und die Gesellschafterversammlung von SEL und AEW dazu grünes Licht geben. In dem Fall würde innerhalb des Frühjahrs auch die Übernahme des 40-prozentigen Enel-Anteils an SE Hydropower unter Dach und Fach gebracht werden. Und: Nach der endgültigen Genehmigung des Fusionsplans könnte die neue Gesellschaft bereits im Sommer operativ werden.

Wirtschaftsberater Heinz Peter Hager, der das Fusionsprojekt gemeinsam mit Gerhard Brandstätter begleitet, bemühte sich am Rande der Vorstellung nicht einmal seine Vorfreude darauf zu verstecken. Denn, wie er meinte: „Das wird das schönste Unternehmen im Land.“