Kultur | Initiative

Vollpension in Klausen

Drei Künstlerinnen aus Georgien, Litauen und Deutschland schauen den Klausnern über die Schulter und begutachten deren Badezimmer, Alltagswege und "Dolce Far Niente".

Als "Künstlerstädtchen" wird Klausen gerne von Touristikern beworben, obwohl die Zeit der Künstlerkolonie längst vorbei ist und nur mehr das Künstlerstübele im Gasthaus Weisses Kreuz vom einstigen Nimbus zeugt. Tatsächlich war nicht nur Albrecht Dürer im 15.  Jahrhundert im Eisackstädtchen zu Gast, viel später zog es eine ganze Reihe namhafter Persönlichkeiten nach Klausen, den Entenmaler Alexander Koester, Ernst Loesch, E.T. Compton, die Tiroler Defregger, Egger Lienz und Hans Piffrader.

Von Albrecht Dürer bis zur Künstlerresidenz #klausenvollpension

"Klausen hatte zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine bedeutsame Künstlerkolonie zu Gast, innerhalb von 25 Jahren zählte man 250 Maler, Zeichner, Bildhauer und Schriftsteller, die sich in den wenigen Gassen unseres Städtchens trafen, und man kann sich vorstellen, dass es für die Klausner recht inspiriernd war," meint Andreas von Lutz, einer der Ideatoren von Kunst Bodennah, einer Klausner Kulturplattform. "Derzeit lebt nur mehr eine einzige Künstlerin in Klausen, Sonya Hofer, mit dem Tod von Heiner Gschwendt und Lesley de Vries vor einigen Jahren ist die Künstlerschaft in Klausen stark geschrumpft." Klausen soll wieder kunstsinniger werden, so die Veranstalter von Kunst Bodennah. "Aus diesem Grund haben wir die Künstlerresidenzen ins Leben gerufen", schildert Martin Sagmeister die neue Idee. "Für 3 Monate sollen 3 Künstlerinnen in Klausen arbeiten, mit den Leuten reden und präsent sein im Ort, das war unser Anliegen bei der Ausschreibung für "Klausen Vollpension". 

Das Projekt läuft bereits, seit einigen Wochen ist die litauische Filmemacherin Elena Kairyte mit ihrem "Dolce far niente" zu Gast. "Ich habe mich mit diesem Konzept beworben, weil es mich interessiert zu erfahren, ob und wie Menschen die Kunst des Otiums, des Müßiggang oder Nichtstuns in ihren Alltag einfließen lassen." In Klausen sei es gar nicht so einfach, solchen Lebenskünstlern auf die Spur zu kommen, gesteht sie, doch habe sie bereits einige interessante Charaktere kennengelernt. "Ich werde eine Filmdokumentation daraus machen, natürlich muss ich die Menschen hier auch filmen, aber das läuft recht gut." Es funktioniert auch deshalb, weil die Künstlerresidenz auf intelligente Weise Bürger mit Künstlerinnen zusammenbringt. Für die Verpflegung wurde von Sagmeister und von Lutz ein Voucher-System entworfen; Mittag- und Abendessen wird von den Klausner Gasthäusern gestellt, das Frühstück bereiten sich die drei Frauen selber zu, in ihrer von der Gemeinde zur Verfügung gestellten Wohnung. Außerdem können auch Privatpersonen die Künsterlinnen zum Essen einladen und so das Projekt unterstützen.

Beim Abendessen eine andere Welt ins Wohnzimmer holen

"Gerade heute abend sind wir bei einem Paar zum Abendessen eingeladen, auf diese Weise kommen wir wirklich mit den Stadtbewohnern in Kontakt", freut sich Ursula Schachenhofer aus Karlsruhe, die seit einer Woche vor Ort ist. Sie erstellt eine virtuelle Stadtkarte  von Klausen, sie zeichnet ihre Alltagswege auf und will ihre Spuren, die sie in den Straßen und Gassen hinterlässt, dokumentieren, anhand von GPS-Karten, mit Zeichnungen und per Video. "Was bleibt von einem Ort, an dem wir eine bestimmte Zeit verbracht haben?" ist ihre Frage. Der Stadt Klausen bleiben allemal die Werke der drei Künstlerinnen, die bei den Vernissagen im "Alten Gericht", ihrem Atelier in einem alten Stadthaus präsentiert werden. 

Das dritte Projekt der Georgierin Inga Shalvashvili ist kurios und beleuchtet das Leben der Klausner vielleicht auf die intimste Weise. "Ich arbeite als Buchillustratorin und möchte hier eine Arbeit über die verschlossensten Räume in unseren Häusern und Wohnungen anfertigen", so die 31-Jährige. Toiletten und Badezimmer, vor allem die noch nicht modernisierten, sind ihr Objekt der Begierde. "Ich bin erst einige Tage hier und hatte noch wenig Gelegenheit für meine Suche, aber ich habe schon erfahren, dass es hier etliche alte Bauten gibt," so die Künstlerin, "und ich hoffe, dass mich die Leute hineinlassen." Der einmonatige Aufenthalt in Südtirol bedeutet für sie vor allem Zeit für freies Arbeiten, zu Hause in Georgien malt sie auf Bestellung. Und ein Honorar wird auch gezahlt, jede der drei Künstlerinnen bezieht 800 Euro Gage.

Wirtschaft und Politik unterstützen die Künstlerresidenzen

Klausen will mit diesem Projekt dezidiert für mehr Personenfrequenz in der Stadt sorgen, so Andy von Lutz. "Wir haben eine sehr kulturinteressierte Bürgermeisterin und die Wirtschaftsgenossenschaft Klausen unterstützt unser Projekt ebenfalls auf ganz konkrete Weise." Kunst und Kultur wird im Eisackstädtchen als wirtschaftsfördernder Faktor ernst genommen, das klare Bekenntnis von Wirtschaft und Politik dazu erleichtert die Arbeit der Gruppe Kunst Bodennah. "Wir haben uns 2013 gegründet, um mehr Kultur in den Ort zu bringen, bisher ist uns das mit 15 Ausstellungen an wechselnden Schauplätzen gelungen," so Martin Sagmeister. Mit der Künstlerresidenz hat man einen Schritt weiter gemacht, die Klausner sollten nicht mehr nur etwas zum Anschauen haben, sondern aktiv eingebunden sein in Kunst und Kultur.