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Grössenwahn in Ankara

Der türkische Staatspräsident Tayyip Erdogan hat seinen neuen Amtssitz eröffnet. Der von Clemens Holzmeister gebaute war ihm zu "mickrig".

Ak Saray heisst der neue Prunkpalast des türkischen Staatschefs, was soviel heisst wie " Weisses Haus ".  Selbstverstaendlich ist Erdogans Weisses Haus fünfmal grösser als jenes von US-Präsident  Obama und 27 mal so gross wie der Elysee-Palast in Paris.  Die Ironie der Geschichte liegt aber darin, dass dieses Weisse Haus der bisher grösste Schwarzbau in der Geschichte Ankaras ist. Denn für die Errichtung des 40.000 Quadratmeter Monsterbaues liess Erdogan kurzerhand ein Naturschutzgebiet zum Baugebiet erklären, um ein Urteil des Verfassungsgerichtes zu umgehen.

Das höchste Gericht hatte den Bau für illegal erklärt, weil er in einem geschützen Forstgebiet am Stadtrand von Ankara errichtet wurde. " Sollen sie ihn abreissen, wenn sie die Macht dazu haben", lautete die Replik des Staatschefs. Und in der Tat setzte sich Erdogan durch, nicht die höchten Richter, die mit ihrer Klage aber weitermachen wollen.  

Dem Bau dieser neuen Residenz wurden hunderte von  Jahrhundertbäumen geopfert. Für Erdogan kein  Problem, obwohl er sich in einer analogen Frage die Finger verbrannt hatte. Denn bei den Protesten in Istanbul zur Erhaltung des Gezi-Parks ging es ja auch um das Fällen von Jahrhundertbäumen, die einem Einkaufszentrum Platz machen sollten. Bei den damaligen Demonstrationen im Frühjahr 2013 kamen 8 Menschen ums Leben. Die internationale Gemeinschaft forderte von Erdogan Einlenken. Doch der türkische Staatschef kennt dieses Wort nicht. Er setzt sich durch, auf Biegen und Brechen.

Die regierungskritischen Medien werfen Erdogan jetzt Grössenwahn vor. Dabei stellt sich einmal mehr die Frage, ob die Politik an sich grössenwahnsinnig macht oder ob Menschen mit einem Hang zum Grössenwahn in die Politik gehen.

Doch das Schicksal hat auch die Hybris von Erdogan bestraft. Gestern, am 91. Jahrestag der Republik, als die neue Prunkresidenz eröffnet werden sollte, ereignete sich ein weiteres schweres Grubenunglück . Bei Ermenek in der Provinz Karaman wurden 18 Bergleute verschüttet. Ihre Überlebenschancen sind gering.  

Im vergangenen Mai starben 301 Kumpel bei einem Grubenunglück in Soma.  Als Erdogan damals - viel zu spät - am Katastrophenort eintraf, wurde er ausgebuht.  Das wollte er diesmal verhindern. Er eilte bereits gestern nach Ermenek und sagte die Eröffnungsfeier ab. Denn es war bekannt geworden, dass geladene Oppositionspolitiker und Ehrengäste die Feier boykottieren oder mit Protesten stören wollten. Also kam das Grubenunglück nicht ganz ungelegen.