Wirtschaft | Kellerei Bozen

Benko und der Wein

Am Donnerstag wird über den umstrittenen Neubau der Kellerei Bozen entschieden. Wie aus einem verheißenden Deal eine teure Lösung mit offenen Fragezeichen wurde.

Nicht nur in Südtirols Sanität, auch in der heimischen Weinwirtschaft gibt es einen Maulkorberlass. Gasthausgespräche zum Thema neuer Standort sind zu unterlassen, lautete die Anweisung, die ein zu diskutierfreudiges Mitglied unlängst aus der Kellerei Bozen erhalten hat. Dabei wäre der Diskussionsbedarf groß in diesen Tagen vor der Vollversammlung der Kellerei am kommenden Gründonnerstag. Ausgerechnet für diesen Nachmittag, an dem bei den heimischen Weinbauern traditionell nur der Kirchgang auf dem Programm steht, wurden die 220 Mitglieder der Kellerei erst vor zehn Tagen zur Vollversammlung ins Kulturheim Gries einberufen. Statt Tradition stehen an diesem vorösterlichen Donnerstag der schnöde Mammon und ein jahrelanger Zankapfel auf der Tagesordnung: der neue Sitz der 2001 aus den Kellereien Gries und St. Magdalena hervorgegangenen Genossenschaft am Anreiterhof und seine Finanzierung.

Acht Jahre ist es her, dass die Bozner Weinbauern erstmals über die Frage abgestimmt haben. Dass es die Kellereiführung nach all der Warterei nun plötzlich so eilig hat, den endgültigen Sanctus ihrer Mitglieder zu bekommen, könnte auch mit einem der am häufigsten zitierten Namen zu tun haben, der in Bozen in diesen Monaten zu hören ist: René Benko. Der Tiroler wird seit Wochen als potentieller Investor gehandelt, dank dem zumindest ein Teil des Plans gerettet werden soll, der am Beginn der Geschichte zwischen der Kellereiführung und der Nalser Firma Rauchbau geschmiedet worden war.

Tausche alte gegen neue Kellerei

Tausche alte gegen neue Kellerei, lautete damals die Formel.  Ähnlich wie beim ursprünglichen Vorschlag für den Bozner Gefängnisneubau hatte die Rauchbau GmbH angeboten, den fusionierten Winzern einen neuen Sitz zu bauen – und dafür im Gegenzug das Grundstück ihrer alten Kellerei in Gries zu erhalten und dort Mehrfamilienhäuser zu bauen. Der Standort für den Neubau der Kellerei war zumindest in dieser Variante bereits inkludiert: der Anreiterhof, ein ensemblegeschütztes Gut der Kurie an der Kreuzung beim Bozner Krankenhaus mit rund 6000 Quadratmetern Weinfläche und einem Hektar Buschwald. Das Vorkaufsrecht für den Hof hatte sich die Nalser Baufirma bei der Diözese Bozen-Brixen bereits gesichert – laut Gerüchten bereits einige Jahre vor dem definitiven Beschluss des Neubaus.

Mit der definitiven Wahl des Grieser Guts als neuen Standort durch die Vollversammlung im Jahr 2007 verstieß die Kellerei allerdings gegen das Ergebnis eines Standort-Gutachtens aus dem Jahr 2005, das sie selbst beim Centro Interuniversitario per la Viticoltura e l’Enologia der Universitäten Padua und Verona in Auftrag gegeben hatte. Mit 55 gegenüber 30 Punkten schnitt darin ein alternativer Standort in St. Magdalena deutlich besser ab als der Anreiterhof. Als wichtigste Gründe dafür wurden von den Gutachtern angeführt, dass dieser in unmittelbare Nähe zu einer großen und negativ besetzten Struktur wie dem Krankenhaus liegt und von weit weniger Rebanlagen umgeben sei als der Alternativstandort in Rentsch. Für diesen sprach laut den Gutachtern zusätzlich die positiv besetzte Wirkung des Namens und des Gebiets von St. Magdalena. Doch auch aus verkehrstechnischer Sicht liegt Rentsch für den Verkauf und die Anlieferung weit günstiger als Gries, wurde damals argumentiert.

Solche Argumente gingen bei der damaligen Entscheidung genauso unter wie der Rat der Gutachter, dass auch ein Kellereistandort möglichst breit mit den Werten des stark emotional besetzten Produkts Wein übereinstimmen sollte. Weit stärker wog bei den Bozner Winzern offenbar die verheißende Aussicht, ohne Mehrkosten zu einem neuen Sitz zu kommen. Denn dank des hohen Preises, den Rauchbau damals zur Verwunderung von Branchenkennern für das alte Grieser Kellereigelände bot, und den Erlösen aus dem Verkauf des Sitzes der früheren Kellerei St. Magdalena in der Brennerstraße sollten die Baukosten von rund 30 Millionen Euro vollständig gedeckt werden, hieß es damals. Da gut zwei Drittel der Kellereimitglieder Grieser sind, die wenig Affinität zu St. Magdalena haben, war es kein großes Kunststück, über die offensichtlichen Nachteile des Grieser Standortes hinweg eine Mehrheit für den Anreiterhof zu finden.

Maßgeschneiderte Urbanistik

Bereits 2008 wurde mit der KeBo GmbH eine eigene Gesellschaft für die Durchführung des Projekts gegründet. Präsident des Verwaltungsrates ist bis heute Karl Rauch selbst. Als Gesellschafter konnte wie auch beim Projekt für den Gefängnisneubau Siegfried Unterberger gewonnen werden, der über die GSU GmbH 49% der KeBo hielt. Die restlichen Anteile an der Projektgesellschaft hielt die heute in Liquidation stehende Particeps GmbH, die laut Firmenregister zur Gruppe von KeBo-Vizepräsidenten Hannes Larcher gehört.

In dieser Formation schien der Weg zum neuen Sitz in einem ersten Moment geradezu geebnet zu werden. Allen voran von der alten Landesregierung unter Landeshauptmann Luis Durnwalder. Entgegen den Protesten von Heimatschützern und Anrainern sowie anderslautenden Beschlüssen des Bozner Gemeinderats hob sie 2009 von Amts wegen die Ensembleschutzbindung der Grieser Kellerei und des Anreiterhofes auf und wies am Sitz der künftigen Kellerei ein Gewerbegebiet aus. „Parallel dazu wurde auch der Landschaftsschutz sozusagen maßgeschneidert für das Projekt aufgeweicht“, erinnert Rudi Benedikter, der den Rekurs gegen dieses Vorgehen als Anwalt vor dem Verwaltungsgericht und vor dem Staatsrat in Rom begleitete. Eine Bremse für das Projekt, die erst vor rund einem Jahr mit der Ablehnung des Rekurses in Rom wieder gelöst wurde.

Doch in der Zwischenzeit hatten sich die Voraussetzungen für den Neubau komplett geändert. Das Tauschgeschäft war wegen veränderter gesetzlicher Rahmenbedingungen nicht mehr möglich. Aufgrund der wirtschaftlichen Schlechtwetterlage konnte Rauchbau auch den großzügig berechneten Kaufpreis für die Kellerei in Gries nicht mehr halten. Und zu allem Überfluss verging auch Siegfried Unterberger offenbar die Lust an dem Projekt, weshalb er derzeit dabei ist, sich aus der KeBo zu verabschieden.

Bauen in der roten Gefahrenzone

Die Folge? Die Kellerei muss sich ihren neuen Sitz am Anreiterhof nun allein bauen bzw. die Arbeiten über eine Ausschreibung vergeben, wie auch der Obmann der Kellerei Bozen Michl Bradlwarter bestätigt. Das Vorkaufsrecht geht von der KeBo an die Kellerei über – mit heruntergehandelter Kaufsumme, wie der Kellereiobmann nicht ohne Stolz erklärt. Als Käufer des bisherigen Kellereiareals in Gries wurde mittlerweile ein Ersatz für Unterberger gefunden, der die Wohnbau-Operation nun als Mehrheitsaktionär mit der Finanzierungsgesellschaft von Karl Rauch abwickeln soll. Ob es sich dabei um René Benko handelt, will Bradlwarter erst auf der Vollversammlung am Donnerstag verraten. Doch er bestätigt, dass Wirtschaftsberater und Benko-Mann Heinz Peter Hager den neuen Investor vermittelt hat – der sich nach eineinhalbjähriger Verhandlungsphase als Meistbietender erwiesen hätte.

Dennoch klafft nun zwischen erwarteten Kosten und Erlösen der Operation ein Minus, das im Umfeld der Kellerei auf gut 12 Millionen Euro geschätzt wird. Eine Summe, die Bradlwarter sogar „ein wenig höher“ ansetzen würde. Denn  in der aktuellen Version der Operation fallen neben den geringeren Verkaufserlösen nicht nur höhere Steuern an. Darüber hinaus muss die Kellerei auch selbst für zusätzliche Kosten aufkommen, die beim Anreiterhof neben Grundstücks- und Baukosten entstehen.  Allem voran für teure Schutzbauten, die auf dem als rote Gefahrenzone ausgewiesenen Grundstück auf Kosten der Kellerei errichtet werden müssen. Ob dadurch in einer solch akuten Gefahrenzone eine 100-prozentige Sicherheit gewährleistet werden kann, stellt schon allein der Felssturz in der Gewerbezone in Sinich im Vorjahr in Frage. Darüber hinaus muss ein steiles Waldstück oberhalb des Grundstücks, das in landwirtschaftliches Grün umgewidmet wurde, für die Zwischenlagerung und Verarbeitung der gewaltigen Massen an Aushubmaterial hergerichtet werden, die beim Bau der vorwiegend unterirdisch geplanten Kellerei anfallen werden.

Kosten von mehr als zwei Ernten

Alles Kosten, die an den Mitgliedern im ursprünglich geplanten Deal spurlos vorübergegangen wären. Jetzt entspricht der Eigenaufwand dagegen mehr als zwei Ernten, rechnet ein Mitglied angesichts der jährlichen Auszahlungssumme der Kellerei in Höhe von sechs Millionen Euro vor. Er ist unter diesen Umständen nicht der Einzige, der sich fragt, ob die Standortfrage Gries versus St. Magdalena nicht doch noch einmal auf den Tisch kommen soll. Denn auch wenn der Grundstückspreis dort ein Stück teurer sei: „Rechnet man alle Zusatzkosten und Standortnachteile in Gries zusammen, wäre Rentsch eindeutig die bessere Lösung“, sagt der Weinbauer.

„Die Standortfrage ist längst entschieden“, wischt Obmann Bradlwarter solche Optionen vom Tisch. Am Donnerstag werde es vielmehr darum gehen, den Mitgliedern die Finanzierung der Operation zu erklären – vom Tilgungsplan bis hin zu in Aussicht stehenden Förderungen, die man vorher nicht bekommen hätte. Viel Spielraum für ein Nein der Mitglieder sieht ihr Obmanndabei nicht: „Es gibt kaum eine andere Lösung“, sagt Michl Bradlwarter. „Denn nichts tun, ist noch schlimmer.“

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Martin B. Mi., 01.04.2015 - 01:57

Ich denke inzwischen ist auch dem Kellerei-Vorstand die Freude am Projekt vergangen. Aber Fehler einsehen, bzw. einen Neustart wagen ist nicht einfach. Wird so enden wir bei anderen Kellereien: Prunkbau, hohe Schulden, niedere Auszahlungspreise - aber unklar ob der Führungszirkel in diesem Fall wenigstens nach außen noch "stolz" sein kann und bleiben wird.

Mi., 01.04.2015 - 01:57 Permalink