Chronik | Anfänge

Italienische Muslime setzen Zeichen

Muslime beginnen, in Italien und anderswo in Europa ihre Stimme gegen den Terror zu erheben. Sie brauchen unsere Unterstützung - und wir die ihre.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Rom, Mailand, Genua, Palermo, Parma, Reggio Emilio, Lucca: Unter dem Motto: „Not in my name!“ riefen muslimische Gemeinschaften in Italien am vergangenen Wochenende dazu auf, gegen den IS-Terror, für gemeinsame demokratische Werte und ein friedliches Zusammenleben zu demonstrieren. Es sind zwar keine Massendemonstrationen geworden – und das war vermutlich nicht nur dem regnerischen Wetter geschuldet. Dennoch: Einige Tausende sind dem Aufruf gefolgt, darunter viele Frauen.

Hier der Text des Aufrufs zu der zentralen Kundgebung in Rom, die von der „Grande Moschea di Roma“ initiiert wurde und der sich viele muslimische Verbände anschlossen:

„Not in my Name!

Wir in Italien lebenden Muslime verurteilen das Massaker in Paris auf schärfste und drücken dem französischen Volk und den Familienangehörigen der Opfer, die auf so barbarischer Weise ermordet wurden, unsere tiefste Anteilnahme aus.

Mit diesem Aufruf wollen wir ein klare Wende in der Beziehung zur italienischen Zivilgesellschaft und zum italienischen Staat einleiten, als dessen integraler Bestandteil wir uns verstehen und der wir auch sind.

Wir rufen daher alle Muslimas und Muslime dazu auf, sich aktiv dafür einzusetzen, jegliche noch so kleine Form von Fundamentalismus zu isolieren und insbesondere die jungen Generationen davor zu bewahren, dass sie Hass- und Gewaltpredigten im Namen der Religion folgen.
Wir laden alle Muslimas und alle Muslime, alle religiösen und laizistischen Organisationen sowie alle italienischen Bürger dazu auf, an der zentralen Kundgebung am Samstag, den 21. November, um 15.00 Uhr in der Piazza Santi Apostoli in Rom teilzunehmen.“

„Muslime wichtigste Verbündete“

Italienische Politiker, Gewerkschaftler, Intellektuelle und Künstler unterstützten die Initiative der muslimischen Gemeinschaften. Staatspräsident Mattarella und Parlamentspräsidentin Boldrini schickten Grußbotschaften.

Letzten Samstag in Rom

Letzten Samstag in Rom

In einer gemeinsamen Erklärung unterstrichen der PD-Abgeordnete Khalid Chaouki, Sprecher der interfraktionellen parlamentarischen Gruppe „Migration“ im Parlament, und der Vorsitzende des Senats-Ausschusses für Menschenrechte, Luigi Manconi (ebenfalls PD), wie wichtig es sei, dass gerade Muslime sich ohne Wenn und Aber gegen die IS-Barbarei wenden. „Die italienischen Bürger, laizistischen und religiösen Verbände sowie alle Frauen und Männer guten Willens müssen die italienischen und europäischen Muslime unterstützen und gegenüber denjenigen schützen, die den Islam auf seine aggressive, autoritäre Dimension und auf sein intolerantes, grausames Gesicht reduzieren wollen. Man darf nicht vergessen, dass der jetzt stattfindende Krieg in erster Linie ein Kampf um die Hegemonie in der muslimischen Welt ist… In dieser historischen Phase sind daher die in Italien lebenden Muslimas und Muslime unsere wertvollsten Verbündeten im Kampf gegen den Terror“.

Dem europäischen Islam eine Stimme geben

Der aus Marokko stammende Chaouki, selbst muslimischen Glaubens, ist schon lange Zielscheibe übelster rassistischer Angriffe bis zu offenen Morddrohungen. Sie werden vor allem im Netz verbreitet, teilweise anonym, teilweise von Anhängern faschistischer Organisationen und der Lega namentlich gekennzeichnet.

Politikern wie Khalid Chaouki in Italien und Cem Özdemir in Deutschland ist es zu verdanken, dass sie nicht nur selbst mutig und klar Position beziehen, sondern sich unermüdlich dafür einsetzen, die in Europa lebenden Muslime für einen europäischen Islam zu gewinnen, der die Auseinandersetzung um eine zeitgemäße Glaubensauslegung nicht scheut und die in der Verfassung beider Länder verankerten demokratischen Werte aktiv verteidigt. „Kein heiliges Buch steht über den Menschenrechten und keine Religion dieser Welt steht über der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland!“, so Özdemir am vergangenen Samstag in seiner vielbeachteten leidenschaftlichen Rede auf dem Bundeskongress der Grünen, am gleichen Tag, an dem in Italien Muslime gegen den Terror auf die Straße gingen. Er warnte aber auch, dass sich der reformerische Islam derzeit auf dem Rückzug befinde. Um so wichtiger sei es, sich gerade jetzt nicht auseinanderdividieren zu lassen und vereint – Muslime, Christen, Juden, Atheisten – gegen islamischen Fundamentalismus und Terror einzutreten.

Gegen die Flucht aus der Verantwortung

Dass viele Muslime die Ablehnung des Terrors – so auch auf der Kundgebung in Rom – mit der Beteuerung verbinden, dass er „mit dem Islam nichts zu tun“ habe, führt nicht weiter. Richtig ist, was Chaouki und Özdemir sagen: Es geht (nicht erst seit heute) um die Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Richtungen innerhalb der islamischen Welt: über die Interpretation (und Interpretationsfähigkeit) des Korans, sein Verhältnis zur Gewalt, zur Beziehung zwischen den Geschlechtern und zur Toleranz bzw. Intoleranz gegenüber Anders- und Nichtgläubigen. Ein Kampf um Hegemonie zwischen mittelalterlichem und reformerischem Islam, dessen Ausgang wesentlich davon abhängt, ob es auch in Europa jenseits von Religionszugehörigkeiten gelingt, Demokratie, Toleranz und Menschenrechte gegen diejenigen wirksam zu verteidigen, die Fremdenhass und menschenverachtende Gewalt verbreiten wollen.
Noch sind die Stimmen des reformerischen Islams zu spärlich, die Signale zu schwach. Aber es gibt sie. Es ist unsere aller Verantwortung, dafür zu sorgen, dass sie mehr und kräftiger werden. Und dass sie geschützt werden vor den Angriffen sowohl aus dem rechtsextremen als auch islamistischen Lager.

Bild
Profil für Benutzer Dr. Streiter
Dr. Streiter Mo., 23.11.2015 - 23:01

Inspirierender Artikel.
Was ist geschehen?
Vor 1400 Jahren schreibt Mohamed ein Buch mit exakten Handlungsanweisungen für den Alltag und behauptet nicht er, sondern Gott sagt das. Er erobert als Feldherr ein Imperium zwischen Damaskus, Sana und Muscat, also die ganze Arabische Halbinsel + Levante. Die Ottomanen greifen die Religion auf und erobern das halbe Mare Nostrum im Süden + Persien.
Im 19 Jh. krankt der Osmane, alle Kolonien gingen an den Westen. Sein Einfluss in Europa ist erloschen und es teilen sich Britannien und Frankreich die Arabische Halbinsel + Persien in 2 Hälften. Weltkriege und Rückzug der Kolonialmächte. Staffenten-übergabe Grossbritanien an die USA. Seit WW2 wissen wir was öl bedeutet: Macht (über die man zur Politik des Nahen Ostens nicht spricht ... sehr verdächtig). Geopolitischer Kampf zwischen USA und Sowjetunion um den resourcenreichen "nahen" und "fernen Osten". Alles ist erlaubt. 1990: USA gewinnt Weltherrschaft (Grund: hat die grössere Geldtasche, aber ja als wir kinder dieser Zeit einmal übern Zaun schauten: Komunismus ist Rost).
Mauerfall, unbedeutend für dieses Geschichte.
2001 das erste mal in ihrer Geschichte wird USA angegriffen. Am Zenit ihrer Macht.

Naja hab ich recht? muss schlafen., und wer will meine Geschichte weitererzähle?

Mo., 23.11.2015 - 23:01 Permalink
Bild
Profil für Benutzer gorgias
gorgias Di., 24.11.2015 - 00:02

Viele Muslime sind gute Menschen nicht wegen sondern trotz des Islams, sagt Hamed Abdel-Samad. Ein Grund könnte sein, weil sie ihre Religion nicht gut kennen.
Das Problem ist solange vorhanden, solange man den Koran als unfehlbares Wort Gottes ansieht, das man nicht hinterfragen darf.
Der Westen hat sich unter anderem auch die Frage gestellt ob der moderne Antisemitismus nicht durch das Christentum und seinen Antijudaismus einen Wegvorbereiter hatte, der für die Nazis und ihre Ideologie Zuspruch schaffte.
Solange die muslimische Welt sich nicht kritisch die Frage stellt, ob die Inhalte des Korans Mitursache dieser Barbarbareien seint könnten, können sie sich getrost die Worte "Not in my Name" weil sie im Grunde hohl sind und nicht anders al eine Reaktion ist, wie jener Kommunisten die in Russland im Gulag saßen, die glaubten das Stalin das wüsste er etwas dagegen tun würde. Oder wie Opfer der Kulturrevolution in China glaubten dass Mao nichts wusste und die Schuld der sog. Viererbande gab. Oder auch Nazis die den Holocaust leugnen, weil sie so was nicht wahr haben wollen und es bis zum Ende verdrängen, so wie Paul Maria Hafner es tat.
Das Wort Gottes in Form des Koran und sein Profet Mohamed sind das Vorbild für jeden gläubigen Muslimen. Es soll mir doch jemand zeigen, wie man auf dieser Grundlage Demokratie, Menschenrechte, Gleichberechtigung von Mann und Frau und Religonsfreiheit (und das bedeutet auch von einer Religion los zu sagen und von ihr auszutreten!! ) rechtfertigen kann.

Am besten sehen wir, wie weit man mit dem Islam in die Moderne kommt, wenn man die folgende Abschnitte der Kairorer Erklärung der Menschenrechte ( https://de.wikipedia.org/wiki/Kairoer_Erkl%C3%A4rung_der_Menschenrechte… ) liest:

>Artikel 22 garantiert das Recht auf freie Meinungsäußerung, solange diese nicht die Grundsätze der Scharia verletzt. Abschnitt b) gibt jedem Menschen in Einklang mit den Normen der Scharia das Recht auf Selbstjustiz. Abschnitt c) verbietet es, das Recht auf freie Meinungsäußerung dazu zu nutzen, „die Heiligkeit und Würde der Propheten zu verletzen, die moralischen und ethischen Werte auszuhöhlen und die Gesellschaft zu entzweien, sie zu korrumpieren, ihr zu schaden oder ihren Glauben zu schwächen“.

Die Artikel 24 und 25 unterstellen alle in der Kairoer Erklärung der Menschenrechte genannten Rechte und Freiheiten, nochmals ausdrücklich der islamischen Scharia und benennen die Scharia als „einzig zuständige Quelle für die Auslegung oder Erklärung jedes einzelnen Artikels dieser Erklärung“.<

Sind Muslime die in unserer Gesellschaft leben, bereit den Islam und die Scharia zu Beschneiden, wenn sie den Menschenrechten wiedersprechen. Oder wollen sie die Menschenrechte zurechtstutzen, damit sie Islamkonform werden könen, so wie es die Islamische Konferenz es getan hat ( https://de.wikipedia.org/wiki/Organisation_f%C3%BCr_Islamische_Zusammen… ) mit ihren 57 Mitgliedstaaten?

Di., 24.11.2015 - 00:02 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Benno Kusstatscher
Benno Kusstatscher Di., 24.11.2015 - 11:31

Antwort auf von gorgias

Jetzt am Koran herumzuzupfen, um die aktuellen Konflikte lösen zu wollen, wirkt für mich wie eine theologische Bibelstunde, um den 30-jährigen Krieg ungeschehen zu machen. Wie immer haben wir es mit einem machtpolitischen Interessenkonflikt zu tun, der all die islamischen Opfer in die Flucht treibt und der mit dem Ziel, uns zu instrumentalisieren, in die Welt getragen wird - Vielleicht in der Hoffnung, dass die Saat unserer jährlichen Osterpredigt aufgeht, die ägyptischen Rosse und Reiter den Meeresfluten preiszugeben.

Di., 24.11.2015 - 11:31 Permalink
Bild
Profil für Benutzer gorgias
gorgias Di., 24.11.2015 - 12:14

Antwort auf von Benno Kusstatscher

Sich mit dem Koran zu beschäftigen als Bibelstunde zu vergleichen ist verniedlichend, schließlich prägt dieses Buch in vielen Ländern jedes Aspekt des täglichen Lebens und ist treibende Kraft in diesen Gesellschaften. Das kann ich von der Bibel im Westen nicht sagen.

Di., 24.11.2015 - 12:14 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Benno Kusstatscher
Benno Kusstatscher Di., 24.11.2015 - 12:51

Antwort auf von Benno Kusstatscher

Es geht nicht darum, ob man etwas ernst nimmt, sondern darum, ob man die Verantwortung für das eigene Denken und Handeln selbst wahrnimmt, oder einem alten Buch zuschiebt. Weder ist eine Bibelstunde niedlich, noch Micky Maus unwesentlich für den Werdegang unserer Gesellschaft. Wenn man aber für irgendetwas eine Rechtfertigung konstruiren will, findet man immer eine Referenz in Bibel, Koran oder Schriftrollen, die man entsprechend umdeuten kann.

Di., 24.11.2015 - 12:51 Permalink
Bild
Profil für Benutzer gorgias
gorgias Di., 24.11.2015 - 13:35

Antwort auf von gorgias

Der Koran spricht dauernd von sich selbst und dass man ihn nicht in Frage stellen darf, weil das gottungefallig wäre, wer das von klein auf eingetrichtert bekommt, wird schwer davon loskommen. Und genau das sage ich wenn man sich mit dem Koran nicht kritisch auseinander setzt wird mit seinen dunklen Seiten verstrickt bleiben. Unter kritisch auseinander setzen verstehe ich aber nicht so lang herumzuintrtpretieren bis das heraus kommt was ich mir wünsche, weil das jeder tun kann und man darauf keinen Diskurs aufbauen kann.

Di., 24.11.2015 - 13:35 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Paul Stubenruss
Paul Stubenruss Di., 24.11.2015 - 08:54

Danke an Salto, an Frau Heine, an Herrn Dr Streiter,an Gorgias,
Das führt zu einer objektiven Meinungsbildung und lässt die gesamten Fernsehtalks in Deutschland wie sie zur Zeit über den Bildschirm laufen arm aussehen.

Di., 24.11.2015 - 08:54 Permalink
Bild
Profil für Benutzer gorgias
gorgias Di., 24.11.2015 - 12:08

Wann fing dieser Terror wie wir ihn jetzt erleben an? Hat man in den letzten Jahren einen neuen Koran geschrieben, dass sich aufeinmal etwas so fundamental verändert hat?

Es ist eine relativistische postmoderne Antwort Weltanschauungen und Religionen jegliche Eigendynamik abzusprechen und alles nur den Umständen zuzusprechen. Ist es aber diese Grundanschauung die doch auf verschiedene Situation Antworten anbietet. Nordafrika, China, Japan, Indien und Brasilien waren europäische Kolonien. Warum kommen aber einige Gesellschaften nicht vom Fleck.
In unserer westlichen Gesellschaft gibt es Araber, Chinesen, Türken, Südamerikaner usw. Warum wenn man von Integrationsproblemen spricht sind damit fast immer Muslime gemeint. Um genauer zu sein von männlichen aus bildungsfernen Schichten. Ich noch nie von einem Problem von männlichen bildungsfernen Chinesen gehört, die werden eher Klassenbester.
Warum finden Menschen die hier leben verschiedene Antwort auf die Schwierigkeiten des Immigrierens? Aus welchem Fundus schöpfen sie?
Welche Antwort gibt der Islam auf die Rückständigkeit gegenüber dem Westen? Moralische Arroganz.

Sowohl China als auch die arabisch-muslimische Welt hatte im 19.Jh. durch die Übermacht des Westen eine Krise erfahren, diese beiden Regionen haben nach teilweise experimentieren mit Kommunismus und Nationalismus zu ihren Wurzeln zurück gefunden. Wer hat hier mehr Erfolg gebracht? Die konfuzianischen Lehren oder der Koran?

Di., 24.11.2015 - 12:08 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Martin B.
Martin B. Di., 24.11.2015 - 13:13

Ja, das Beste für europäische Moslems ist auch m.M. nach:
- Ausgrenzung der Extremisten in Wort und besonders Tat
- Anerkennung der Menschenrechte (zulasten der gebräuchlichen Koranauslegung / Scharia)

Di., 24.11.2015 - 13:13 Permalink
Bild
Profil für Benutzer gorgias
gorgias Di., 24.11.2015 - 13:25

Antwort auf von Martin B.

Anerkennung der Menschenrechte (zulasten der gebräuchlichen Koranauslegung / Scharia)

Zulasten der eigenen intellektuellen Redlichkeit. Koran und Menschenrechte widersprechen sich, das kann man nur nicht wahrhaben, wenn man die Hälfte ausblendet.

Di., 24.11.2015 - 13:25 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Sepp Bacher
Sepp Bacher Di., 24.11.2015 - 22:05

Die Geschichte des Islam ist einige hundert Jahre jünger als das Christentum. Vor einigen hundert Jahren gab es auch im Christentum sogenannte Ketzer, die auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Viele mussten flüchten oder wurden vertrieben (Beispiel Hutterer). Indianervölker welche die Religion des weißen Mannes nicht annahmen wurden massenweise getötet, ihre Bücher und "Götzen" verbrannt. Will sagen, auch im Namen des Christentums wurde viel gemordet und Terror ausgeübt.
Nun sind auch Demokratie und Menschenrechte keine Früchte des Christentum, sondern der Aufklärung, in der Philosophie und Wissenschaften, ganz allgemein das rationale Denken tonangebend waren und immer noch sind. Vielleicht brauchen auch die muslimischen Gesellschaften und Kulturen so etwas wie ein Aufklärung und eine Trennung von Religion und Staat. Um das zu erreichen brauchte es in Europa und Amerika Revolutionen. Diese waren aber auch oft von Terror und Grausamkeiten geprägt und glückten nicht auf Anhieb. Es waren Jahrzehnte und Jahrhunderte dauernde Entwicklungen. Die Kirchen mussten aber den gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung tragen und haben sich reformiert. Das heißt aber nicht, dass nicht auch heute noch im Namen des christlichen Gottes Gewalt ausgeübt wird; z. B. von radikalen evangelikalen Christen in Amerika.

Di., 24.11.2015 - 22:05 Permalink
Bild
Profil für Benutzer gorgias
gorgias Di., 24.11.2015 - 22:58

Antwort auf von Sepp Bacher

> Die Geschichte des Islam ist einige hundert Jahre jünger als das Christentum. <
Was heisst das? Dass sich das Problem von alleine löst? Braucht man dafür nur einige hundert Jahre warten? Eigentlich ist das eine naive Vorstellung die einem suggeriert dass Entwicklungen einen vorgegebenen Zeitplan haben
>Nun sind auch Demokratie und Menschenrechte keine Früchte des Christentum, sondern der Aufklärung, in der Philosophie und Wissenschaften, ganz allgemein das rationale Denken tonangebend waren und immer noch sind. <
Nur zum Unterschied dass während in Gesellschaften wo das Christentum war man diese Ideen nicht im Keim erstickte und diese nun diese durchsetzt haben.
> Es waren Jahrzehnte und Jahrhunderte dauernde Entwicklungen.<
Ja und der Westen soll sich genau überlegen wie er solche Entwicklungen beeinflusst. Durch falsche Toleranz und in dem man auf beiden Augen blind ist mit einer das wird schon werden Mentalität oder durch eine offene ehrliche kritische Auseinandersetzung?
>Das heißt aber nicht, dass nicht auch heute noch im Namen des christlichen Gottes Gewalt ausgeübt wird; z. B. von radikalen evangelikalen Christen in Amerika. <
Und die Stecken von allen Seiten zurecht auch herbste Kritik ein!

Es gibt keinen Fahrplan und es ist auch nicht gesagt in welche Richtung sich der Islam entwickeln wird. Es sieht zumindest so aus, dass an vielen Orten der Islam anfängt sich zu radikalisieren, wie in Indonesien oder in Ägypten z.B. Die islamische Gesellschaft steht vor einigen Hürden, ob sie diese meistern wird ist aber noch offen. In der arabischen Welt gab es aufklärererische Tendenzen, aber diese wurden damals abgewürgt.

Ich möchte noch ein paar Worte von Hamed Abdel-Samad hinzufügen:

>Oft werden die Psychologie der Täter und ihr soziales Umfeld analysiert, um deren Motive herauszufinden. Doch der islamistische Terrorismus wäre niemals erfolgreich ohne die geistige Kraft, die hinter ihm steht. Zunächst kommen die Koranpassagen, die den Kampf gegen Ungläubige legitimieren, dann der Märtyrerkult, der eine zusätzliche Motivation für den Terror bietet. Erst der Glaube verleiht dem kalkulierten politischen Akt eine mystische Dimension. Dieser Glaube, ob nun richtig verstanden oder falsch interpretiert, schafft eine menschliche Mauer zwischen dem Täter und seinem Opfer. Die Herabsetzung der Ungläubigen in der religiösen Literatur entmenschlicht die Opfer und lässt kaum Mitleid zu. Erst die göttliche Sprache ermöglicht es dem Attentäter, in eine sakrale Welt einzutreten.<

>Die arabische Revolution hat gezeigt, wie eine Kultur, die auf Autorität und Hierarchie setzt, die politische Autorität des Herrschers in Frage stellen kann. Wenn die befreiten Staaten nun in dem gleichen Geist weitermachen wollen, dann müssen sie sich irgendwann mit den religiösen Autoritäten und mit der Autorität des »heiligen« Textes auseinandersetzen. Es geht nicht darum, den Koran zu verbieten oder ihn für ungültig zu erklären, sondern es geht darum zuzulassen, über seine Entstehung, den historischen Kontext seiner Teile und den politischen Gehalt seiner Botschaften ohne Tabus zu diskutieren. Erst die Relativierung der Heiligkeit des Korans als direktes Wort Gottes kann den Weg freimachen für die Gedanken der Aufklärung in der arabischen Welt. Der Koran selbst ist nicht reformierbar. Es gilt, die Gedanken der Gläubigen und ihre Haltung zum Koran zu reformieren.<

Di., 24.11.2015 - 22:58 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Benno Kusstatscher
Benno Kusstatscher Mi., 25.11.2015 - 10:07

Antwort auf von gorgias

@gorgias: Es geht mir nicht darum, einzelnen Aussagen zu widersprechen, sondern um einen Gegenakzent zu setzen. Al-Qaida ist/war zu einem großen Teil antiamerikanisch motiviert. Ich habe in letzter Zeit öfters die These gehört (ohne die selber behaupten zu wollen/können), dass Märtyrertum dem Islam über Jahrhunderte unbekannt war und ein eher christliches bzw. japanisches Phänomen war. Islamischer "Märtyrerkult" sei demnach erst von Afghanen bzw. Palästinensern erfundern worden. Naja, das mit den 72 Jungfrauen wird schon irgendwo stehen und die weiblichen Märtyrerinnen motivieren. Im Ernst: Dieser Tage besorgt uns hauptsächlich der Islamische Staat für Irak und Syrien (ISIS), der durch Streichung des weiten 'IS' als "IS" zwar einen weltweiten Machtanspruch symbolisiert, der aber in erster Linie einen innerislamischen Konflikt befeuert, bzw. aus einem innerislamischen Konflikt entstanden ist: aus der ungerechten Verteilung von Einfluss zwischen Sunniten und Schiiten im nach-amerikanischen Irak; stellvertretend für die Rivalität zwischen Iranern und Saudis, die wiederum im Einflussbereich der Russen bzw. der Amis experimentieren. Im Syrienkrieg leiden natürlich auch Juden, Christen und andere, aber in erster Linie befetzen sich islamische Gruppierungen gegenseitig. Vermutlich orientieren sich alle irgendwie am Koran. Es ist also kein Konflikt zwischen islamischer und christlicher Welt auch keine Intifada gegen Israel. Allerdings wird die "islamische Opferkarte" gerne zur Rekrutierung benutzt, auf die gar manche angewidert von westlicher Überheblichkeit ansprechen. Die Attentate in Paris provozieren natürlich "überhebliche" Reaktionen und "überhebliche" Argumente, womit wir uns instrumentalisieren lassen haben. Dieses "Not in my name" passt da leider auch gut ins Bild (warum sollte das überhaupt nötig sein), ist aber im innereuropäischen Dialog aber wiederum konstruktiv.

Mi., 25.11.2015 - 10:07 Permalink