Kultur | Salto Weekend

„Ohne Skript gestartet“

In ihrer Rolle wird Ingrid Mikalsen Deinboll den heutigen Theater-Abend eine neue Richtung geben. Mehr sei nicht verraten. Mit Salto sprach sie Mittwoch Abend.
Ingrid Mikalsen Deinboll
Foto: Luca Guadagnini
Da am Mittwoch die Presse zu Stückentwicklung geladen wurde und nicht zu einer Probe eines fertigen Stückes, will ich mich kurz halten. „Underground Birds“ dürfte einen spannenden Abend versprechen, wenn einige Unausgegorenheiten noch ausgemerzt werden.
Die Zusammenarbeit von vier verschiedenen Theater-Kompanien (VBB, Kula Compagnie, Hålogaland Theater und Negar Theater) musste nicht nur künstlerische Differenzen, sondern auch sprachliche und eine zeitliche und räumliche Trennung überwinden. Die afghanischen Schauspielerinnen von Negar Theater befinden sich im Untergrund, nehmen am Abend selbst in Form von Videoprojektionen teil.
 
Salto.bz: Frau Deinboll, neiden Sie Ihren Kollegen das Spiel mit den Videoprojektionen?
 
Ingrid Mikalsen Deinboll: Ich habe wenige Interaktionen mit den Videos, aber ich habe das Gefühl, dass es immer eine Menge komplizierter Arbeit ist. Die Schauspielerinnen haben ihre Arbeit für die Videos gemacht und wir tun unsere auf der Bühne. Das zusammenzuführen mit einem Rhythmus und zusammen zu sprechen ist eine unterhaltsame Herausforderung.
 
Was ist mit den Sprachbarrieren, da es außerhalb der Stückhandlung einige gibt, wie findet man die Intention der Mitschauspieler? Arbeitet man nach Skript?
 
Wir haben, vom Start des Projekts weg ein gemeinsames Dokument erstellt, in welches wir alles schreiben. Wir schreiben alles in Englischer, Deutscher, Italienischer, Norwegischer und Französischer Sprache, so hat man alles in alle Sprachen übersetzt. Da ich etwa einen Dialog mit Celine, aus Frankreich einen Dialog habe, haben wir zusammen gearbeitet und einander erklärt, was wir mit unseren Worten tun wollen, wie wir auf einander mit unseren Worten einwirken. Dann lernen wir den Text auch in der Sprache der jeweils anderen gut kennen. Wenn sie auf Französisch spricht, übersetze ich es in meinem Kopf in die Englische Fassung, weil ich ihre Worte so gut kenne. Es ist eine großartige Gelegenheit all diese verschiedenen Sprachen auf der Bühne zu haben und damit spielen zu können.
 
 
Ihre Figur im Stück wirft Fragen zu unserem Privileg als Europäer auf. Sollten wir uns wegen ihm schlecht fühlen?
 
Ja, das fragt sie in gewisser Weise. Wie sie sagt, wir sind geboren, wo wir geboren wurden. Wir haben Glück und sollten über unser Privileg nachdenken, aber wir müssen auch unser Leben leben. Diese Diskussion ist groß. Wir müssen auch darauf achten, in was für einer Welt wir leben und versuchen, denen, die weniger Glück haben als wir, zu helfen.
 
Wenn man ein gutes Stück verlässt, nach dem man sich auf eine Art unwohl mit dem Zustand der Welt fühlt, welche Reaktion kann vom Theater ausgelöst werden? Nachdenken?
 
Ich denke, dieses Stück ist schon das Beginnen eines Nachdenkens. Es geht alles damit los, es beginnt mit unseren Gedanken, die zu Worten werden. Wir sollten uns das immer fragen, was wir persönlich tun können.
 
Sie sprechen von einem „Wir“. Wie viel Einfluss haben die Schauspieler auf das, was auf der Bühne passiert und wie viel der Regisseur? Ist diese Arbeit ein demokratischer Prozess?
 
Ja, das ist sie. Wir haben in Deutschland damit begonnen, haben für zwei Wochen verschiedenes ausprobiert. Wir schreiben das Stück zusammen, mit dem Regisseur und den Afghanischen Schauspielerinnen. Ich habe das Gefühl, dass wir das gemeinsam getan haben. Natürlich braucht es eine außen stehende Stimme, die ab einem gewissen Punkt die Führung übernimmt. Wenn dem nicht so wäre, dann wäre das Chaos. Es war ein sehr demokratischer Prozess, der es uns ermöglicht hat unsere jeweiligen Sprachen, Kulturen und Arten Theater zu spielen zusammenzubringen und voneinander zu lernen.
 
Worin unterschieden sich die Arten Theater zu spielen am meisten?
 
Wir sind ohne Skript gestartet, zwar mit einer Geschichte, aber die konnte sich immer ändern. Also von in gewisser Weise nichts auszugehen und zu vertrauen, auf den Prozess und uns selbst, wenn wir nicht wissen, was nun zu tun ist. Wir wissen nicht, wie dieses Projekt wird. Dieses Gefühl, vertrauen zu müssen ist in diesem Projekt stärker, als allem, was ich davor gemacht habe. Ich denke, das ist eine gute Erfahrung, die mich lernt nicht zu zögern, sondern es einfach zu tun.
 
Die Rezension zum heutigen Premierenabend um 20 Uhr im Stadttheater Bozen folgt.