Politik | Regierung Renzi legt Entwurf zur Verfassungsreform vor

Rechte der Regionen: ein Schritt vor, ein Schritt zurück

Die Provinzen sind Geschichte, und nun setzt die Regierung Renzi alles daran, den Senat abzuschaffen, der sich noch heftig wehrt. Gleichzeitig soll Renzis Verfassungsreformentwurf die Regionen und Lokalautonomien stärken. Doch was er mit der einen Hand gibt, scheint er mit der anderen wieder nehmen zu wollen. Und das betrifft auch die Autonomen Provinzen.
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Die Abschaffung des Senats ist für das politische System Italiens ein großer Schritt nach vorne. Zwar entfallen jetzt an die 300 teure Senatorenposten, zum anderen tritt aber kein überzeugendes Organ als Ausdruck des italienischen Regionalstaats und der "Lokalautonomien" an seine Stelle. Zum einen erhalten die kleineren Regionen, großen Städte und die Gemeinden mehr Gewicht, weil sie mit gleichem Gewicht wie die Großen in dieser rund 140-köpfigen Versammlung vertreten sind; zum anderen hat dieses neue Organe nur wenig echte Mitentscheidungsrechte. Seine Rolle und sein Gewicht entspricht nicht dem deutschen Bundesrat. Südtirol kann sich über seine voraussichtlich 6 Vertreter freuen, darunter der LH und der BM von Bozen, aber 21 Mitglieder der künftigen "Autonomienversammlung" werden vom Staatspräsidenten ernannt. Demokratisch sehr bedenklich.

Wird diese ""Autonomienversammlung"" über ausreichend Kontrollrechte gegenüber der Kammer verfügen? Sicher nicht, denn in den meisten Fällen kann sie zu den Gesetzentwürfen der Kammer nur eine Stellungnahme abgeben. Zu einer eng begrenzten Zahl von Sachbereichen kann sie zwar gegenüber der Kammer zunächst ein Veto einlegen, dann gibt es jedoch nicht - wie etwa in Deutschland - einen Vermittlungsausschuss, der Kompromisse zwischen Lokalautonomien und Zentralstaat aushandelt. Vielmehr genügt die absolute Mehrheit in der Kammer, um das Veto der "Autonomienversammlung" aufzuheben. Diese Versammlung hat somit keine Legislativkompetenzen, auch wenn der neue Art.70 nach Wunsch der Regierung festschreibt: "Die beiden Kammern üben gemeinsam die Legislativfunktion aus".

Nun hat Renzi den Vertretern der autonomen Regionen zwar zugesichert, dass im Zuge der anstehenden Neufassung des Abschnitts V der Verfassung ihre Zuständigkeiten nicht beschnitten werden. Das soll über eine Besserstellungsklausel geschehen, die sicherstellt, dass die Reformen in den autonomen Regionen nur Anwendung finden, wenn sie im Vergleich zum Status Quo eine Besserstellung mit sich bringen. Allerdings ist nicht klar, was der rechtliche Status Quo ist: alle Kompetenzen, die Südtirol vom Staat delegiert bekommen hat, oder nur das Autonomiestatut mit den Reformen von 2001? Außerdem enthält dieser Regierungsentwurf einige gefährliche Fallen bei der Kompetenzenaufteilung. Der Staat will nämlich einige konkurrierende Kompetenzen abbauen und wieder in die ausschließliche Zuständigkeit des Staats zurückführen, wie z.B. die Energie, große Infrastrukturprojekte, Transportwege. Gleichzeitig führt der Staat wieder ein erweitertes nationales Interesse ein: "La legge dello Stato può intervenire in materie o funzioni non riservate alla legislazione esclusiva quando ricorrono esigenze di tutela dell’unità giuridica o economica della Repubblica o di realizzazione di riforme economico-sociali di interesse nazionale." (Art. 117 im Verfassungsgesetzentwurf der Regierung vom 12-3-2014). Die alte Koordinierungsbefugnis feiert damit fröhliche Urständ.

Um die ständigen Konflikte zwischen den Regionen und dem Zentralstaat einzudämmen, müsste die Reform ganz anders ansetzen. Nämlich die konkurrierenden Zuständigkeiten auf ein Minimum bringen, sowohl die staatlichen wie die regionalen Kompetenzen genauestens definieren, und kein schwammiges, vor den Gerichten beliebig dehnbares "nationales Interesse" vorsehen. Ansonsten ist die Reform schon im Keim sehr konfliktbehaftet, und das gilt auch für das Verhältnis Bozen-Rom.

 

Thomas Benedikter

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Salto User
Manfred Gasser Di., 08.04.2014 - 10:42

Bei diesen Aussichten frage ich mich ganz was anderes.
Egal ob Senat oder Abgeordnetenhaus, was passiert, wenn diese Regierung die Energie, die Staatsstrassen, die A22, usw. usf. wieder haben will? Wenn diese Regierung mit ihrem "Nationalen Interesse" auf Raubzug geht, was hat Südtirol dagegenzusetzen? Gibt es diese Garantien für die Reformen nach 2001?
Diese Fragen machen mir Sorgen, weniger ob uns dann der Senat oder jemand anderes die Hosen auszieht!

Di., 08.04.2014 - 10:42 Permalink