Gesellschaft | Busbahnhofareal

Bürgerdebatte bringt Information und Kritik

Fünf Stunden dauerte die erste öffentliche Debatte zum Kaufhaus-Areal in der Eurac. 16 Redner sprachen über das Thema Shopping Center versus Stadtentwicklung.

Volle Sitzreihen um 15 Uhr in der Aula Magna der Eurac. Die Gemeinde Bozen lud ein zur Informationsveranstaltung über das städtebauliche Projekt am Busbahnhof-Areal. Zustandegekommen war diese erste öffentliche Debatte auf Betreiben eines Bürgerkomitees, das damit zum erstenmal das Instrument der Bürgerbeteiligung in die Wege leitete. Bürgermeister Luigi Spagnolli und Gemeinderatspräsident Guido Margheri eröffneten die Debatte und gaben das Wort weiter an die Urbanistikstadträtin Chiara Pasquali, die erläuternd auf die Anfänge des Artikels 55  einging, bzw. dessen Erneuerung im Jahr 2013 um das Anhängsel Quinquies, auch als Lex Benko bekannt. Pasquali hob Bozen als "laboratorio sperimentale" einer Gesetzesnorm hervor, die es Privaten zwar gestatte, ein Bauprojekt vorzuschlagen, wo jedoch die Stadt nach wie vor das letzte Wort habe, um Gemeinwohl und öffentliches Interesse zu vertreten. 

Auch Frank Weber, Raumentwickler in der Landesverwaltung und Mitglied der Dienststellenkonferenz Bozen ging auf das Vorschlagsrecht von Privaten ein, in den Innenbereichen von Städten und Dörfern zu bauen. Mit dem Artikel 55 qq würden lediglich die Planungsphasen umgedreht: "Zuerst gibt es das konkrete Projekt und dann kommt die urbanistische Absegnung durch die Techniker und in einem zweiten Schritt durch die Politik." Das erlaube zu erkennen, was von der Öffentlichkeit gewünscht und gebraucht werde. Dass im geplanten Areal ein Einkaufszentrum die zentrale Rolle spiele, betone Bozens Affinität zum Handel, der in der Geschichte der Stadt seit jeher bedeutend war. "Ein Einkaufszentrum in der Innenstadt baut einer möglichen Abwanderung auf die grüne Wiese vor," so Weber.

"Shopping allein macht noch keine Stadt."

Zur Geschichte der Stadt und ihrer baulichen Entwicklung gab es interessante Eingaben, etwa von Architekt Andreas Hempel, der nach dem roten Faden fragte, den die Bozner Städtebauer seiner Ansicht nach schmerzlich vermissen ließen. "Was macht eine Stadt und ihr städtisches Leben aus?" fragte er, was die urbane Vielfalt? Das Errichten eines innerstädtischen Kaufhauskolosses sei eine städtebauliche Katastrophe, befand Hempel. Die Stadt solle vielmehr kleinteilige Strukturen bevorzugen. Seinen Vortrag können Sie hier nachlesen.

Der Busbahnhof wird in die Rittnerstraße zwischen Zugbahnhof und Rittnerbahn verlegt.

Der gebürtige Bozner und in Wien lebende Architekt David Calas fragte nach dem Bozner Masterplan bzw. dem 2010 vorgestellten Arbo-Projekt zur Neuentwicklung des Zugbahnhofareals. Was soll aus diesem, vom Wiener Architekt Boris Podrecca geplanten Großprojekt werden, wenn erst das Kaufhaus stehe und die gesamte Verkehrsplanung dem angepasst ist? Denn, so zeigten es die Techniker der Dienststellenkonferenz auf, die Neuverlegung des Busbahnhofs sei bereits beschlossene Sache: nördlich vom Zugbahnhof in der Rittnerstraße. Günther Burger, Ivan Moroder und Mario Begher erläuterten die verkehrstechnischen Umbrüche, die das Kaufhaus-Projekt mit sich bringen. Die Verlegung des Busbahnhofs nach Norden, die Veränderung des Radwegnetzes, die Untertunnelung der Südtirolerstraße, die Errichtung der Haupthaltestelle des Überetscher Metrobusses bei der Rittner Seilbahn. Welche Kosten dies verursacht, davon war bislang noch nicht die Rede. 

"Kein Shopping-Center auf der grünen Wiese, also auch keine Abwanderung."

Auch Benko war am Rednerpult, bzw. seine Planer, Christian Helfrich, Landschaftsarchitekt Stefan Bernard und Projektleiter Bernhard Pöll. Ausführlich und detailliert wurde das erneut abgewandelte KHB-Projekt vorgestellt, der positive Effekt eines Kaufhauses im Stadtzentrum betont und die urbanen Strategien der Stadtpolitiker gelobt. 

Ein wertvoller Beitrag war die Zuspielung einer Videobotschaft der Regisseurin Uli Gladik, die in Ausschnitten ihren Film "Global Shopping Village" vorstellte. Sie wandte sich direkt an das Bozner Podium und sprach von ihrer Motivation, einen shopping-kritischen Film zu machen. Sie stammt selbst aus einer Kleinstadt in Österreich, wo Fachmarktzentren die Geschäfte aus der Innenstadt verdrängt hätten. Im Film kommt der ehemalige Einkaufszentrum-Planer Walter Brunner zu Wort, der jetzt die Gebaren von Kaufhaus-Investoren und ihre Angriffe auf die wertvollen Innenstädte kritisiert. Der Film ist am 21. Jänner im Bozner Filmclub zu sehen.

Kritische Stimmen fehlten nicht auf der Bürgerdebatte, sie kamen im weiteren Verlauf von Roberto d'Ambrogio von Arci Bene Comune Bolzano, Doriana Pavanell vom CGIL-AGB, SEL-Vertreter Lorenzo Sola und zum Teil Thomas Außerhofer von den Bauunternehmern Südtirols. Allerdings nahmen den prominenten Teil der Veranstaltung die Stadtvertreter und -techniker sowie Repräsentaten der Signa-Holding ein. 

Insgesamt haben sich 38 Redner für die öffentlichen Debatte angemeldet, nach dieser ersten Runde sind zwei weitere am 23. und am 30. Jänner vorgesehen, jeweils um 17 Uhr in der Eurac.