Hochzeit
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Mutti-Tag

„Komm her, die Mamma bindet dir den Schuh zu“, sagt die Mutter zum Kind. Als ob kleine Kinder das Ich nicht verstehen würden.

„Spiel allein, die Mami muss kochen“, sagt die ich-befreite Mutter zum Kind. Dabei verstehen Kinder das Wörtchen Ich hervorragend. Immer noch manövrieren Frauen ihre Person sprachlich ins Abseits, wechseln in die Mutterfunktion und lassen den Rest des Menschen draußen. Was sprachlich passiert, passiert aber auch im Kopf.

Mein Sohn nennt mich „Mamma“, als er pubertierte wurde ich zur coolen „Mom“, und wenn mich heute jemand Mutti nennt, suche ich den Grinser im Gesicht.

Klar, damals, als es Mutterkreuze gab, war's schlimmer. Da begann die Entpersönlichung schon bei der Trauung, wenn Erna Gasser plötzlich aufhörte zu existieren, weil sie zur Erna Mayer mutiert war. Mit dem „Mädchennamen“ war auch die Identität weg. Dafür schaute für einige wenige ein Titel heraus. Erna Gasser wurde am Altar zur Frau Doktor. Draußen. Drinnen sagten eh alle Mutti zur Erna, auch der Gatte. Um diesen Mutti-Status zu erhalten, hatte die Frau vor allem liebend zu dienen. Dass „Mutti“ in den 1960er Jahren modern klang, ist heute kaum vorstellbar. „Mutti Merkel“ gilt eindeutig als Beschimpfung.

Auch meine Mutter hieß „Mutti“. Ihre Mutter hatte noch „Mamma“ geheißen, Vaters Mutter „Mutter“ und Omas Mutter war ganz elegant eine „Mamaaa“. Mein Sohn nennt mich „Mamma“, als er pubertierte wurde ich zur coolen „Mom“, und wenn mich heute jemand Mutti nennt, suche ich den Grinser im Gesicht. Auch das mit dem Dienen hat sich aufgehört bei mir. Bei mir ist nur das Lieben geblieben. Aber dafür brauche ich keinen Dank einmal im Jahr.

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Hartmuth Staffler Sa., 12.05.2018 - 22:33

Meine Mutter hat nie "die Mamma", sondern immer nur "ich" gesagt, wenn sie sich an mich gewandt hat. Ich habe es meistens verstanden. Meine Mutter ist aber auch nicht dadurch "entpersönlicht" geworden oder hat gar ihre Identität durch einen Wechsel des Familiennamens verloren, sondern sie ist immer eine Persönlichkeit geblieben; Namen waren ihr nie wichtig. Ein Mutterkreuz hätte sie nie interessiert, und einen Artikel, in dem so viele Gemeinplätze und Vorurteile wahllos zusammengewürfelt worden sind, hätte sie wohl auch nie bis zum Ende gelesen. Das möchte ich zu ihrer Ehre sagen.

Sa., 12.05.2018 - 22:33 Permalink