Wirtschaft | 1. Juni

Rentner gehen auf die Straße

Das Thema der sinkenden Kaufkraft für die 126.000 lokalen Rentner wird in der Öffentlichkeit wenig wahrgenommen. Am 1. Juni gehen die SeniorInnen auf die Straße.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: Fabio Petrini

Die Ursachen für den Kaufkraftverlust sind hinreichend bekannt. Die Inflationsrate in Südtirol liegt generell über der nationalen Rate. Während die Sozialpartner für die Bediensteten auf lokaler Ebene bessere Bedingungen aushandeln können, erfolgt die Anpassung der Rente jährlich durch die Regierung aufgrund gesetzlicher Vorgaben. Diese Anpassung unterliegt dem Gutdünken der Politik und wird, meist zum Schaden der Rentner, andauernd abgeändert. Die Regierung Monti hat vorexerziert, wie man die Rentenaufbesserungen ab ca. 1,500 Euro brutto, (drei Mal das Minimum), einfach einfrieren kann, auch wenn das Verfassungsgericht diese Norm nachträglich abgeschafft hat. Tatsache ist, dass die Rentner trotz dieses Urteils nur zu einem geringen Teil rückwirkend entschädigt wurden.

Die Berechnungsbasis selbst hat sich durch die nicht erfolgte Anpassung seitens der Regierung Monti verringert und muss daher neu berechnet werden. Bei genauer Betrachtung sieht man, dass auch aufgrund dieser Vorgaben die Kaufkraft der Renten bis 1.500 bestenfalls gleichbleibt, darüber hinaus aber systematisch abnimmt, da die Inflationsrate nicht zur Gänze ausgeglichen wird.  Auch die jetzige Regierung hat die bestehenden Regeln Ende Dezember für das Jahr 2019 geändert. Am 1. April wurden daher viele Renten nachträglich gekürzt und ab 1. Juni müssen viele Senioren die für die ersten drei Monate zu viel ausgezahlten Gelder rückerstatten.

Die SeniorInnen fordern auch, dass die sogenannte 14e Rente an eine größere Anzahl von Personen ausbezahlt werden soll. Man muss beim Thema Kaufkraftverlust auch das Konsumverhalten der älteren Menschen berücksichtigen. Der Durchschnittsbürger hat ein breiteres Konsumspektrum als die Senioren, die einen beträchtlichen Teil der Rente für Lebensmittel und die Wohnung ausgeben, während andere Einkäufe seltener getätigt werden. Es gibt inoffizielle Berechnungen für diesen altersspezifischen Warenkorb, der meist eine zum Teil erhebliche Steigerung im Vergleich zur normalen Inflationsrate aufweist. Man sollte zumindest versuchen, diese Tatsache zu berücksichtigen.

Der Lebensstandard hängt aber nicht allein von der Höhe der Rente ab. Pflegebedürftigkeit und das Recht auf Gesundheit sind mindesten ebenso wichtige Themen. Bei der Pflege hat Südtirol zweifelsfrei Positives geleistet. Das Pflegegeld, um das man uns in anderen Regionen beneidet, ist sicher eine der wichtigsten sozialen Errungenschaften. Auch sind in Südtirol Gelder für die Sanität vorhanden. Es gibt Allerdings auch bei uns bei den fachärztlichen Visiten und der Ersten Hilfe große Schwierigkeiten. Dies wirkt sich sehr negativ auf die BürgerInnen aus, besondere auf jene, die altersbedingt mehr Betreuung brauchen. Ebenso gibt es auch bei uns Personen, die aus wirtschaftlichen Gründen auf ärztliche Behandlungen verzichten. Zwar dürfte dies in vielen Bereichen noch nicht besonders schwer ins Gewicht fallen, eine zahnärztliche Behandlung, zum Beispiel, ist in Südtirol aber nicht für alle bezahlbar.

Ein weiterer Aspekt beim Erhalt der Kaufkraft ist die Steuerbelastung der Renten. Hier gibt es aufgrund der mangelhaften Trennung von Renten- und Sozialleistungen, - letztere müssten aus dem Steuertopf finanziert werden - je nach Interessenslage sehr widersprüchliche Zahlen. Tatsache ist, dass die Leistungen 2017 insgesamt bei 220 Milliarden lagen, nur 201 Milliarden davon waren effektive Rentenleistungen. Zieht man di 50 Milliarden an Steuern ab die von den Pensionisten bezahlt werden, so relativieren sich die effektiven Kosten der Renten. Auch die Abfertigung wird im internationalen Vergleich als Rentenleistung betrachtet, was aber gänzlich ungerechtfertigt ist. Ein konsequenter Kampf gegen die Steuer- und Beitragshinterziehung würde zusätzliche jene Ressourcen freimachen, um die Arbeitnehmer und auch die Rentner steuerlich zu entlasten.

Auf lokaler Ebene kann das Land die Lebensbedingungen der älteren Mitbürger meist nur mit gezielten Sozialleistungen verbessern. Zusätzliche lokale Steuererleichterungen sind zwar willkommen, würden den meisten Rentnern aber wahrscheinlich nicht viel bringen. Ein gezielter Bürokratieabbau wäre hingegen besonders für die Senioren wünschenswert, denn man verliert leicht den Überblick und manchmal auch Leistungen, die eigentlich zustehen. Ein letztes Kapitel im Forderungskatalog der Rentnergewerkschaften hat zwar nur einen begrenzten wirtschaftlichen Hintergrund, ist aber sehr wichtig. Die Vereinsamung mit fortschreitendem Alter ist ein großes Problem in unserer Gesellschaft. Lernangebote und angemessene Tätigkeiten sind diesbezüglich wichtige Aspekte, um auch im Alter aktiv zu bleiben und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Ältere Mitbürger dürfen nicht als Last gesehen werden, sondern als Bereicherung für die Gesellschaft. Das Einkommen ist natürlich ein vorrangiges Anliegen, aber die Einbindung in die Gesellschaft trägt viel zum Wohlbefinden des Einzelnen und seines Umfelds bei. Daher sind auch die Rentner gefordert. für ihre Zukunft zu kämpfen und am 1. Juni am Protest teilzunehmen.

Alfred Ebner