Bürokratie
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Politik | Folgen der Pandemie

Bürokratische Orgie

Nach Covid kommt auf die Italiener eine Flut unverständlicher Gesetzesdekrete mit bis zu 800 Seiten zu.
Auf die Pandemie folgt das, was Italiens Politik am besten beherrscht: bürokratische Exzesse. Die Regierung hatte ein Dekret pro Monat versprochen. Damit sollte die Verteilung von Dutzenden Milliarden an Fördermitteln geregelt werden. Nach dem decreto marzo aber ist das versprochene  decreto aprile noch in Arbeit. Das decreto maggio wiederum hat Namen gewechselt und heisst jetzt decreto rilancio. Allein dieser Entwurf umfasst bescheidene 766 Seiten und enthält Hunderte von Unterstützungsmassnahmen – vom Babysitter-Bonus bis zum 500-Euro Beitrag für ein neues Fahrrad. Es ist ein klassisches Kraut- und Rüben-Dekret, das vom Entlassungssschutz bis zum Bonus vacanze und bis zur Ermäßigung des Strompreises reicht. Altlasten wie 3,5 Milliarden für die marode Fluggesellschaft Alitalia finden sich darin ebenso wie unerfüllbare Wunschlisten – etwa die sofortige Einstellung von 10.000 Krankenpflegern.
 
Im Verhalten der Parteien ist keine Veränderung festzustellen. Sie geraten sich im Parlament täglich in die Haare, raufen sich um Details und boykottieren sich gegenseitig – etwa in der Frage der Erntehelfer.
Die Landwirtschaftsministerin Teresa Bellanova von Renzis Kleinpartei Italia viva drohte dabei gar mit Rücktritt. Streitpunkt ist die Dauer der Arbeits- bzw. Aufenthaltsgenehmigung.
Während Länder wie Deutschland und Grossbritannien mit Rumänien entsprechende Abkommen für die Einreise von Erntehelfern abgeschlossen haben, scheint man dazu in Italien ausserstande. Bellanova fordert für die Erntehelfer eine provisorische Aufenthaltsgenehmigung. Die wird vom Interims-Vorsitzenden der Fünf-Sterne-Bewegung, Vito Crimi, kategorisch abgelehnt: "Non accetto la  sanatoria degli immigrati irregolari con i permessi di soggiorno  temporanei, perché così il lavoro nero aumenta." 
Sogar über die Zahl der Betroffenen gehen die Vorstellungen weit auseinander: sie schwanken zwischen 200.000 und 600.000 Personen. Für den langjährigen INPS-Präsidenen Tito Boeri liegt sie viel niedriger – etwa bei 70.000. Lega-Chef Salvini nutzt die Gelegenheit, zu seinem Lieblingsthema in den Ring zu steigen: "Una sanatoria indiscriminata per 600.000  migranti non sta né in cielo né in terra."
 
Das decreto rilancio ist ein klassisches Kraut- und Rüben-Dekret, das vom Entlassungssschutz bis zum Bonus vacanze und bis zur Ermäßigung des Strompreises reicht.
 
Bellanova und Innenministerin Lamorgese wollen die Legalisierung auch auf colf und badanti ausdehnen, jene vorwiegend aus Osteuropa stammenden Babysitter und Altenbetreuer/innen.
Durch die Fünf-Sterne-Bewegung geht ein Riss. Während der linke Flügel um Kammerpräsident Roberto Fico für die Legalisierung eintritt, ist Arbeitsministerin Catalfo strikt dagegen. Auch die Dauer dieser Arbeitsgenehmigungen gehört zu den strittigen Punkten. Catalfo lehnt eine Dauer von sechs Monaten kategorisch ab.
Alle bisherigen Versuche, die Erntearbeiter aus Osteuropa zu legalisieren, sind fehlgeschlagen. Die Regelung von 2012, in die auch die landwirtschaftlichen Betriebe eingebunden waren, ist kläglich gescheitert. Die Anzahl
der Gesuche war verschwindend klein, die Zahl der irregulären Erntehelfer nahm sogar zu. Innenministerin Lamorgese soll nun in Contes Auftrag eine Kompromisslösung aushandeln.  
Indessen haben auf den Internetseiten der Bauernverbände rund 20.000 Italiener ihr Interesse für die Erntearbeit bekundet. Es handelt sich vorwiegend um Personen, die durch die Pandemie ihre Arbeit verloren
haben, beispielsweise im Gastgewerbe.
 
Die Legalisierung der Erntehelfer ist ein Thema, das erneut deutlich demonstriert, wie  kontrastreich es im Innenleben der Fünf-Sterne-Bewegung zugeht. Luigi Di Maio trauert offenbar dem früheren Bündnispartner Salvini nach, während die Bewegung vor sich hinbröckelt. Am Mittwoch hat mit Rosalba De Giorgi eine weitere enttäuschte Abgeordnete den 5 Stelle den Rücken gekehrt, um in die gemischte Fraktion zu wechseln. Damit hat die Bewegung seit der Wahl im Frühjahr 2018 insgesamt 31 Parlamentarier verloren – eine für ihre Zukunft  durchaus bedrohliche Entwicklung. Premier Conte machte seiner Verärgerung im Kreis der Vertrauten Luft: "È incredibile che in un momento così grave non si pensi solo al bene degli italiani, ma alle polemiche ed ai giochi di potere."
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Gregor Marini Di., 12.05.2020 - 10:15

Abgesehen von der Korruption und den kriminellen Machenschaften von Lobbys, ist die Italienische Politik seit jeher von Stümperei und Kleingeistigkeit durchsetzt, daran wird auch diese Pandemie nichts ändern.
Beunruhigend dabei bleibt lediglich wie sehr diese Art der Verwaltungskultur auch auf Südtirol abgefärbt hat.

Di., 12.05.2020 - 10:15 Permalink
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G. P. Di., 12.05.2020 - 13:16

Mich wundert das jetzt überhaupt nicht. War eigentlich ganz logisch, wenn man die letzten zehn oder auch 15 Jahre verfolgt hat. Hauptsache bürokratische Monster erschaffen und den Leuten Hindernisse in den Weg legen … dann passt's.

Di., 12.05.2020 - 13:16 Permalink
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Michael Bockhorni Do., 14.05.2020 - 15:14

Mit den 3,5 Milliarden für die Alitalia könnte Italien das Gesundheitssystem (samt fehlenden Krankenhauspersonal) so fit machen, daß viele Betriebe, Organisationen und Schulen wieder (mehr) geöffnet werden könnten ohne eine Überlastung wie bei der ersten Welle zu erleiden und dem Staat wieder Steuereinnahmen zur Verfügung stehen.

Do., 14.05.2020 - 15:14 Permalink