Politik | Verdines gestrichen

Italienische Ortsschilder auf den Sperrmüll

Die Gemeinde Schenna hat gewagt, was bislang undenkbar schien. Die Abschaffung eines italienischen Fraktionsnamens. Alles rechtens, laut Südtiroler Freiheit: „Es gibt keine rechtliche Grundlage für den Namen Verdines.“
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Foto: © Oswald Stimpfl

Miriam Atz Tammerle, Sprecherin der Südtiroler Freiheit (STF) im Bezirk Burggrafenamt, ist auch Gemeinderätin in Schenna. Kundig in Sachen Ortsnamen, machte sie Bürgermeister Alois Kröll schon im Winter dieses Jahres auf Ungereimtheiten in Sachen Verdins aufmerksam. „Ich bin als Gemeinderätin zum Bürgermeister gegangen und hab ihm erklärt, dass der italienische Name Verdines, der für die Fraktion Verdins verwendet wird, in keinem 'Prontuario' aufscheint, also keine rechtliche Grundlage hat.“

Sang und klanglos, ohne Ratsbeschluss, entschied die Gemeinde Schenna Recht walten zu lassen und gab dem Antrag der Sprecherin der Südtiroler Freiheit statt: Der nicht veramtlichte Name Verdines wurde gestrichen, die zweinamigen Schilder hat die SVP-starke Gemeinde Schenna Mitte Juli 2013 abmontieren lassen. „Wir recherchieren ja schon seit vielen Jahren in dieser Angelegenheit, nun haben wir uns das rechtliche Gutachten vom Land geben lassen und auch vom Regierungskommissariat. Sie haben bestätigt, dass Verdins nur Verdins heißt", erklärt die Landtagskandidatin der STF. Schilder abmontieren heißt in Südtirol mehr, es wird zum symbolischen Zeichen der Nicht-Anerkennung einer Sprachgruppe. Es wird zumindest so interpretiert. Eine Partei handelt, die anderen schauen zu.

Kein Dekret – kein Recht?
Das Quellenmaterial, auf das sich die Südtiroler Freiheit stützt, ist zum einen der 'Prontuario', das Nachschlagewerk der italianisierten Ortsnamen Südtirols, aber auch das jährlich erscheinende Südtirol-Handbuch, in welchem alle Gemeinden alphabetisch geordnet werden. Von einem Verdines ist in beiden Dokumenten keine Spur. „Auch alle Militärkarten haben stets von Verdins gesprochen, wir denken, dass ein überfleißiger Podestà damals kurzerhand aus Verdins Verdines gemacht hat. Dabei wäre der italienische Name eigentlich dem Verdings in Klausen zugedacht gewesen.“ Das Klausner Verdings nennt sich im Italienischen jedoch mittlerweile Verdignes, auch hier vermutet Atz Tammerle Ungereimtheiten. „Eigentlich müsste das Klausner Verdignes auch abgeschafft werden. Wobei es gar nichts abzuändern oder abzuschaffen gibt, denn offiziell gibt es diese Namen gar nicht.“ Wird aber nicht genau hier ein Punkt überschritten, der in der Vergangenheit und bis heute Ettore Tolomei vorgeworfen wird: Über eine Sprachgruppe darüber fahren, die historisch im Land verwurzelt ist, hier lebt und spricht. Welche Offizialität für wen?

Fallen weitere Schilder?
In Verdins selbst hätten die Leute bald ein Einsehen gehabt, als ihnen die Sachlage von den Vertretern der STF erklärt wurde: „Wir haben die Bewohner über die Tatbestände aufgeklärt und jetzt stehen sie voll hinter dem historisch gewachsenen Namen“, sagt die gebürtige Kaltererin. Ja, einige negative Reaktionen habe es schon gegeben. „Das sind zum Beispiel Firmen oder Unternehmen, die das Verdines schon auf ihre Unterlagen gedruckt haben.“ Gesetzlich in Ordnung, das muss sein, sagt Atz-Tammerle, „es kann ja nicht einfach ein erfundener Name stehen bleiben, wenn das jetzt schwarz auf weiß bewiesen ist.“ Und: zu tun gibt es für die ortskundigen Sven Knolls & Co. noch einiges. Auf der Pressekonferenz am 8. August wurde prophezeit „wir können hunderte faschistische Namen ganz legal in Südtirol abschaffen.“ Atz Tammerle, Thurnerhofwirtin zu Schenna, nannte im Gespräch mit Salto.bz ganze zwei Fraktionen im Passeirtal: Quellenhof-Sorgente und Kalmtal-Valclava. In der Pressemitteilung wird noch Pozzo für Pfuss in der Gemeinde Kaltern genannt und Laste für Asten in der Gemeinde Sarntal. „Wenn wir weiterhin posttolomeische Erfindungen verwenden, machen wir uns selbst zu Straftätern, wenn solche Schilder stehen bleiben“, ist sie überzeugt. „Wir in Schenna möchten ein Vorbild für andere Gemeinden sein. Die Gemeinde steht dahinter, die Bürger stehen dahinter. Wenn etwas nicht seine Richtigkeit hat, soll dafür auch kein Platz sein.“ Die paar Italiener in Verdins hätten gar nicht reagiert, sagt die Bezirkssprecherin. "Wir wollen Nazionalismen auflösen", meint sie und schafft gerade neue.

Hätten sie reagiert, die Itaiener in Verdins, hätte das die Gemeinderäte von Schenna interessiert? Probleme herbeireden, sagen die einen, Probleme in Abrede stellen, sagen die anderen oder ganz einfach: Wahlkampf führen? Am 5. August hatte der Renziano Carlo Bassetti zu Salto.bz nach dem Zusammentreffen der römischen SVP-Delegation, angeführt von LH Durnwalder, gesagt: „Credo in tutta onestà che la generazione degli under 40 della toponomastica comincino veramente a fregarsene perchè i problemi sono altri.“ Und Bassetti blickt hoffnungsvoll in Richtung Kompatscher und auf eine neue Art, Konflikte gemeinsam zu lösen, vor allem den leidigen Konflikt der Toponomastik.

 

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pérvasion Mo., 12.08.2013 - 15:03

"Wird aber nicht genau hier ein Punkt überschritten, der in der Vergangenheit und bis heute Ettore Tolomei vorgeworfen wird: Über eine Sprachgruppe drüber fahren, die historisch im Land verwurzelt ist, hier lebt und spricht."

Hier wird seit Jahrzehnten demokratisch diskutiert, es wird unter anderem auf internationale Richtlinien und weltweite Gepflogenheiten Bezug genommen, es wird der Konsens zwischen den Sprachgruppen gesucht (die, wie im Bericht beschrieben, in diesem Fall nichts gegen die Abschaffung einer Erfindung einzuwenden hatten) und mit Sicherheit weder etwas auf autoritäre Weise und mit Gewalt aufoktroyiert, noch etwas verboten, wie es im Faschismus geschehen ist. Die Andeutung, hier würde man gleich oder ähnlich verfahren, wie Tolomei, ist einfach ungeheuerlich.

Mo., 12.08.2013 - 15:03 Permalink
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Martin Geier Mo., 12.08.2013 - 18:59

An sich ist es ja nix Schlechtes wenn Gemeinden bei italienischen Ortsnamen außerhalb(!) eben dieser Militärkarte tätig werden; denke aber nicht daß es dienlich ist wenn man das dann wie die STF es nun in Wahlkampfzeiten tut, an die große Glocke hängt: Damit weckt man wieder schlafende Geister die dann wieder für das übliche Südtiroler ethnische Pingpongspiel sorgen; denke es dient mal wieder dem Wahlkampf der STF und der Mobilisierung der eigenen Anhänger. Hoffe daß das mit dem Gesetz schnell weiter geht und man dann in Anwendung des Gesetzes die Ortsnamenfrage endlich 'deckelt' und das Thema abschließt. Ich denke mal daß aber gerade die deutsche Opposition eher am Erhalt des Problems interessiert sind als an einer einvernehmlichen Lösung. Und laut Artikel nicht mal ein Gemeinderatsbeschuss; irgendwie erinnert mich das an die Hauruckaktionen für die auch der AVS berühmt ist; und damit zurecht gehörig auf die Schnauze gefallen ist. Und wie gesagt; die Ortsnamenfrage gehört vor dem Dritten Statut aus der Welt geschafft; für die Freunde von 'Visionen ohne Italien' ist es aber der Lackmustest schlechthin ob sie fähig sind auf die Italiener zuzugehen oder nicht: Bis jetzt muß hier ein 'Nicht bestanden' vermerkt werden. Einen politischen Preis will von Denen Keiner zahlen; letztendlich geht es nur ums Durchsetzen des eigenen zutiefst ethnischen Weltbildes.

Mo., 12.08.2013 - 18:59 Permalink