Politik | Ukraine-Medien

Kampf um Sanktionen

Der österreichische Kanzler Nehammer agierte bisher vorbildlich. Doch die Kritiker der Sanktionen greifen an. Mit Desinformation auch in etablierten Medien.
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Bundeskanzler Karl Nehammer mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj
Foto: bundeskanzleramt / tatic

Der österreichische Kanzler Nehammer zeigte eine eindeutige Haltung. Er trat für weitreichende Sanktionen ein.  Doch erfolgte in Medien bewusst eine falsche Darstellung.  Als Geselle der Irreführung erwies sich, insbesondere, Franz Schandl, der Österreich-Korrespondent der deutschen Wochenzeitung der FREITAG.

Für sein Meisterstück wählte Schandl den Titel: "Österreichs Kanzler bemüht sich um Mäßigung gegenüber Moskau" (der FREITAG, 14. 7. 2022). Dennoch schaffte es Schandl mit diesem Beitrag sogar bis in die österreichische Tageszeitung Die Presse. Mit nur leichten Anpassungen erschien dort die Desinformation als "Lavieren statt eskalieren".

Tatsächlich suchte Nehammer deutlich die Konfrontation mit dem russischen Präsidenten Putin. Hier sollen die Fakten gezeigt werden. Ein Beitrag von Johannes Schütz.

Erfreuter Klitschko

 

Ein Foto zeigt, wie Vitali Klitschko, der Bürgermeister von Kiew, den österreichischen Bundeskanzler Karl Nehammer mit sichtlicher Freude umarmt. Nehammer reiste im April in die Ukraine und kam dabei auch nach Butscha, um dort persönlich einen Eindruck von den Kriegsverbrechen zu erhalten, die die russischen Invasoren begingen.

Es ist nicht verwunderlich, dass Klitschko glücklich sich zeigte, über das Treffen mit Karl Nehammer, gibt es doch kaum einen Politiker in Europa, der so entschieden den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verurteilte,  wie der österreichische Bundeskanzler. Nehammer sprach sich dabei auch immer deutlich für strenge Sanktionen aus.

Ein paar Tage nach seiner Reise in die Ukraine, nachdem er dort  die Lage ausführlich erörterte, fuhr Nehammer auch nach Moskau, um ein Gespräch mit Putin zu führen. Nehammer bewies dabei, am diplomatischen Parkett, ein makelloses Vorgehen. Während zahlreiche Bilder von Nehammer mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj veröffentlicht wurden, ihre Hände vereinend, gibt es kein einziges Pressefoto, das den österreichischen Kanzler mit dem russischen Präsidenten Putin zeigt.

Darauf legte Nehammer offensichtlich Wert. Die Bilder, die das österreichische Bundeskanzleramt den Journalisten von der Fahrt nach Russland zur Verfügung stellte, zeigen Nehammer, wie er mit seinem Auto nach Moskau fährt, nach dem Treffen wieder in seinen Wagen steigt, dann bei der Pressekonferenz, alleine sitzend vor zahlreichen Mikrofonen.

Zu seinem Treffen mit Putin erklärte Nehammer, dass er "generell keine positiven Eindrücke gewonnen hätte, es brauche aber die persönliche Konfrontation".  Nehammer wählte diesbezüglich mehrfach Formulierungen, die an Deutlichkeit nicht zu überbieten sind, in der Sprache der internationalen Diplomatie.

Russische Propaganda

Franz Schandl ignorierte diese Fakten, in seinem Beitrag, der leicht angepasst in mehreren Medien erschien, als Gastkommentar auch in der österreichischen Tageszeitung Presse: "Lavieren statt eskalieren" (Die Presse, 13. 7. 2022).  

Die deutsche Wochenzeitung der FREITAG zählt zu den Medien in der Europäischen Union, die die russische Position vertreten. Schandl ist der Österreich-Korrespondent des FREITAG. In der FREITAG wurde die gezielte Irreführung im Titel noch verstärkt: "Österreichs Kanzler bemüht sich um Mäßigung gegenüber Moskau" (der FREITAG, 14. 7. 2022).

Dabei unterstellte Schandl, dass Österreich mit Kanzler Nehammer keine klare Position bezieht, was den Krieg betrifft, den Russland in der Ukraine begann:
"Österreich macht mit beim Wertgeschwätz der Wertegemeinschaft (...) Bundeskanzler Karl Nehammer bemüht sich jedenfalls redlich wie unredlich, all diese Widersprüche zu verschleiern", so behauptete Schandl in seinem Kommentar.

Schandl bringt seine Polemik durchaus geschickt, mit einer Pseudokritik, voll der Klischees über Österreich. Diesen Stoß führt er augenzwinkernd, zeigt Schandl doch letztlich sein freundschaftliches Einverständnis mit den Überläufern, die das Tor zur Sowjetunion nicht schließen wollen.  Dafür wird nicht nur Österreich als schwindsüchtig vorgeführt, sondern gleich noch die gesamte Europäische Union, allerdings mit Fakten, die einer Überprüfung nicht standhalten.

Die Agitation von Schandl erstaunt nicht, war er doch für viele Jahre Redakteur der marxistischen Monatszeitschrift "Weg und Ziel", in der Strategien für eine kommunistische Weltordnung erörtert wurden, durchaus orientiert an den Leitlinien, die die Sowjetunion vorgab. Jetzt schaffte Schandl es bis in die Presse, mit seiner Ideologie.

Klare Position

Nun, welche Haltung zeigte bisher der österreichische Kanzler Nehammer "gegenüber Moskau". Dafür sollten doch seine Reden, Stellungnahmen und Presseaussendungen überprüft werden. Es sollen hier drei Beispiele gezeigt werden. Beginnen wir mit der Erklärung des Bundeskanzlers "Zur aktuellen Krise zwischen Russland und der Ukraine", die er im Nationalrat am 24. Februar vortrug. Nehammer betonte sofort die Bedeutung der Sanktionen:

"bei all dem, was ich sage, kommt immer das Wort Sanktionen zum Vorschein. Was bedeutet das? Sanktionen sind ein wichtiges Instrumentarium, aber damit sie wirksam sind, sind sie weitgehend".

In der Presseaussendung vom 16. März will Nehammer, dass Härte gezeigt wird:
"Europa wird weiterhin klar Position beziehen gegen den russischen Angriffskrieg und mit harten wirtschaftlichen Sanktionen den Druck weiter erhöhen".

Dabei war Nehammer stets wichtig, dass Einheitlichkeit bei den Sanktionen erreicht wird, so auch in der Presseaussendung vom 8. April:
"Wir werden uns in unserer Haltung zu diesem Krieg nicht auseinanderdividieren lassen, weder auf nationaler, noch auf europäischer Ebene".

Somit von "lavieren" keine Spur erkennbar, wie es Schandl vermitteln wollte. Vielmehr Deutlichkeit und Schärfe.  Nehammer brachte aber auch seinen Abscheu zum Ausdruck, wenn es um die Kriegsverbrechen ging, die die russischen Soldaten begingen. Schandl verdrehte die Positionen von Nehammer in ihr Gegenteil.

EU wird destabilisiert

"Wertgeschwätz der Wertegemeinschaft" will es Schandl nennen, damit die starke Werthaltung der Europäischen Union unterminieren. Letztlich sucht Schandl, die EU zu destabilisieren, wenn er zusammenhanglos befindet:  "Die EU hat sich – anders als die USA oder Russland – in eine aussichtslose Lage manövriert".

In Deutschland wurde für diesen Informationskrieg auch Oskar Lafontaine zum Einsatz gebracht. Franz Schandl ist ein Beispiel aus Österreich. Die Wochenzeitung der FREITAG ist dabei fraglos ein geeignetes Medium für Schandl. In der FREITAG wurden beispielsweise auch schon Beiträge gebracht, die die Enteignung von Hausbesitzern fordern. Doch wird man nachdenklich, wenn auch die Presse einen solchen Text unreflektiert veröffentlicht. Einen Beitrag, der die Fakten korrekt darstellt, wollte die Presse bisher nicht bringen, obwohl diesbezüglich sofort angefragt wurde.

Fünfte Kolonne im Einsatz

Russland bringt eine Truppe, als fünfte Kolonne, zum Einsatz, die Agitprop in die deutschsprachigen Medien trägt und einen Informationskrieg führt. Dafür werden von Moskau geschulte Kräfte eingesetzt. Mit dem Ziel, dass die Europäische Union den Vormarsch der Russen widerspruchslos hinnehmen soll. Die Europäische Union ist sich dieser Gefahr bewusst. Josep Borrell , der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, erklärte am 2. März:  "Die Russische Föderation hat eine systematische internationale Kampagne der Desinformation, Informationsmanipulation und Verfälschung von Fakten unternommen".

Die Gefährdung sollte in Wien nicht unterschätzt werden. Betonte doch Sergej Karaganow, der mächtige Berater des russischen Präsidenten, in einem Kommentar für Russia Today, auch die freundschaftlichen Beziehungen zu Ungarn und Österreich. Mit der Feststellung: "We will find out (...) who will be on the side of Greater Eurasia", somit auf der Seite Russlands und der Volksrepublik China, die in den Europäischen Raum vormarschieren wollen (Karaganow, 5. 8. 2021).  

Kanzler Nehammer präsentierte sich als Garant, dass Österreich kein Vasallenstaat Moskaus wird. Doch wird Österreich, wie auch die Europäische Union, weiterhin entschiedene Maßnahmen setzen müssen. Auch im Informationskrieg, der bereits deutlich geführt wird.

Links:

Feindpropaganda
Salto, 17. 7. 2022
Eine Desinformationskampagne soll westliche Medien überrollen. Unterstützer der Ukraine werden angegriffen. Die Europäische Union soll damit destabilisiert werden.
www.salto.bz/de/article/17072022/feindpropaganda

Lafontaine manipulierte die Fakten
Salto, 18. 5. 2022
Oskar Lafontaine veröffentlichte einen Beitrag in der Weltwoche. Im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine. Doch sollten die Fakten mehr Beachtung finden.
www.salto.bz/de/article/18052022/lafontaine-manipulierte-die-fakten

In der Schweiz führen zwei mächtige Verleger einen Kampf um die Ukraine
Tabula Rasa Magazin, 29. Mai 2022
Roger Köppel startete einen Angriffskrieg für Russland in der Weltwoche. Verteidigt wird die Ukraine von Peter Wanner, dem Verleger von CH Media.
www.tabularasamagazin.de/in-der-schweiz-fuehren-zwei-maechtige-verleger-einen-kampf-um-die-ukraine

© Autor: Johannes Schütz, 2022

Cover-Foto:
Bundeskanzler Karl Nehammer mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj
Bundskanzleramt / Tatic