Ist das Volk reif für die direkte Demokratie?

In der berühmten Verfassungsdebatte von Herodot vor ca 2500 Jahren wurde diese Frage bereits eingehend diskutiert
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: enzian

Es lohnt sich den Originaltext der Historien zu lesen lesen oder auf die verschiedenen im Internet verfügbarenVersionen zurückzugreifen. http://de.wikipedia.org/wiki/Verfassungsdebatte_bei_Herodot

http://www.leidhold.uni-koeln.de/uploads/media/Kamp_Die__erste_Verfassungs-Debatte__Herodot_2003.pdf

Anbei eine kuze Zusammenfassung:

Nachdem eine Gruppe persischer Adeliger in einem Staatsstreich einen blutrünstigen Tyrannen beseitigt hatte (522 v.C), setzten sie sich zusammen um über die Zukunft des Perserreichs zu debattieren.
Der erste Redner plädierte für die Einführung der Isometrie (gleicher Zugang zu den Rechten für alle - den Begriff Demokratie gab es damals noch nicht) Er legte die negativen Auswirkungen der Alleinherrschaft dar. ...“Wie kann denn auch die Monarchie (monarchíe) eine wohlüberlegte Sache sein, wenn es ihr erlaubt ist, ohne Verantwortung zu tun, was sie will? Auch wenn man den besten Mann (áristos anér) in diese Position erhebt, wird er seiner früheren Gesinnung untreu werden. Denn durch die Fülle an Gütern entsteht in ihm Überheblichkeit, und Neid ist dem Menschen bereits von Anfang an angeboren“

Er hob die Vorteile der Volksherrschaft gegenüber der Alleinherrschaft mit interessanten und durchaus aktuellen Argumenten hervor: Wenn aber die Menge (tò pléthos) herrscht, dann hat dies erstens den schönsten aller Namen, Isonomie, zweitens aber tut sie nichts von all dem, was der Monarch begeht. Sie besetzt die Ämter durch Losverfahren, die Amtsinhaber sind Rechenschaftspflichtig und alle Beschlüsse werden vor die Gemeinschaft (es tò koinón) gebracht. Daher also meine ich, wir sollten die Monarchie abschaffen und die Menge (pléthos) emporheben. Denn in dem Vielen ist das Ganze enthalten“


Der zweite Redner teilte zwar die Argumente gegen die Alleinherrschaft, glaubte aber, dass das Volk noch  nicht reif wäre, für die Ausübung der Herrschaft (auch diese Argumente klingen bekannt) Einige wenige (wobei man vor allem an die versammelte Gruppe dachte) sollten die Macht ausüben (Oligarchie)


Der Dritte (Dareius der dann tatsächlich die Macht übernommen hatte) plädierte für die Alleinherrschaft, die der Tradition des Perserreiches entsprach. Seine Argumente (die ebenfalls nichts an Aktualität verloren haben) überzeugten die Gruppe: Es gibt keine bessere Ordnung als die Regierung durch den einen Besten. Mit seiner Gesinnung wird er nämlich untadelig für die Menge (pléthos) sorgen. Außerdem werden so Beschlüsse gegen übelgesinnte Leute am besten geheimgehalten“

Schlußendlich sprach sich die Gruppe mehrheitlich für diese Staatsform aus.

So weit so gut! Das Schönste kommt noch. Wie sollte dieser Alleinherrscher (natürlich innerhalb der Gruppe) ermittelt werden? Man musste am nächsten Morgen dem versammelten Volk die Entscheidung kund tun.
Nachdem alle ihre eigene Pfründe abgesichert hatten, fassten sie folgenden Beschluss:
"Derjenige, dessen Pferd bei Sonnenaufgang als erstes im Gelände vor der Stadt wieherte sollte die Königsherrschaft übernehmen“.

Dareius aber hatte einen klugen Stallmeister der folgende List ersann: "nach Einbruch der Nacht führte er eine Stute, nach der das Pferd des Dareius am meisten Verlangen hatte, in die Vorstadt und Band sie dort fest" Als die Gruppe am morgen durch die Vorstadt ritt und zu dem Platz gelangte, wo die Stute war, wieherte das Pferd des Dareius. So wurde er Alleinherrscher des großen persischen Reiches.  Er lies sich als Gott verehren und machte es -  wenn man der Geschichte Galuben schenken kann – recht gut.
Was hat sich seit damals verändert? Wie man aus der aktuellen Debatte entnehmen kann, nicht viel  viel. "Große Entscheidungen" werden nach wie vor wenigen einzelnen überlassen: allerdings überlassen wir die Wahl wenigsten nicht mehr einem Pferd.

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Benno Kusstatscher So., 16.06.2013 - 11:52

Schöne Geschichte, auch wenn sie irgendwie suggeriert, dass hier die Demokratie als solches in Frage gestellt werden würde oder dass repräsentative Demokratie als "Oligarchie" abgetan werden könnte.

So., 16.06.2013 - 11:52 Permalink
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Sylvia Rier So., 16.06.2013 - 12:33

lese ich mich absatzweise durch die Links und den Beitrag - jetzt bin ich wenigstens bis zum Ende des Beitrags durchgekommen. Schön, sehr schön! Was mich allerdings verwirrt, ist a) die Sache mit dem Pferd (da führen diese doch eher weisen Männer erst hehre Debatten über die bestmögliche Staats- bzw. Regierungsform, um dann einem Pferd bzw. dem Zufall die Entscheidung darüber zu überlassen, wer der Beste unter den Besten sei. Ist doch lustig, oder?) und b) die Sache mit der List (wie also letzten Endes nicht unbedingt der Beste an die Macht kommt, sondern womöglich auch nur der Listigste oder gar der mit dem listigsten Stallknecht...). Aber jetzt lese ich mich erst Mal weiter durch die Links, vielleicht versteh' ich's dann besser!

So., 16.06.2013 - 12:33 Permalink
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Peter Grünfelder So., 16.06.2013 - 21:10

Eigentlich ist doch die Frage der besten Führung eines Volkes immer auch die Frage der besten Vertretung der öffentlichen Meinung. Sei es die repräsentative Demokratie wie auch die direkte Demokratie bieten Raum für Manipulation. Die beste Führungsform liegt dann wohl darin egoistische Handlungsweisen zu vermeiden und gleichzeitig schnelle und weise Entscheidungen zu fördern. Für mich ist eine Synbiose aus repräsentativer und direkter Demokratie die Beste. Insofern möchte ich einmal alle dazu einladen, sich bewusst zu werden, dass wir eigntlich auf dem besten Weg dahin sind. (Klar nix geht von alleine ;-)

So., 16.06.2013 - 21:10 Permalink
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Peter Grünfelder So., 16.06.2013 - 23:31

Antwort auf von Peter Grünfelder

Wenn hier jemand neu ist dann Martin Fischer. Willkommen! ;-) Ich wollte mit meinem Kommentar anregen, dass wir uns einmal Gedanken darüber machen, wie in unserer Gesellschaft mit der direkten Demokratie umgegangen wird. Von den Einen wird sie als Allheilmittel angepriesen, von den anderen als gefährlich und unreif abgetan. Was wir aber bei dem ganzen Hin und Her vergessen, ist, dass die direkte Demokratie und die repräsentative Demokratie bereits in Symbiose leben. Nun ja das Bild hängt ein wenig schief, aber eigentlich ist es genau so. Ich kann leider keine ausführliche (es muss ja eine politische sein) Auseinandersetzung bieten. Ich möchte aber dazu beitragen die Sicht auf die Sachen etwas zu ändern.

So., 16.06.2013 - 23:31 Permalink
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Martin Geier Mo., 17.06.2013 - 00:05

Schöne Geschichte; aber es hat; auch wie @gorgias im anderen Thread angemerkt hat; aus der Sicht einer interessanten Diskussion keinen Sinn wenn zum selben Thema x Artikel erscheinen. Anstatt dieses Beispiels aus der Antike wäre es besser der Autor würde sich einer Diskussion im ersten Thread stellen:
http://www.salto.bz/de/article/13062013/sind-wir-reif-fuer-die-direkte-…
Dafür und Skepsis gibt es ja dort zuhauf; mit allen Nuancen.

Mo., 17.06.2013 - 00:05 Permalink
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Rupert Gietl -r Mo., 17.06.2013 - 00:13

Guter Beitrag, der zeigt, dass die klassische Bildung und die Alte Geschicht bis heute nichts an ihrer Aktualität eingebüßt hat. Diesen Artikel in einem Kommentar zur bereits laufenden Diskussion unterzubringen, wäre sicher nicht möglich gewesen.

Mo., 17.06.2013 - 00:13 Permalink