Politik | Eiertreter*in

Geld oder Leben

Die sardische Anonima sequestri hat ihre Aktivität Ende der Neunziger eingestellt - bei uns feiert die Erpressung weiterhin fröhliche Urstände.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: Maxim Hopman/Unsplash

Haben Sie eine Ahnung wie viel Ihr Schlaf wert ist? Meiner genau 364,81 Euro. Diese Summe habe ich bei der Auflösung des Kontos an das Kuvert unter meinem Kopfkissen überwiesen. Meine paar Kröten sind unter der Matratze mindestens genauso sicher, wie im Großrechner meiner Ex-Bank. Dass Anfang August plötzlich weder Online-Banking noch POS-Bezahlungen möglich waren, war vermutlich einer Baggerschaufel geschuldet, die die Hauptleitung zum Datencenter in der Nähe von Rom gekappt hat. „Dieses ist trotz mehrfacher Sicherungssysteme derzeit physisch abgeschnitten und damit nicht erreichbar“, ließen sich die Raika-Banker zitieren. Böse, böse, Baggerschaufel. Brave, brave Baggerschaufel, wollte ich schreiben. So billig findet man sonst keine Schwachstelle im System. Ihr und mein Kontostand lagert normalerweise auf einem „Zero downtime“ Server, also 100 Prozent Ausfallsicherheit über's Jahr. Tja, da hast du redundante Systeme, Cloudlösungen und was zum Kuckuck noch alles - aber offensichtlich keine Ringleitung, mit der deine Server von mehreren Zugangspunkten erreichbar wären: Eine Kathedrale in der Wüste, ein Rechenzentrum in der Walsch. Solchen Dilettanten will ich nicht weiterhin mein Geld anvertrauen. Ganz wichtig war den Pfuschern zu betonen: „Es handelt sich um keinen Hackerangriff. Alle Daten, einschließlich Einlagen sind absolut sicher“. Einige der unverschuldet, überschuldeten Hoteliere hatten gewiss kurzzeitig Hoffnung, eine russische Ransomware hätte ihre Kredite vernichtet.

2.5 Millionen

Sie kennen Hard- und Software, aber nicht den Begriff „Ransomware“? Wikipedia schreibt dazu: „Erpressungstrojaner, Erpressungssoftware, Kryptotrojaner oder Verschlüsselungstrojaner, sind Schadprogramme mit deren Hilfe ein Eindringling den Zugriff des Computerinhabers auf Daten, deren Nutzung oder auf das ganze Computersystem verhindern kann“. Heute wie heute (gelobt seist du, Silvius, für diesen Italianismus) musst du also keine entführten Großindustriellen oder die Töchter von Fernsehjournalist Kronzucker in irgendwelchen Höhlen verstecken, sondern nur Daten und das nicht mal im Darknet, sondern praktischerweise gleich auf der Festplatte deines Erpressungsopfers. „Internationale Statistiken sagen, dass 75 Prozent der Lösegeldforderungen bezahlt werden“, wusste der Chef der landeseigenen Computerfritzen. Der Obolus für die Entschlüsselung der Daten wird übrigens immer in Kryptowährung bezahlt und meistens in Millionenhöhe. Hat offensichtlich auch jenes Südtiroler Autohaus gemacht, das so viele Automarken unter seinem Dach vereint, dass von einem Monopol gesprochen werden kann. 2,5 Millionen Euro werden kolportiert. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass kurz ein Lächeln über meine Mundwinkel huschte, als ich das hörte. Schadenfreude. Eines der Worte, wie „Kindergarten“ oder „Zeitgeist“, die das Deutsche ins Englische exportiert hat. Mein Daddy war immer begeistert, dass seine Muttersprache laut Oxford Dictionary mit 171.476 Worten fast 100.000 mehr im Gebrauch hat, als das Deutsche, aber kein so treffendes wie „Schadenfreude“. Ich schweife ab.

Meine „harm-joy“ hat einen Grund. Mein 500er musste zu dieser unleidlichen Revision, wo der Grotten an irgendeine Datenleitung zum Zentralcomputer im Verkehrsministerium gestöpselt wird, obwohl ich Ihnen versichern kann, dass es an meiner 50 Jahre alten Kiste rein gar nichts gibt, wo man einen Stecker reinstecken könnte. Hat nicht einmal ein Zündschloss, geschweige denn ein Autoradio. Leider habe ich im obigen Autohaus nebenbei fallen lassen, dass an der Ampel manchmal der Motor abstirbt. Am Abend bekam ich einen endlos langen Kostenvoranschlag mit Ersatzteilen: 1.000 Euro. Meine Knutschkugel war offensichtlich schwer krank und in diesem Zustand könnte man sie mir unmöglich mitgeben. Hat mich jetzt nicht sooo verwundert: FIAT – Fehler In Allen Teilen. Übermorgen könnte ich sie gesundet abholen. Dann bekam der Automensch einen Anruf und verwies mich an den Kollegen, der gerade zur Tür rein kam. Der wusste offensichtlich nichts von nahen Herztod meiner Rostlaube; nichts vom Erpressungsversuch seines Kollegen, denn die Frage, ob zumindest der Collaudo bestanden wurde, bejahte er. Also habe ich den Wagen zur Verwunderung des ersten Sachbearbeiters mitgenommen, um mir für meinen Patienten in Terminalphase eine Zweitmeinung vom Toni, meinem Haus- und Hofmechaniker einzuholen. Der Toni hat zwar keine Datenleitung, aber dafür einen Hammer, mit dem er bis jetzt erfolgreich an meinem Auto gedoktort hat. Die Reparatur kostete schließlich zwei Liter Motoröl 10W-40 und einen Anschiss, ich sollte besser mit meinem Kibl umgehen.

19.000

Zugegeben ein plumper Erpressungsversuch. Die IDM geht da offensichtlich viel perfider vor. Was zum Henker haben die als Druckmittel gegenüber der Politik? Warum gibt es die Marketingfuzzies nach wie vor? Mit der Bettenobergrenze, mit dem Buchungssystem zur „Casa di Pietro“ am Pragser Wildsee wurde amtlich dekretiert, dass wir genug, besser, zu viele Tourischtn im Hoametl haben. Bloß keine Werbung machen! Ah, verstehe! Die IDM wird jetzt für Anti-Werbung benötigt: Um möglichst viele Gäste zu vergraulen – also all jenen, die trotz Verkehrskollaps, Mondpreisen beim Espresso am Pudl und modernem Raubrittertum seitens der Liftbetreiber weiter physisch zu uns kommen wollen, anstatt einfach das Geld zu schicken. Anders sind die 19.000 Euro für den „Volksrocker“ Andreas Gabalier, der schlimmer krächzt als ein Wiener Sängerknabe mit Hodenkrebs, nicht zu interpretieren. Südtirol-Hymne hat jemand sein YouTube-Video genannt. Zehennägel-aufroll-Hymne ist treffender.

110 Millionen

Da lobe ich mir die Jammerlappen aus der Landwirtschaft. Deren Erpressungen sind dilettantisch und durchschaubar, aber nicht minder erfolgreich. Sie haben recht, ständig auf den Bauern rumhacken nervt. Darf ich Martin Luther zitieren? „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“. Oder schlimmer, mich mit dem kürzlich verstorbenen Hans Lunger vergleichen und seinem „überdurchschnittlich ausgeprägten Gerechtigkeitsgefühl“?
Ich verstehe einfach nicht, dass die Privilegienhamster, wie letztens bei der Bettenobergrenze weiter ungeschoren durchkommen? Warum die Autonome Provinz Bozen - mit Betonung auf „Autonom“ - es nicht schafft, sich von dieser „associazione a delinquere“ zu emanzipieren? Ihr Druckmittel: „Und nor loss mrs und nor woggst Sittirol holt zua“, greift doch seit dem 29. Oktober 2018 ins Leere. 5.918 Hektar Wald hat das Sturmtief Vaia in 1.6 Millionen Kubikmeter Schadholz verwandelt. Dazu kamen dann 900.000 Kubikmeter Schneedruckschäden vom 12. bis 17. November 2019. Im Dezember 2020 nochmal Bruchschäden durch Schnee und seit der ersten Hitzewelle ab Juni 2021 macht nun der Borkenkäfer dem Wald den Gar aus. Steht so im Agrar- & Forstbericht 2021. Wir haben also jedes Interesse, dass Südtirol so schnell wie möglich wieder zu wächst! Statt dessen zahlen wir weiter Lösegeld. Laut den Gewährungsakten des Landes haben die Ämter für Viehzucht, Ländliches Bauwesen, Obst- und Weinbau, Bergwirtschaft, usw. im Jahr 2021 sagenhafte 110 Millionen Euro überwiesen. Und in dieser Summe ist noch nicht einmal das Geld für Genossenschaften, Forstplanung, das Füllhorn der ESF-Gelder oder die Weiterbildung der Erbhoferben in der Laimburg enthalten. Das ist ein schönes Stichwort: Laimburg. Ich habe mich ja weggeschmissen, als ich im Wochenmagazin ff 30/2022 das Portrait des fleischgewordenen Sarnerwitzes gelesen habe. Der Locher Franz hat sich beim Landeshauptmann eine „Übersicht der öffentlichen Gelder an die Eurac“ geholt, weil er glaubt, dass in Südtirol zu viel Geld für Forschung und Entwicklung ausgegeben wird. Ich frage mich, ob der Franz auch nach den 9,6 Millionen an das Versuchszentrum Laimburg gefragt hat, die zum Teil aus dem Säckl des Amtes für Wissenschaft und Forschung bezahlt wurden?

Die Rechnung in der Geldbörse der anderen zu machen, scheint eine besondere Eigenschaft dieses Menschenschlages mit eingebautem Raunzer-Gen zu sein. Nimm die Causa Valazza. „Olla schuld, außer I“. Sollte ihn die Südtiroler-Verbands-Partei rausschmeißen (was ich nicht glaube), könnte er den in der walschen Politik so beliebten „cambio di casacca“ machen und sich der Fraktion „Perspektiven für Südtirol“ andienen. Was sage ich. Der Manfred nimmt den anderen Ladiner (den Hütten-verschiebenden) mit dazu und dann gründen die drei die „Partei der Bausünden“. Muss man natürlich sprachlich verbrämen – wie die Jäger mit ihrer „Entnahme“, wenn sie Wölfe erschießen wollen. „Partei Für Urbanistische Interessenskonflikte“, kurz PFUI, würde mir einfallen. Würde ich sofort wählen. Plane nämlich ohne Baukonzession mein Küchenfenster um 10 cm zu versetzen und dann, über einen guten Anwalt und fünf Omnibus-Gesetze, zu sanieren. So ein kraftstrotzendes Mannsbild wie der Valazza hat sicher Vitamin B zum wegwerfen und kann mich an einen kompetenten Rechtsverdreher vermitteln. Sie lachen? Rechtbeistand ist Teil des bäuerlichen Eigentums: „Links-a-Wies“ und „Rechts-an-Walt“ - also auf beiden Seiten der sieben UaB-Ferienwohnungen meine ich. Moooment! Den zusätzlichen 1.500 Kubik und den fünf Großvieheinheiten. Oder waren es zehn? Wieviel Großvieheinheiten … Pardon … Böcke darf man als U-Boot des Südtiroler Bauernbundes im Landtag schießen, bevor einen die SBB-HGV-Partei an die Luft setzt?

Am meisten hat mich in dieser Geschichte um Mikrowohnbauzonen gewundert, dass der junge Durnwalder Zeit hat, die Gemeinde Wengen vor dem Verwaltungsgericht zu vertreten. Ich dachte der schuftet in Rom 24/7 für den Ausbau der Autonomie, für neue Kompetenzen? Erpresst in alter SVP-Tradition als Zünglein an der Waage die Spaghettifresser? Jetzt stellt sich heraus, der ist Senator nur im Nebenerwerb, so wie der Valazza Landtagsvizepräsident nur im Nebenerwerb ist. Wir Pusterer sollten uns ein Herz fassen und diesen Menschen von seiner Doppelbelastung befreien, indem wir ihn am 25. September nicht wiederwählen. Dann gewinnt er vielleicht auch wieder ein paar Prozesse und kann sich intensiver seinem Hobby widmen: Flügelkämpfe, Meraner Hobbybauern, die im Nebenerwerb Rechtsanwälte sind, als Gegenkandidaten pushen; Seilschaften; Geklüngel; Konzessionen und die „Freunde im Edelweiss“. Soll Parteifreunde geben, die den Meini „Ge-Mein-i“ nennen, weil er seine politischen Kämpfe gerne unter der Gürtellinie ausficht. Habe ich allerdings nur aus einer Quelle und die ist ein geschasster Vize-Ortsobmann, den die Bauernfraktion seiner Gemeinde bei der letzten Wahl ausgehebelt hat.
Auf den Meinhard Durnwalder lasse ich nichts kommen - stammt aus einer Gottung, die sich nie etwas hat zu Schulden kommen lassen. Aus einem Dorf, das so große Söhne wie den vorbestraften SAD-Berater, Landesfürst Luis I., den besten CEO von allen oder einen Bürgermeister hervorgebracht hat, der den größten Teil seiner politischen Karriere blau war. Würde man ganz Pfalzen re-naturieren, sprich mit der Baggerschaufel dem Erdboden gleich machen, hätten wir mit einem Schlag eine Menge Probleme weniger. Allerdings müsste der Baggerfahrer ganz vorsichtig abtragen - könnte ja irgendwo das Glasfaserkabel zum Raika-Rechner entlanglaufen.

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Sepp.Bacher Di., 16.08.2022 - 11:17

"....Andreas Gabalier, der schlimmer krächzt als ein Wiener Sängerknabe mit Hodenkrebs,..." - Diesen groben und unschönen Witz hättest du dir sparen können, Goggl! Nicht wegen dem Andreas sondern wegen der Sängerknaben.

Di., 16.08.2022 - 11:17 Permalink