Kultur | Salto Afternoon

Einsames Wunschkonzert

Das Meraner Theater in der Altstadt inszeniert mit einer subtil-prägnanten Patrizia Pfeifer ein Stück, in dem nichts gesagt wird und doch alles gesagt ist.
wunschkonzert_patrizia_pfeifer_foto_daniela_brugger5.jpg
Foto: Daniela Brugger

Es ist ein Theaterabend von ungewohnter Intimität. Die kleine Kulissenwohnung, in der sich gerade so eine Person frei bewegen kann, drängt sich in eine Ecke des Altstadttheaters, eng darum gereiht stehen zwei Dutzend Stühle, am Rand das Technikpult. Diese Intimität passt zum Stück, denn was wir an diesem Abend sehen, ist so intim wie zunächst unspektakulär: Wir betrachten das Fräulein Rasch (Patrizia Pfeifer) im Stück „Wunschkonzert“ von Franz Xaver Kroetz an einem ganz gewöhnlichen Feierabend in ihrem ganz gewöhnlichen Leben.

Sie sperrt die Tür zu ihrer Single-Wohnung auf, legt die Schlüssel am Eingang ab, stellt ihre Einkaufstasche auf einem Stuhl ab, wirft dabei einen kurzen Blick auf das Werbeprospekt, das in der Post war. Dann zieht sie die Schuhe aus, verstaut ihre Einkäufe Stück für Stück am richtigen Platz und hängt die Einkaufstasche ordentlich auf. So beginnt ihr Abend und so geht es weiter. Mit bemerkenswerter Akribie inszeniert Regisseur Joachim Gottfried Goller die alltäglichen Abläufe von Fräulein Rasch.

Immer wieder fühlt man sich in dieser Phenomena-Produktion ertappt, etwa wenn die Hauptfigur sich einen Krümel vom Schoß pickt, an ihrem Oberteil riecht oder vor dem Zubettgehen die Haustür zusperrt. Diese Abläufe und Kleinigkeiten sind uns so schmerzhaft vertraut, dass wir allein am Geräusch erkennen, was sie gerade macht. Mögen wir auch nicht alle so herzerwärmend spießig schon am Vorabend den Frühstückstisch inklusive Eierbecher decken, so ist sie im Grunde doch jeder und jede, und vielleicht ist es gerade deshalb so schwer, das Zuschauen auszuhalten. Dass der Voyeurismus, zu dem man in „Wunschkonzert“ gezwungen wird, unangenehm ist, merkt man an der Unfähigkeit so mancher Menschen im Publikum, diese Darstellung des Alltäglichen – wohlgemerkt ohne Text – schweigend auszuhalten. Immer wieder wird die Wortlosigkeit durch belangloses Geplapper und Kommentare zu Offensichtlichem gestört („Jetzt streicht sie sich Nivea ins Gesicht.“).

Das ist schade, denn erst wenn wir uns vom Bespaßungsanspruch verabschieden und uns auf diese vom Radiogeplätscher noch verstärkte Trostlosigkeit einlassen, empfinden wir die bedrückende Einsamkeit, die wie eine Glocke über Fräulein Raschs Leben hängt und die sie am Ende des Abends –wie eine unspektakuläre Fortführung ihres Trotts – nach der einen Schlaftablette noch eine weitere und schließlich die ganze Packung nehmen lässt.

Trotz biederer Tapete und gerüschtem Morgenrock haftet dem 1973 uraufgeführten Stück nichts Altbackenes an, leben wir doch in einem Zeitalter der fortschreitenden Vereinzelung, in dem das Thema Einsamkeit immer noch mit einem Tabu belegt ist.