Kultur | Salto Afternoon

Bunkersichtweisen

Eine kleine, private Kunstausstellung sorgte am vergangenen Wochenende für Gesprächsstoff. Auch weil die offizielle Eröffnung abgesagt werden musste. Ein Rundumblick.
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Foto: Salto.bz

Rund zwei Kilometer vom Ortskern des Weindorfes St. Pauls befindet sich der Landstrich Paulsner Feld, mit dem Flur Magröll. Es handelt sich um eine kleine Hochebene über dem Weiler Pillhof bei Frangart. Verbunden sind Magröll und Pillhof durch eine kleine Talmulde, in welcher in den 1980/90er Jahren unzählige Marihuana-Pflanzen so wild gewachsen sein sollen, dass man die natürliche Verbindung im jugendlichen Überetscher Volksmund kurzzeitig Tal der Träume taufte.

Wenn auch kein Notausgang vorhanden ist, in die Kunst kann man immer flüchten.

Weniger verträumt und friedlich muss die Lage in dieser Gegend in den 1930/40er Jahre gewesen sein, als das faschistische Militär versteckt in der Erde, Teile des italienischen Alpenwalls in den Boden stampfte. In Südtirol befanden sich 3 der 27 Alpenwall-Sektoren. Sie wurden nach den großen Flussläufen – Etsch, Eisack, Rienz und Drau – geordnet und deckten rund 50% der ganzen Landesfläche mit Waffen der Schussfelder ab. Der Bunker 23 war Teil der unterirdischen Verteidigungskette, er war einer von vielen, aber auf jeden Fall auch einer mit bestem Ausblick auf Bozen.


Am vergangenen Wochenende fand im Bunker 23 eine mehr oder weniger geheime Kunstausstellung statt. Geladen hatten Wiener und Südtiroler Künstler, allerdings unter vorgehaltener Hand, da es wenige Tage vor der Eröffnung mit einer offiziellen Erlaubnis einfach nicht klappen wollte. Nachdem auf langwierige Diskussionen mit Beamten über Notausgänge niemand Lust, und für bürokratisch unendliche Geschichten niemand Zeit hatte, entschieden sich die Organisatoren, die Veranstaltung in privatem Rahmen durchzuführen.

Bei den meisten Bunkern im Überetsch war die Tarnung natürliche Vegetation, also mit Erde und Gras. Dazwischen wurden künstliche Netze angebracht, die der natürlichen Tarnung mehr Stabilität gaben.
[Heimo Prünster]

Kunst in Verbindung mit Bunkerbauten ist in Südtirol keine Neuheit mehr. Der Künstler Matthias Schönweger – er besitzt mehrere Dutzend Bunker im Land – stellte seine Arbeiten immer wieder in (seinen) Bunkern aus. Gemeinsam mit Architekt Heimo Prünster war Schönweger auch Mitbegründer des Kulturvereins kasematte, mit welchem erste Weichen zur Bunker-Sensibilisierung in Südtirol gestellt wurden. Prünster arbeitet gegenwärtig an einem größeren Forschungsprojekt zum Alpenwall und veranstaltete vor wenigen Wochen auch eine groß angelegte Tagung. Er war es auch, der in den vergangenen Jahren mit verschiedenen Interventionen "unsichtbare" Bunker sichtbar machte.

Zum Bunker 23 gibt es bisher noch keine historischen Besonderheiten, aber das einmalige Panorama und der direkte Blick auf Bozen, ist auf jeden Fall aus ziviler Sicht ein Alleinstellungsmerkmal.
[Heimo Prünster]

Eine zeitgenössische Kunstintervention in St. Pauls realisierte bereits im Sommer 2015 die polnisch-niederländische Künstlerin Ivette Mrova Zub, als sie gemeinsam mit dem Jugendchor des Dorfes das bekannte Widerstandslied Bella Ciao an einem der Paulsner Bunker singen ließ – allerdings nicht am Bunker 23.


Sitzende Kolibris lautete der Titel der jüngsten Bunker-Kunstschau in St. Pauls, bei der die verschiedenen Räume mit Arbeiten der vier Künstler Martin Pohl, Fabio Zolly, Raphael Pohl und Martin Sommer bespielt wurden. Durch ihre verschiedenen zeitgenössischen Stellungnahmen bekam der historische Ort für einige Stunden eine neue Funktion und wurde vom historischen Kriegs-Raum zum zeitgenössischen Kunst-Raum – gemäß dem Motto: Wenn auch kein Notausgang vorhanden ist, in die Kunst kann man immer flüchten.