Wirtschaft | Gastkommentar von Norbert Lantschner

Die Weichen der Zukunft

"Lebten alle Menschen wie wir Südtiroler, bräuchte die Menschheit ungefähr drei Planeten wie die Erde", schreibt Norbert Lantschner. Der Klimavisionär ruft auf: zu einem Innehalten, einem Umdenken, einem Handeln.

Es ist still geworden in unserem Lande. Zu still. Warum? Weil es um nichts weniger als um unsere Zukunft geht. Energie und Klima sind die große Herausforderung dieses Jahrhunderts. Die EU hat sie an die Spitze ihrer Zukunftsstrategie gesetzt. Aber wo bleibt bei uns die Suche nach adäquaten Antworten zu den zukunftsentscheidenden Fragen? Wie bekommen wir in Zukunft sichere, bezahlbare und umweltverträgliche Energie? Und dann ist da noch eine Entwicklung, der wir nicht entrinnen können: Der Klimawandel. 

Firmen mögen Pleite gehen, sogar ein Staat kann den Bankrott erklären, aber vor dem Klima Debakel retten uns weder Notdekrete noch Finanzspritzen und auch kein Rettungsschirm. Sie antworten, das sind globale Geschichten. Richtig, aber ihre Wirkungen sind verdammt lokal. Und lokal bzw. regional müssen Lösungen entwickelt werden. Und was tun wir? Vielleicht bauen oder sanieren wir unsere Häuser etwas energiebewusster als südlich von Salurn, aber ansonsten sind wir träge und satt geworden. Innovationen glauben wir wachsen in teuren Betonstrukturen und Kreativität gedeiht mit Beiträgen.

Firmen mögen Pleite gehen, sogar ein Staat kann den Bankrott erklären, aber vor dem Klima Debakel retten uns weder Notdekrete noch Finanzspritzen und auch kein Rettungsschirm.

Was tun wir sonst noch? Hand aufs Herz: Im Grunde schert es uns, dass unsere Lebensweise die nächsten Generationen gefährdet. Wir nehmen sogar unmittelbare Beeinträchtigungen achselzuckend hin. In unseren Haupttälern sorgt der motorisierte Verkehr für dicke Luft, sodass die Grenzwerte der Europäischen Union teils erheblich überschritten werden. Die Folge eine geringere Lebenserwartung. Aber niemand wehrt sich mehr.
Energie: Während alle Nationen und auch Konzerne die Energiefragen in ihren Agenden ganz oben platziert haben, denn ohne Energie geht sprichwörtlich gar nichts, streiten wir uns nur darum, wer und wie viel vom fetten Energiekuchen der Wasserkraft im Lande abbekommt. Machen wir uns nichts vor, wir produzieren zwar mehr Strom durch relativ sauberere Wasserkraft als wir im Jahr verbrauchen, aber unserer täglicher Bedarf bringt es mit sich, dass wir auch jene Elektrizität nutzen, die mit schmutziger Kohle, Erdöl und aus gefährlicher Atomenergie gewonnen wird. Und wir zählen mit unseren Pro Kopf Energiekonsum zur Weltspitze.

Während alle Nationen und auch Konzerne die Energiefragen in ihren Agenden ganz oben platziert haben, denn ohne Energie geht sprichwörtlich gar nichts, streiten wir uns nur darum, wer und wie viel vom fetten Energiekuchen der Wasserkraft im Lande abbekommt.

Die Kehrseite der Medaille dieses massiven Kohle-, Öl- und Gasverbrauchs ist der menschengemachte Klimawandel. Darüber wurde zwar viel geredet, aber was unternehmen wir konkret, um zu vermeiden, dass die Konzentration von Klimagasen in der Atmosphäre nicht zum klimatischen Super Gau führt? Klimaschutz reicht bestenfalls noch als Thema für Sonntagsreden. Inzwischen kommen die Warnrufe nicht mehr nur von Umweltschützern sondern von der Weltbank, von Versicherungsunternehmen und aus renommierten Wissenschaftskreisen. Unisono der Tenor, wenn wir nicht radikal mit den CO2-Emissionen runterfahren, könnten allein die wirtschaftlichen Folgen der Klimaänderungen auch für die reichen Industrienationen unbezahlbar werden. Fakt ist, dass wir trotz aller Mahnungen noch immer auf das Gaspedal drücken und lauthals noch mehr Wachstum, noch mehr Konsum fordern.

Keine Frage, wir sind ein winziges Land mit etwa einer halben Million Einwohner. Wir wissen, dass nicht bei uns und auch nicht in Europa das Klima gerettet wird, aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir Industrienationen bisher den Hauptteil der Klimagase in die Luft gepustet haben. Heute Chinesen, Koreaner, Inder und Brasilianer an den Pranger zu stellen, die eine aufstrebende Wirtschaft haben,  lenkt nur ab und ist billige Demagogie.  

Heute Chinesen, Koreaner, Inder und Brasilianer an den Pranger zu stellen, die eine aufstrebende Wirtschaft haben,  lenkt nur ab und ist billige Demagogie.  

Vergessen wir nicht: Wir kaufen Autos aus Korea, besorgen uns Möbel aus Taiwan und suchen Jeans, die eine halbe Weltreise hinter sich haben bis sie in unserem Wandschrank hängen. Beim Handy in unserer Tasche wissen wir gar nicht mehr, welches Zusammenspiel von Rohstoffen und Ausbeutung von Mensch und Umwelt stattfindet. Das Steak aus Südamerika und die Trauben aus Chile zur Winterzeit sind weitere Beispiele eines nicht klimaverträglichen Verhaltens einer wachsenden Schar von Menschen. 

Lebten alle Menschen wie wir Südtiroler, bräuchte die Menschheit ungefähr drei Planeten wie die Erde.
Gibt es einen Ausweg aus dieser Entwicklungsfalle? Wir wissen sehr wohl, dass dieser Kurs dringend zu korrigieren ist, wenn wir eine Zukunft mit Zukunft haben wollen. Was kann uns dabei behilflich sein? Auf jeden Fall keine Politik, die mit aufgewärmten Rezepten, Lippenbekenntnissen und Ankündigungen arbeitet.

Wir brauchen eine Politik, die jene Weichen zu stellen vermag, die nicht für ein grenzenloses Wachstum stehen, sondern für ein intelligentes Wirtschaften. Wir alle müssen lernen mit dem „Haushalt zu haushalten“. Außerdem brauchen wir Weichen für einen alternativen Klima- und Umweltschutz, der sich nicht auf das Verwalten von Umweltbelastungen und auf ein starres bürokratisches Dogmengebilde reduziert. Nicht zuletzt benötigen wir Weichen, die jene Kräfte in der Gesellschaft dauerhaft fördern, die zu mehr Gerechtigkeit und Fürsorge für Mensch und Mitwelt führen. Fazit: Wir wollen Weichen, die nicht unsere Zukunft stehlen.

 

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Nord licht -r Di., 28.01.2014 - 22:05

ohne eine klimahausdebatte ins rollen bringen zu wollen, muss auch der ganze unnötige energieverbrauch durch alle netten helferlein im haushalt und der haustechnik der klimahäuser aufgelistet werden, und häuser die per gesetz totsaniert werden und zu Sondermüll verkommen. was ist ihre meinung zu energieeffizienten Gebäuden aus einem material? http://www.bauwelt.de/sixcms/media.php/829/bw_2013_44_0016-0017.pdf

Di., 28.01.2014 - 22:05 Permalink