Kultur | Salto Weekend

Im grenzenlosen Universum zu Hause

Der zweite Skolast-Gastbeitrag für Salto beleuchtet das Universum. Elise Furlan fühlt sich dort - ganz nach dem Motto "GrenzenLos" - zu Hause.
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Foto: Foto: Skolast

Die Astronomie ist eine der ältesten Wissenschaften. Als unsere Vorfahren in den pechschwarzen Nachthimmel blickten, funkelten ihnen tausende von Sternen entgegen, und ein weites, “milchiges” Band, eine Ansammlung von Milliarden von Sternen, die unsere Galaxie, die Milchstraße, bilden, spannte sich quer über den Himmel. Dieser Anblick wiederholte sich in jeder wolkenlosen Nacht und löste bestimmt Staunen und Ehrfurcht aus; etwas Gewaltiges, viel größer und mächtiger als unsere alltägliche Umgebung, existiert jenseits der Grenzen unserer Erde. Unerwartete Himmelsereignisse stürzten unsere Vorfahren in Angst und Schrecken; das Erscheinen eines Kometen oder eine Sonnenfinsternis wurden als unheimlich empfunden und als Vorboten von Unheil.

Die Anzahl von Sternen im Universum ist überwältigend; seit einigen Jahren wissen wir auch, dass fast alle Sterne Planeten haben könnten, mit einigen, die bestimmt der Erde ähnlich sind.

Ob manchmal angsteinflößend oder als gewohnte Himmelskulisse beruhigend, der Nachthimmel war unser stetiger Begleiter. Wir stellten uns vor, dass die Sterne Bilder von Tieren, Gegenständen, oder mythologischen Figuren darstellten; dadurch konnten wir uns am Himmel zurechtfinden, und in gewisser Hinsicht verbanden wir die Erfahrungen auf der Erde mit jenen im unerreichbaren Reich der Gestirne. Für lange Zeit war die Astronomie mehr oder weniger auf Himmelsmechanik beschränkt; die Sterne, Planeten, der Mond und die Sonne schienen in gewissen Bahnen um die Erde zu kreisen, und ihre Positionen konnten vorhergesagt werden. Diese Erkenntnis der Regelmäßigkeiten in den Himmelsbewegungen hatte viele praktische Anwendungen, wie die Entwicklung eines Kalenders oder die Navigation auf den Weltmeeren.

Mit der kopernikanischen Revolution des Weltbildes im 16. Jahrhundert wurde unser Platz im All zurechtgestellt: Wir sind nicht das Zentrum des Universums, um das sich die Sonne und die anderen Planeten drehen, sondern ein kleiner Planet, der um einen durchschnittlichen Stern kreist. Dies war ein monumentaler Wandel für unsere Weltsicht, der nicht reibungslos vor sich ging; althergebrachte Institutionen und die Kirche fühlten sich bedroht, und nur mit der Zeit konnte das neue Weltbild als selbstverständlich angenommen werden. Weitere Veränderungen in unserer Auffassung des Universums folgten erst in den letzten hundert Jahren: Unsere Sonne ist nur einer von Milliarden von Sternen in unserer Galaxie, und diese ist wiederum nur eine von Hunderten von Milliarden Galaxien im Kosmos. Die Anzahl von Sternen im Universum ist überwältigend; seit einigen Jahren wissen wir auch, dass fast alle Sterne Planeten haben könnten, mit einigen, die bestimmt der Erde ähnlich sind.

Heutzutage ist die Astronomie eine faszinierende Wissenschaft, die dank der vielen beeindruckenden Bilder kosmischer Phänomene grundsätzlich allen Menschen zugänglich ist. So kann jeder bewundern, wie junge Sterne in bauschigen Wolken aus Gas und Staub geboren werden, oder wie zwei Galaxien zusammenstoßen und dabei Ströme von Sternen auswerfen. Viele Wunder des Kosmos können mit den Gesetzen der Physik erklärt werden. Die gleichen Gesetze, die auf der Erde gelten, sind auch in den unermesslichen Weiten des Alls gültig. Dabei kann man im Weltall die Extreme dieser Gesetze messen, so wie bei Schwarzen Löchern, die eine unheimliche Gravitationskraft ausüben und jedes Objekt, das zu nahe kommt, in seine Bestandteile zerreißen. Als Astronomen suchen wir stetig nach neuen Erkenntnissen, mit Beobachtungen kosmischer Phänomene und mit Modellen, die diese Phänomene zu erklären versuchen; manchmal werden Fortschritte nur mühsam gemacht, aber ab und zu kommt ein Durchbruch oder sogar eine bahnbrechende Erkenntnis. Zum Beispiel hatten Astronomen im letzten Jahrhundert herausgefunden, dass sich unser Universum ausdehnt; alle Galaxien, so auch unsere Milchstraße, entfernen sich immer mehr voneinander als Folge des Urknalls, mit dem vor fast 14 Milliarden Jahren unser Universum begann. Allerdings haben genauere Daten gezeigt, dass sich diese Ausdehnung beschleunigt, was auf eine mysteriöse „dunkle Energie“ im Universum hinweist.

Ein wesentliches Ziel ist es, erdähnliche Planeten zu finden und ihre Atmosphären zu charakterisieren.

Wir wissen nicht, was diese Energie ist und was sie verursacht hat, aber ihr Effekt auf das ganze Universum kann gemessen werden. Zukünftige Weltraumteleskope werden unter anderem diese dunkle Energie weiter unter die Lupe nehmen. Durch astronomische Forschung dringen wir immer weiter und tiefer in den Kosmos vor. Unsere Beobachtungen verbinden die Vergangenheit mit der Zukunft. So forschen wir nach den ersten Galaxien und Sternen, die nach dem Urknall entstanden sind. Das Licht dieser ersten Sterne war mehrere Milliarden Jahre lang durch das All unterwegs, bis es uns erreichte; je weiter wir in den Weltraum blicken, umso mehr sehen wir in die Vergangenheit des Kosmos. Mit immer größeren und empfindlicheren Teleskopen können wir nicht nur weit entfernte Galaxien erspähen, sondern auch unsere Nachbarsterne genau studieren, um Planeten, die um diese kreisen, zu entdecken und zu vermessen. Ein wesentliches Ziel ist es, erdähnliche Planeten zu finden und ihre Atmosphären zu charakterisieren. Wir wollen herausfinden, ob wir alleine im All sind, ob es Leben in Hülle und Fülle gibt, oder ob die Erde besonders einmalig und einzigartig ist. Dabei nähert sich die Astronomie der Philosophie: Wer sind wir eigentlich? Gibt es auf anderen Welten Lebewesen so wie wir, die sich ihrer Existenz bewusst sind, ihre Umgebung erforschen und mit Technologie langsam in den Weltraum vordringen? Eines Tages werden wir diese Fragen beantworten können.

Dies wird zu einem neuen Wandel in unserem Weltbild führen, aber auch neue Fragen aufkommen lassen. Es ist schwer vorherzusagen, wohin uns unsere Forschung führen wird. Es ist wie eine Reise, bei der man eine gewisse Ahnung vom Ziel hat, aber während der Fahrt auf viele Umwege gerät, die sich oft als interessanter herausstellen und am Ende vielleicht zu einem ganz anderen Zielort führen. Als Astronomen lernen wir über das Universum; es ist die größte Entität, die wir studieren können, und auch wenn wir die Grenzen unserer Erkenntnis immer weiter hinausschieben, werden wir bestimmt auch in Tausenden von Jahren noch nicht alle Rätsel des Kosmos gelöst haben. In diesem Sinne ist die Astronomie eine grenzenlose Wissenschaft, die Forschern immer wieder neues Material zum Analysieren und Studieren bietet. Das Universum an sich hat auch keine Grenzen.

Grenzen werden nur von Menschen, und, bis jetzt, nur auf dieser Erde, aufgestellt. Schon früh haben unsere Vorfahren damit begonnen, Grenzen zu ziehen und sich von jenen abzugrenzen, die anders sind und daher als Bedrohung empfunden werden. Wir können es uns aber nicht leisten, uns abzugrenzen und nur im eigenen, beschränkten Interesse zu handeln. Wir teilen uns nämlich diesen Planeten, er ist unsere Heimat. Nur als weltumfassende Gemeinschaft können wir diejenigen Probleme lösen, von denen unser Überleben abhängt, wie der Klimawandel oder die Zerstörung und Ausbeutung von Ökosystemen und Ressourcen. Es ist hoffentlich nicht ein naiver Wunsch, dass die Astronomie dazu beiträgt, dass mehr Menschen eine „kosmische“ Perspektive entwickeln, die sich so auswirkt, wie der Anblick des dunklen Nachthimmels auf unsere Vorfahren: vielleicht etwas ernüchternd, vielleicht etwas angsteinflößend, aber auch befreiend und ermächtigend, da unsere alltäglichen Sorgen etwas schrumpfen, und wir uns als Teil des grenzenlosen Universums fühlen können.

Salto in Zusammenarbeit mit SKOLAST