Politik | In Rom

“Wie im Kindergarten”

Manfred Schullian über römische Spielchen, offene Fragen, Verzögerungstaktiken – und seine Rolle als “facilitatore”, die dem SVP-Abgeordneten in Rom angedichtet wird.
Manfred Schullian
Foto: Salto.bz

salto.bz: Onorevole Schullian, auch Senatspräsidentin Maria Alberta Elisabetta Casellati hat die Konsultationen zur Regierungsbildung ergebnislos beendet. Wie erleben Sie die politische Situation in Rom, eineinhalb Monate nach den Wahlen?

Manfred Schullian: Wie einen riesengroßen Kindergarten. Die “veti incrociati” zwischen den großen Parteien legen alles lahm.

Niemand scheint mit niemanden recht zu wollen?

Die größte Hürde scheint nach wie vor Luigi Di Maio zu sein, bzw. die 5 Stelle, die mit Berlusconi nicht können. Was, aus der inneren Logik der 5-Sterne-Beziehung gedacht, nachvollziehbar ist. Wenn sie genau mit dem eine Koalition oder eine Einigung eingehen, den sie immer als den “Urheber des Bösen” betrachtet haben, wären intern schon Implosionsgeräusche zu hören.

Es ist ein Spiel auf Zeit.

Und die Lega?

Dort stellt sich die Gretchenfrage – jene Frage, die meines Erachtens noch nicht ganz gelöst ist: Hält die Mitte-Rechts-Allianz? Oder lässt Salvini irgendwann einmal die Bündnispartner fallen? Ist das eine Nibelungentreue, die Salvini zu Berlusconi hat oder lässt er ihn fallen?
Aber das sind alles Spielchen. Der Hintergrund: Die Lega will die Regionalwahlen im Friaul nächsten Sonntag (29. April, Anm.d.Red.) abwarten.

Von den 5 Stelle ist zumindest das Angebot an Forza Italia gekommen, eine Regierung zwischen Grillini und Lega von außen zu unterstützen.

Das Angebot der externen Unterstützung hat Berlusconi dankend abgelehnt. Was auch nachvollziehbar ist, weil er dadurch auf eine marginale Rolle degradiert würde.

Mattarella liefert sich diesen Spielchen nicht aus.

Was macht Staatspräsident Sergio Mattarella in diesem “Kindergarten”?

Er macht Druck und sich zurecht nicht mehr von diesen Spielchen aufhalten. Schon kommende Woche könnte er den nächsten beauftragen, die Konsultationen fortzuführen. Es wird kolportiert, dass Kammerpräsident Roberto Fico (5 Stelle) den Auftrag erhält und damit eigentlich schon der zweite Ofen befeuert wird.

Ein Regierungsbündnis zwischen 5 Stelle und PD?

Genau. Und dann könnte der Zug für das Spielchen von Salvini abgefahren sein – und die Verzögerungstaktik um die Frage zu klären, ob er sich von Berlusconi abwendet oder nicht, obsolet sein. Wenn es in der Zwischenzeit dieser derzeit durchaus realistisch anmutenden Mehrheit zwischen 5 Stelle und Partito Democratico kommen würde.

Erste Annäherungen zwischen 5 Stelle und PD scheint es schon zu geben. So meint der Sprecher der 5 Sterne in der Kammer, Danilo Toninelli: “Wenn Casellati scheitert, hoffe ich auf den PD.”

Allerdings kann ich mir nur schwer vorstellen, dass Renzi und Konsorten einen Di Maio als Premier akzeptieren. Wenn auch schon Salvini, den man trotz seiner charakterlichen Rauheit eine gewisse Schärfe nicht aberkennen kann, Di Maio ablehnend gegenüber steht, ist anzunehmen, dass auch der PD von Di Maio fordert, auf den Posten des Ministerpräsidenten zu verzichten. Die Frage ist, ob Di Maio das macht.

Welche ist Ihre Rolle als neuer Fraktionssprecher des Gruppo Misto in der Kammer? Vom Corriere della Sera werden Sie als “facilitatore”, als Vermittler bzw. Friedensstifter ins Spiel gebracht.

(lacht) Das ist Balsam für eine unwichtige Seele! Jetzt sind die großen Player am Zug. Als Fraktionssprecher der gemischten Gruppe hat man im Grunde kaum Möglichkeiten, eine einheitliche Position zu vertreten. Wir haben mittlerweile nur mehr 21 Mitglieder. In unserer Fraktion (SVP-PATT, Anm.d.Red.) sind wir vier, und bei den restlichen 17 haben wir 18 Ideologien und 18 verschiedene politische Meinungen.

Der Mikrokosmos Parlament gleicht dieser Tage einem riesengroßen Kindergarten.

Gehen Sie davon aus, dass Staatspräsident Mattarella unbeirrt weiter machen wird?

Die Formulierung “Er ist gut beraten darin” kann ich mir nicht erlauben. Aber er liefert sich diesen Spielchen nicht aus. Und ich glaube schon, dass es Sinn macht, zügig weiterzumachen und Druck zu machen.

Nun könnte man sagen, auch die Deutschen haben ein halbes Jahre gebraucht bis eine Regierung stand.

Eines ist, drei oder sechs Monate über einen Koalitionsvertrag zu verhandeln, wie in Deutschland. Aber etwas anderes ist, bis zum Schluss nicht zu wissen, wer eigentlich mit wem ins Bett steigt und zu welchem Zweck und ob eine Regierung zustande kommt oder nicht.