Politik | Mitbestimmung

Wenn die Mehrheit mit der Minderheit

Magdalena Amhof und Brigitte Foppa touren durch Südtirol. Im Auftrag der Direkten Demokratie wollen sie die SüdtirolerInnen hereinholen und mitdiskutieren lassen.

Frau Amhof, das Gesetz zur Direkten Demokratie wird neu gestartet. Die Dialogreihe, die heute in Brixen beginnt, steht unter dem Motto „Mitreden und gewinnen.“ Die Basis soll von Beginn an mitreden. Hat die SVP dazugelernt?
Magdalena Amhof: Ich will es so ausdrücken: Die SVP hat entschieden, einen anderen Weg zu gehen, als den bisherigen. Wir wollen kein Gesetz mehr im Alleingang entwerfen, sondern gemeinsam mit den anderen Parteien. Und sehr wichtig: Die BürgerInnen sollen in den Entscheidungsprozess mit eingebunden werden. Das heißt, man lässt die BürgerInnen nicht mehr über einen Vorschlag entscheiden, sondern lässt sie selber Vorschläge machen.

Und die Achse der beiden Landtagsabgeordneten Magdalena Amhof, Brigitte Foppa – was will man mit der signalisieren? Dass es nur gemeinsam geht?
Im Grunde genommen ist diese Zusammenarbeit zufällig entstanden. Aber, dass es genau wir zwei sind, ist ein tolles Zusammenspiel. Ich aus der Mehrheit, Brigitte Foppa aus der Minderheit, zwei Frauen, ich finde das eine spannende Erfahrung auch für uns beide. Die Idee zu dieser moderierten Veranstaltung wurde ja von der Initiative für Direkte Demokratie an die Gesetzgebungskommission herangetragen, der ich vorstehe. Sie haben gesagt, nach zwanzig Jahren hin und her zwischen ihnen und der SVP sollte man doch endlich versuchen einen neuen, moderierten Weg zu gehen. Wir haben das dann in die Hand genommen, die Initiative nimmt an allen Veranstaltungen teil, wir sehen sie als Experten auf der Seite der Direkten Demokratie. So wie wir die Wirtschaft- oder Sozialverbände hereingeholt haben, die auch wieder Experten sind und unbedingt gehört werden müssen. Wir wollen jeden gleichwertig mit reinholen.

Keine Angst vor Wutbürgern und Buhrufen in Brixen?
Ganz im Gegenteil. Ich glaube, dass es gerade in Brixen ein guter Zeitpunkt ist, mit den Leuten zu diskutieren. Das Referendum zur Ploseseilbahn ist noch frisch und ich hoffe wirklich, dass sich viele Menschen einbringen. Gerade die, die mit der direkten Demokratie nicht so positive Erfahrungen gemacht haben, sollen erzählen. Das ist ja der Spiegel der Gesellschaft, den wir wollen. Das ist der Mehrwert dieser Veranstaltung. Wenn nur Teilnehmer sind, die die Direkte Demokratie gut finden, dann würde das ja nicht der Realität entsprechen.

Sie meinen also, dass die Südtiroler trotz umstrittener Sanitätsreform und einer abgelehnten Plose Seilbahn in der Lage sind, konstruktiv miteinander zu diskutieren?
Davon bin ich überzeugt.

Gerade die, die mit der direkten Demokratie nicht so positive Erfahrungen gemacht haben, sollen erzählen. Das ist ja der Spiegel der Gesellschaft, den wir wollen.

Oder kommen die Leute einfach nicht, die lieber öffentlich protestieren und nicht gemeinsam diskutieren.
Es stimmt schon: SüdtirolerInnen nörgeln sehr gerne. Ich möchte das nicht verallgemeinern, aber es wird sehr oft Nein gesagt und zunächst das Negative gesehen. Auch bei dieser Diskussionsreihe hat es in den Medien gleich wieder geheißen: Das ist zu teuer, das bringt nichts. Schade, denn so verpasst man etwas. Ich freu mich auf jeden Fall auf ein buntes Publikum heute in Brixen.

Bunt heißt, es darf durchaus kontrovers zu gehen?
Natürlich. Wir teilen die Diskussionsteilnehmer in Gruppen ein, an Tischen wird diskutiert. Fragen werden bearbeitet. Zum Beispiel, „Worüber möchtest Du mitreden? Was möchtest Du mitentscheiden?“ Die Gruppen tauschen sich dann untereinander aus. Ziel ist, dass möglichst viele Menschen miteinander in Kontakt kommen. Das ist das Wertvolle. Wir haben uns bewusst gegen das große Plenum entschieden, denn da geben oft die ersten Wortmeldungen die Thematik vor. Wir glauben, dass in Kleingruppen die Menschen mehr aus sich herausgehen können. Und wenn an einem Tisch die Plose Seilbahn noch einmal intensiv diskutiert wird, dann ist das gut. Weil es wichtig ist, dass es herauskommt.

Momentan haben die Leute den Eindruck, dass Entscheidungen hinter verschlossenen Türen getroffen werden, deshalb ist es wesentlich, die Zivilgesellschaft hereinzuholen und einzubinden.

Erwin Demichiel von der Initiative für Direkte Demokratie formulierte es im September 2013 so: „Die politische Erneuerung, die der künftige Landeshauptmann anstrebt, kann nicht gelingen, wenn er nicht auf ein gutes Gesetz zur Direkten Demokratie zurückgreifen kann.“ Teilen Sie diese Meinung?
Ich sehe das anders. Der Prozess hin zur Entscheidung ist wichtiger als die Entscheidung selbst. Oder besser: Ich bin nicht der Meinung, dass es mit einem guten Gesetz getan ist. Wir müssen es schaffen, die Entscheidungsprozesse zu den Menschen hin zu bringen. Das ist wirklich zufriedenstellend für die BürgerInnen. Momentan haben die Leute den Eindruck, dass Entscheidungen hinter verschlossenen Türen getroffen werden, deshalb ist es wesentlich, die Zivilgesellschaft hereinzuholen und einzubinden.

Ewige Diskussion und nichts wird entschieden – so die Befürchtung der Wirtschaftsverbände?
Natürlich dauert die Einbeziehung der Menschen länger. So ein Prozess muss vorbereitet werden, da geht viel Zeit verloren. Ich denke, es braucht für gewisse Bereiche nach wie vor die Entscheidung von Politikern, gewisse Bereiche kann ich nicht der Direkten Demokratie unterwerfen. Aber ich bin gespannt, was die BürgerInnen sagen werden. Denn schlussendlich werden die Politik und die Wirtschaft das Vertrauen der Leute nur  zurückbekommen, wenn man sie bei Entscheidungen mitnimmt. Nicht Abstimmungen oder Volksentscheide sind wesentlich, sondern der Weg dahin.

Weitere Termine für interessierte BürgerInnen:

Brixen 21.10.2014 um 19.30 in der LBS Tschuggmall
Schlanders 22.10.2014 um 19.30 Kulturhaus „Karl Schönherr“ 
Sterzing 23.10.2014 um 19.30 im Vigil Raber Saal
Neumarkt 4.11.2014 um 19.30 im Haus Unterland
Bruneck 14.11.2014 um 19.30 im Michael Pacher Haus
Meran 17.11.2014 um 19.30 in der FOS Marie Curie
Bozen 18.11.2014 um 20.00 im Palais Widmann