Chronik | Landesdienst

Kaliber 22

Ein Angestellter bedroht den SIAG-Direktor per Mail. Jetzt steht er vor dem Richter. Gleichzeitig hat der Bozner Jurist aber die Chuzpe das Land zu verklagen.
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Foto: upi
Die Mail ging am 11. Juli 2017 kurz nach 19 Uhr auf der Dienstadresse  [email protected] ein. 
Der Betreff „curriculum di stefan“. Allein ein Blick auf den Absender macht deutlich, dass es kein alltägliches Schreiben ist, das der Direktor der Südtiroler Informatik AG an diesem Sommerabend auf seinen Rechner findet. Die Mailadresse lautet: „[email protected]“.
Die anonyme Nachricht ist eine mehr als klare Drohung.
Der Unbekannte schreibt:
 
„Come va signor Stefan? Ho cercato il suo numero di telefono, ma non l'ho trovato. In compenso ho letto il suo curriculum. Forse un po' scarno per uno che costa alle casse del pubblico più di 120mila euro. Nel pubblico ci finiscono sempre i migliori eh? Ascolti Stefan, se proprio non riesce a riempire il suo curriculum con nulla che non siano 4 righe, ci metta dentro qualche hobby che ha. Per esempio bricolage, cucina, vino, birra...
Io per esempio ho la passione per le armi. Ne ho usate a decine, ma la mia preferita rimane la beretta calibro 22 long rifle. Dovessi scrivere un curriculum e fossi uno che non ha combinato un granchè...ci butterei quello nel curriculum. Tanto per riempirlo. Ovviamente sparo al poligono. Lei non ha passioni??? 
Io per esempio ho la passione per le armi. Ne ho usate a decine, ma la mia preferita rimane la beretta calibro 22 long rifle.
Magari del suo curriculum e dei suoi compensi ne parliamo di persona. Le va? Appena ho tempo vengo a trovarla? Così chiacchieriamo con calma, senza nessuno che ci disturbi? Non ho trovato un suo numero di telefono. Lei ha una faccia simpatica, quindi la incontro volentieri.
Saluti stefan a presto“
 

Der fehlende Studientitel

 
Der Hintergrund der beunruhigenden Botschaft ist eine öffentliche Polemik. Der Verwaltungsrat der SIAG AG ernannte im Oktober 2015 den Kastelruther IT-Fachmann Stefan Gasslitter zum Generaldirektor für 18 Monate. Kurz nach seiner Ernennung brach eine Diskussion los, ob Gasslitter für den Job die nötige Qualifikation habe. Gasslitter hat kein Studium abgeschlossen. Akuter wurde die Kritik als das Land im November 2016 einen Wettbewerb ausschreibt, aus dem der Interimsdirektor unter 60 Bewerbern und Bewerberinnen als Sieger hervorgeht. Der Vorwurf: Weil im Wettbewerb kein Studientitel vorgeschrieben war, sei das Ganze auf Gasslitter zugeschnitten.
 
 
Die zuständige Landesrätin Waltraut Deeg verteidigte die Auswahl und den SIAG-Direktor. Der 54jährige Gasslitter leitet das öffentliche Unternehmen (64,9 Prozent gehören dem Land, 33,4 Prozent dem Südtiroler Gemeindenverband und 1,7 Prozent der Region Trentino-Südtirol) inzwischen seit über vier Jahren. Durchaus erfolgreich. Im Frühjahr 2020 steht die Verlängerung seines Vertrages an.
Nach einer Eingabe ermittelt jetzt die Bozner Staatsanwaltschaft – wie salto.bz exklusiv berichtete - in der SIAG zur Vergabe mehrerer Aufträge und zu den Spesenabrechnungen des Direktors. Die Eingabe ist ein klarer Versuch die Wiederbestätigung Gasslitters zu verhindern.


Der Jurist

 
Stefan Gasslitter wertete im Sommer vor zwei Jahren die Anspielungen auf die Waffen in der anonymen Mail als klare Bedrohung. Wenige Tage nach dem Vorfall erstattete er deshalb Strafanzeige gegen Unbekannt. Die Postpolizei brauchte nicht lange, um zu ermitteln wer hinter der Adresse „[email protected]“ steht.
Es ist ein Mann mit dem der Direktor der Informatik AG beruflich zu diesem Zeitpunkt zu tun. Ein Angestellter der Abteilung Informatik des Landes.
 

Der heute 39jährige Bozner Jurist (Name der Redaktion bekannt) arbeitet seit Jahren im öffentlichen Dienst. Zuerst kurzeitig für die Stadtgemeinde Leifers und dann für den Sozialbetrieb der Stadt Bozen, bevor er einen Wettbewerb im Land gewinnt. 2017 kommt der Mann als Angestellter in die Abteilung Informationstechnik. Nach Informationen von salto.bz ist der Jurist zwar fachlich kompetent, im sozialen Umgang kommt es aber schon bald zu Konflikten mit seinen Vorgesetzen. Deshalb wird sein Vertrag nach der Probezeit im Februar 2018 nicht mehr verlängert.
Der ermittelnde Staatsanwalt Igor Secco hat gegen den ehemaligen Landesangestellten inzwischen Anklage wegen Bedrohung (Art. 612) erhoben. Die Hauptverhandlung wurde auf Ende Jänner 2020 vor dem Bozner Friedensgericht festgesetzt.
Schon vorher wird der Verfasser der Drohmail aber vor Gericht erscheinen müssen. Diesmal aber nicht als Angeklagter, sondern als Kläger. Der Bozner Jurist hat gegen seine Kündigung durch das Land nach der Probezeit geklagt. Kommende Woche findet vor dem Arbeitsgericht in Bozen die erste Verhandlung statt.
Sollte dabei auch die Mail zur Sprache kommen, dürfte es ein kurzer Prozess werden.