Gesellschaft | Abteilung Land-, forst- und hauswirtschaftliche Berufsbildung der Provinz

Haus-Wirtschaf(f)t-Zukunft

Am 21. März wird der Internationale Tag der Hauswirtschaft begangen. Aus diesem Anlass fand am heutigen Freitag, 22. März, in der Fachschule für Hauswirtschaft und Ernährung „Frankenberg“ in Tisens eine Tagung mit Experten aus dem deutschsprachigen Ausland zum Thema „Haus-Wirtschaf(f)t-Zukunft“ statt.
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Die Fachschulen für Hauswirtschaft und Ernährung sowie jene für Landwirtschaft haben in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung durchlebt. Es ist gelungen, die Inhalte der Ausbildung den neuen Erfordernissen der Arbeitswelt und Gesellschaft anzupassen, wobei auf eine enge Verbindung zwischen Allgemeinbildung sowie Theorie- und Praxisunterricht Wert gelegt wird. Heute präsentieren sich die Fachschulen als moderne Bildungseinrichtungen, die den Schülerinnen und Schülern alltagstaugliche Kompetenzen vermitteln und ihnen vielseitige Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt eröffnen – und bereits in zwei Jahren werden die Fachschulen auch einen Maturaabschluss anbieten.

Anlässlich des Internationalen Tages der Hauswirtschaft haben die Fachschulen für Hauswirtschaft und Ernährung in Tisens eine Tagung veranstaltet, die gleichermaßen als Fortbildung für die Lehrpersonen und als öffentliche Veranstaltung für alle Interessierten gedacht war. Wie die hochkarätigen Experten, die als Referenten eingeladen wurden, anschaulich beweisen konnten, handelt es sich bei der Hauswirtschaft um ein zentrales gesellschaftliches Thema, das Schnittstellen mit einer Vielzahl an Wissensbereichen und Forschungsfeldern aufweist.

 

Dr.in Gabriele Sorgo, Privatdozentin am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Graz und Gastprofessorin für historische Anthropologie und ästhetische Bildung am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Innsbruck, beleuchtete in ihrem Vortrag die kulturelle Entwicklung von Ernährung und Haushalten. Dabei ging sie einerseits auf die historisch-anthropologischen Aspekte ein und beleuchtete andererseits den Strukturwandel, dem die Haushalte in der spätmodernen Konsumgesellschaft unterworfen sind.

„Hauswirtschaft war und ist nach wie vor der Ursprung für Innovationen“, erklärte Gabriele Sorgo, „und zieht sich in unterschiedlichen Ausprägungen durch die gesamte Menschheitsgeschichte. Eine funktionierende Hauswirtschaft ist die Voraussetzung dafür, dass die Wirtschaft funktionieren kann. In der modernen Gesellschaft muss die soziale Integration im Haushalt stattfinden, sonst kann das Leben nicht gelingen. Der Soziale Kitt ist nicht käuflich. Der funktionierende Haushalt ist Voraussetzung dafür, dass die Wirtschaft überhaupt funktionieren kann.“

 

Tobias Reichert, der im gemeinnützigen Verein Germanwatch als Teamleiter für den Bereich Welternährung, Landnutzung und Handel zuständig ist, hielt einen Vortrag zum Thema „Ernährung sichern im 21. Jahrhundert“, in dem er die Herausforderungen aufzeigte, mit denen die globale Land- und Lebensmittelwirtschaft konfrontiert ist.

„Der Hunger in der Welt ist zurückgegangen, während die Zahl der Menschen mit Übergewicht ständig wächst. Hunger kann nicht durch eine weitere Produktionssteigerung überwunden werden, sondern er ist eine Frage von Armut und Zugang zu den erzeugten Nahrungsmitteln. Die Massenproduktion von Lebensmittel stößt an ihre Grenze. Die Fortsetzung des Modells der Intensivierung hat daher keine Zukunft“, lauteten die zentralen Aussagen von Tobias Reichert. Die Herausforderungen der Zukunft seien seiner Meinung nach vor allem die steigenden Preise, das Bevölkerungswachstum, veränderte Konsumgewohnheiten, Wasserknappheit, der Verlust der Artenvielfalt und der Klimawandel.

Ein weiteres Problem sieht er im höheren Einkommen, das unter den Armen zu einer steigenden Konsumbereitschaft und in der Mittelklasse zu einem vermehrten Fleischverzehr führt. Hierin liegt seiner Meinung nach einer der Gründe für die ebenfalls zunehmende Fettleibigkeit. Auch der Verbrauch von Futtermitteln sei stark gestiegen, wodurch die Preise in die Höhe getrieben würden und die biologische Vielfalt – auch der Nutztiere und -pflanzen – verloren ginge, erklärte Reichert.

 

Der gelernte Koch und ausgebildete Personaltrainer Ralf Klöber, der heute vor allem in den Bereichen Qualitätsmanagement, Beratung und Schulung tätig ist, hielt einen Vortrag mit dem Titel „Designer-Küchen und Discounter-Lebensmittel“. In den Vordergrund seiner Ausführungen stellte er die großen Chancen für die Hauswirtschaft in der heutigen Gesellschaft, die ironischer Weise gerade darin bestehen, dass eine Generation heranwächst, die nicht mehr gelernt hat, sich selbst zu ernähren.

Für Ralf Klöber ist Ernährung die älteste Kultur, die wir haben. „In nur einem Monat gab es in Deutschland zehn öffentlich gewordene Lebensmittelskandale“, berichtete er, „und die Menschen haben es schon wieder vergessen. Neu ist aber eine große Sehnsucht nach Vereinfachung. Hauswirtschaft ist Lebensmanagement und kann hier konkrete Antworten geben. Die Sehnsucht nach Einfachheit ist keine Romantik, sondern ein Zukunftsmodell. Tante-Emma-Läden sind in Deutschland wieder im Kommen. Die Hauswirtschaft bringt Qualität und spart das Geld, ist Ernährungsberater, Klimaschützer, Ernährungsethiker, Volksgesundheitserhalter und Lebensmittelkulturbewahrer. Unsere Stärke ist der Herd.“

Weiters wies er auf die Wichtigkeit hin, sich zu vernetzen. Gesunde Ernährung alleine sei zu wenig: Sie muss auch schmecken. „Unser Markt ist, wo Menschen und Lebensmittel zusammentreffen, und das ist von der Wiege bis zum Sterbebett“, so Klöber, „ aber auch die Gemeinschaftsverpflegung muss qualitativ besser werden. Die Hauswirtschaft braucht ein selbstbewusstes Auftreten und professionelles Marketing. So wie man sich zeigt, so wird man auch gesehen.“

 

Mag. Willi Linder von der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik in Wien ging in seinem Vortrag zum ökologischen Fußabdruck auf den Umgang mit Ressourcen und Konsum sowie auf die Bedeutung von Hauswirtschaft und Ernährung für ein nachhaltiges Ressourcenmanagement ein.

Er erklärte, dass der Begriff „Nachhaltigkeit“ bereits vor 300 Jahren geprägt wurde. „Dabei geht es um die Vorstellung von einem guten Leben. Auch das Bewusstsein für den Wert regionaler Lebensmittel ist eng mit diesem Begriff verbunden“, erklärte Willi Lindner, der mit Nachdruck auf den positiven Einfluss der regionalen Produkte und der regionalen Esskultur auf die Lebensqualität hinwies.

 

Die Diplomökonomin und Wirtschaftspsychologin Dr.in Monika Kritzmöller hielt abschließend noch ein Plädoyer für eine Ästhetik der Hauswirtschaft mit dem Titel „Oikonomia auf dem Laufsteg“, in welchem sie die Hauswirtschaft als Dreh- und Angelpunkt einer ästhetischen und aktiven Gestaltung zentraler Daseinsbereiche präsentierte.

 

Am Nachmittag fanden zu den einzelnen Themen noch Workshops statt, an denen die Lehrpersonen der Fachschulen und – auf Anmeldung – auch externe Interessenten teilnehmen konnten.

Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Tagung waren sichtlich begeistert davon, welche spannenden und nützlichen Impulse von der Hauswirtschaft ausgehen und konnten sich davon überzeugen, dass Hauswirtschaft alle angeht.