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„Wir werden Frau Merkel jagen!“

Der Rechtsruck offenbart große Unzufriedenheit und schwächt Merkel.
AFD
Foto: Maxifun Live
 
Eigentlich ist der enorme Schock (vor allem in Politik und Medien) über den Sieg der „Alternative für Deutschland“ (12,6%) verwunderlich. Denn er war voraussehbar und hat sich angekündigt. In den fünf neuen Bundesländern, also der ex-DDR, hat die Afd schon bei Lokal- und Regionalwahlen wiederholt zwischen 16 und 23 Prozent der Stimmen eingefahren. In den Umfragen im Westen des Landes schwankte sie seit einem Jahr zwischen 7 und 16 Prozent, im Ruhrgebiet erhielt sie erst kürzlich 15 Prozent, und sie sitzt immerhin schon in 13 Landesparlamenten.
 

Die Afd vom Anti-Euro-Verein zur national-völkischen Partei

 

Erst 2013 gegründet, war die Afd ursprünglich die Partei der EU-skeptischen, rechtsliberalen Euro-Gegner, ihre Führung ein Club von Wirtschaftsprofessoren und Mittelstandsunternehmern. Als viele Parteikader unter dem Eindruck der starken Migration immer stärker nach rechts drängten, wurde ihr Gründer Bernd Lucke entmachtet und durch Frauke Petry ersetzt. Mittlerweile ist selbst sie - die immerhin gemeint hatte, um die Grenzen vor Migranten zu schützen, müsste nötigenfalls auch geschossen werden – marginalisiert, weil nicht mehr radikal genug.

 

Denn mit dem außergewöhnlichen Flüchtlingsnotstand von 2015 wurde die „Ausländer-Frage“ zum zentralen und fast einzigen Thema der Afd und es rückten bisher zweitrangige Figuren ins Licht und an die Spitze der Partei: Neonazis, Holocaust-Leugner, Geschichtsrevisionisten, Rassisten und Ausländerhasser. (Die online-Ausgaben von Zeit, Spiegel und Süddeutscher Zeitung haben exzellente Porträt-Listen der wichtigsten zukünftigen Afd- Bundestagsabgeordneten und ihrer entsprechenden „Sager“ erstellt). 

 

Alles Abgehängte? Nein.

 
Ob Le Pen in Frankreich, Brexit oder Trump – die weithin dominierenden Analysen erklären die Anhänger und Wähler der in der gesamten westlichen Welt angeschwollenen national-populistischen Strömungen zu Opfern. Das neue Modewort heißt „die Abgehängten“, früher sprach man von „Modernisierungsverlierern“. Beides ist richtig. Aber hinter diesen praktischen Pauschal-Definitionen stecken hochkomplexe und zum Teil sogar sehr widersprüchliche Menschengruppen und Motive. Völlig falsch ist es jedenfalls, die wirtschaftliche und soziale Misere oder auch nur Benachteiligung als Hauptgrund für Wähler der genannten Bewegungen zu halten. Zumindest gilt das für die Afd. Mehrere Umfragen, besonders jene des Soziologieprofessors Holger Lengfeld, zeigen dass es den meisten Afd-Wählern wirtschaftlich überhaupt nicht schlecht geht. 
Demnach haben nur 19% von ihnen ein geringes, 29% ein mittleres und ganze 39% sogar ein höheres Einkommen. Dementsprechend lauten auch die Antworten auf die Frage nach ihrer persönlichen wirtschaftlichen Lage: 21 % sagen „schlecht“ oder „weniger gut“, 71% sagen „gut“ und 8% „sehr gut“.
 

Es herrschen große Zukunftsangst und Wut

 
Die wissenschaftlich-soziologischen Umfragen zeigen ebenso wie die Nachwahl-Befragungen am gestrigen Sonntag in Deutschland, dass bei vielen Afd-Wählern die Angst vor sozialem und wirtschaftlichem Abstieg schon spürbar, aber nicht vorherrschend ist. Vorherrschend ist die Angst. Angst vor der Öffnung, Angst vor dem Fremden, Angst vor den Veränderungen im täglichen Leben, Angst vor der Unsicherheit – Angst vor der Zukunft. 
Aber die Arbeitslosigkeit wurde ja halbiert in Deutschland! Ja, aber die Jobs sind nicht mehr sicher, nicht mehr unbefristet, oft braucht man zwei davon, um überleben zu können und dann muss man da doch immer und jeden Tag was Neues dazulernen, um noch mitzukommen! Nur Stress.
 
In der U-Bahn wird kaum noch deutsch gesprochen, im Park lungern überall junge, fremde Männer herum, am Abend kann man sich als Frau nicht mehr sicher fühlen und an jeder Ecke wird man aufdringlich angebettelt. 
Dann diese ganzen Kopftuchweiber, überall Moslems, Fanatiker, Terroristen und Flüchtlinge. Denen zahlt man alles – Essen, Schlafen, Markenklamotten und Handy obendrauf, ohne dass sie auch nur einen Tag bei uns gearbeitet hätten und wir zahlen das. Und es werden immer mehr. Die Grenzen sind offen und hier machen sie ein Kind nach dem anderen. Bald gibt es gar keine richtigen Deutschen mehr. Aber das darf man ja alles nicht mehr laut sagen… 
 

Die richtigen Deutschen

 
Diese vox-populi-Zitate sind austauschbar, sie könnten – mit einigen regionalen Abänderungen – aus Frankreich, England, Italien, Österreich oder eben auch Südtirol stammen. Man nehme dann noch die als neue Sittenpolizei empfundene tägliche Kritik im Falle verletzter Gender- und political correctness-Regeln, die Homoehe und das Verbot von Schweinefleisch in der Schulkantine dazu und rühre heftig – dann ist der Frust komplett. 
Welcher Frust? Man könnte ihn als Entfremdung neuen Typs, als eine Art „Entheimatung“ bezeichnen. Alles ändert sich so rasant schnell, nichts Althergebrachtes, Gewohntes hat Bestand, nichts ist mehr sicher, niemand weiß wohin die Fahrt geht – und wer hat da eigentlich noch einen Kompass?
 
Dem halten die National-Souveränisten in Deutschland wie andernorts die Rückbesinnung auf die Nation, ja sogar auf die Rasse entgegen. So wenn etwa der frischgewählte Afd-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Richter Jens Maier aus Sachsen verspricht, die Afd werde kämpfen gegen "die Herstellung von Mischvölkern, um die nationalen Identitäten auszulöschen". Der siegreiche Spitzenkandidat Alexander Gauland, 27 Jahre lang CDU-Mann und Afd-Mitbegründer, sorgte mit einer Attacke gegen die Integrationsbeauftragte Aydan Özogu für Empörung. Weil sie die Forderung nach einer deutschen Leitkultur infrage stellte, rief Gauland vor jubelnden Anhängern: „Das sagt eine Deutsch-Türkin. Ladet sie mal ins Eichsfeld ein, und sagt ihr dann, was spezifisch deutsche Kultur ist. Danach kommt sie hier nie wieder her, und wir werden sie dann auch, Gott sei Dank, in Anatolien entsorgen können.
Die Flüchtlingsankünfte bezeichnete Gauland als „Landnahme“ und rief nach dem gestrigen Wahlsieg: „Wir werden uns unser Deutschland wieder zurückholen“. 
 

Deutsche Normalisierung oder Dammbruch?

 
Bisher galt Deutschland immer als beeindruckendes Vorbild was den Umgang mit der Verantwortung für seine Vergangenheit betrifft, für die Grauen von Naziherrschaft, Weltkrieg und Judenmord. In keinem anderen Land waren die Eliten aus Politik, Wirtschaft und Kultur so ehrlich bemüht, die Geschichte aufzuarbeiten und die folgenden Generationen durch Unterricht, Erziehung und einer „moralischen Impfung“ gegen das Wiederaufleben nationalistischer und menschenverachtender Ideologien zu immunisieren. „Nie wieder“ war in Deutschland niemals nur Parole, sondern tief verankerter gesellschaftlicher Konsens. War. Bisher. Das ist eigentlich das Erschreckende am Wahlerfolg der Afd. Denn was bedeutet das, wenn die Wiederkehr nationalistischen, rassistischen und völkischen Gedankengutes selbst in Deutschland wieder möglich ist, wenn im Bundestag nach nur 72 Jahren, wie Außenminister Sigmar Gabriel kürzlich sagte: „erstmals seit 1945 schon wieder echte Nazis am Rednerpult stehen“? 
So findet Gauland, man solle endlich wieder stolz auf die Leistungen der deutschen Soldaten in den beiden Weltkriegen sein dürfen. Der besonders radikale Björn Höcke bezeichnete das Holocaust-Mahnmal in Berlin ein „Denkmal der Schande“ – kein anderes Land würde sich so etwas in das Herz seiner Hauptstadt stellen. Und die Afd-Spitzenkandidatin Alice Weidel zeigte in einem mail, wo sie die Gefahr für das deutsche Volk ortet, nämlich bei den bisherigen Regierungen: „Diese Schweine sind nichts anderes als Marionetten der Siegermächte des 2. Weltkrieges und haben die Aufgabe das deutsche Volk klein zu halten.“ 
So findet Gauland, man solle endlich wieder stolz auf die Leistungen der deutschen Soldaten in den beiden Weltkriegen sein dürfen.
Wohlgemerkt stammen diese und viele ähnliche Aussagen nicht von sogenannten „Ehemaligen“, also von Alt-Nazis. Nein, das ist schon die Generation nach 1945, meist sogar die zweite – also jene Generation, die laut Helmut Kohl in den Genuss der „Gnade der späten Geburt“ gekommen ist, an den Nazigreueln also keine Mitschuld trägt. 
Die nicht selten vorgetragene Erklärung, Deutschland habe sich eben „normalisiert“, sei zu einem Land wie alle anderen geworden, ein Land das jetzt eben auch die politischen Phänomene so gut wie aller postindustriellen Gesellschaften hervorbringe, kann weder befriedigen und schon gar nicht beruhigen. Denn Deutschland - und in einem gewissen Ausmaß auch Österreich – sind eben in dieser Hinsicht keine Länder wie alle anderen und werden es auch niemals werden. 
 

Und jetzt? Was kann Jamaika?

 
Noch sitzt der Schock tief, die Aufrufe und Beteuerungen der anderen deutschen Parteien, alles zu tun, um Gründe und Ursachen für die Wut vieler deutscher Bürger zu beseitigen, klingen ehrlich, aber auch besorgt. Denn was sollen, was können sie jetzt konkret tun?
Die Union aus CDU/CSU (knapp 33%) hat fast 9 Prozent verloren, das schlechteste Ergebnis seit 1949. Eine Million ihrer bisherigen Stimmen gingen an die Afd. Angela Merkel war für die Protestwähler die Hauptverantwortliche aller Übel. Wegen ihrer Flüchtlingspolitik, wegen der Homoehe, der Griechenlandhilfe etc. Aber auch in den eigenen Reihen und vor allem aus Bayern kommen jetzt wieder der Ruf und die Forderung, sich stärker auf stramm konservative Werte zu besinnen. „Wir müssen wieder die rechte Flanke schließen“ verkündete CSU-Chef Seehofer gestern in bester Franz-Josef-Strauss-Diktion. Dabei hat gerade die CSU in Bayern mit ihrer Afd-nahen Politik in Fragen Flüchtlinge, Integration und Muslime sage und schreibe 11% ihrer Stimmen verloren! Viele bürgerliche Wähler hat sie vertrieben und viele Wutbürger sind lieber gleich zum Afd-Schmied gelaufen als zum CSU-Schmiedl.
 
Die SPD (20,5%) hat 5,2% verloren – das schlechteste Ergebnis seit 1945 – und eine halbe Million Stimmen an die Afd abgeben müssen. Sie geht zu Recht in die Opposition und will dort als Bollwerk gegen die Zersetzung der Demokratie kämpfen. 
Das zwingt die siegreiche FDP, die mit 10,7% glorreich nach vier Jahren wieder in den Bundestag zurückkehrt und die Grünen (8,9%), die entgegen allen Befürchtungen, ihren Stimmenstand halten konnten, zu einer Koalition mit der Union, der sogenannten Jamaika-Koalition (nach der schwarz-gelb-grünen Nationalflagge der Karibik-Insel). In Wirklichkeit wird das eine Vier-Parteien-Koalition. Bisher konnte die dominante Mutter der Nation Merkel gegenüber der SPD ein bedachtes Koalitionsspiel von Geben und Nehmen praktizieren. Der Kompromiss ist ja ihre Stärke. Wie sie als Chefin und Vermittlerin einer zukünftigen Regierung die zu erwartenden, noch stärkeren Rechtsdrall-Wünsche einer CSU mit den in Sachen Migration, Polizei und Datenschutz libertären (in Südtirol würde man sagen „garantistischen“) Grünen und zum Teil auch FDP (Überwachung und Datenschutz) unter ein Dach bringen will, bleibt fraglich. Dann wird es sich zwischen Grünen und FDP ganz heftig beim Klimaschutz und der Sozialpolitik spießen. Und last but not least wird die FDP bei aller Pro-EU-Haltung den Plänen von Merkel und Emmanuel Macron zu einer Vertiefung der Eurozone mit einem eigenen Budget plus EU-Finanzminister eine derbe Abfuhr erteilen. 
 

„Ein Land, in dem wir gerne und gut leben“

 
So lautete der Wahlslogan der CDU. Altersarmut wegen zu niedriger Pensionen, Kinderarmut (jedes 5. Kind ist davon bedroht), 4,5 Millionen Hartz-IV-Empfänger und die 20,7% „atypisch Beschäftigten“, also fast 9 Millionen Teilzeit- oder prekär Beschäftiger, zeigen: vom enormen Wirtschaftsboom des Exportmeisters Deutschland profitieren rund 80 Prozent der Menschen, das übrige Fünftel kaum oder gar nicht. 
Und gerade angesichts des Afd-Wahlsieges werden sich alle Deutschen, aber vor allem die bisherigen Regierungsparteien CDU/CSU und SPD, die Frage stellen müssen, warum sie die gewaltsamen Übergriffe gegen Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte nicht ernst genug genommen haben. Im Jahr 2016 waren die polizeilich bekannten 3.533 (mehr als 9 pro Tag!) mit 560 verletzten Menschen, darunter 43 Kinder. Abgesehen von ihrer erschreckenden Niedertracht, hätten diese Übergriffe seit langem ein unüberhörbares Alarmsignal sein müssen. Vielleicht weckt der gestrige Wahlschock ja doch noch die Immunkräfte und mobilisiert Politik, Medien und die Zivilgesellschaft.
 
 

 
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gorgias Mo., 25.09.2017 - 19:29

Hier werden falsche Rückschlüsse gezogen. Wer zu Zeiten des NS-Regimes Mitglied der NSDAP war ist noch lange kein überzeugter Nazi. Die NSDAP ist keine Kaderpartei in der man auf Magen und Nieren in seiner weltanschaulichen Standfestigkeit überprüft wurde. Jeder der irgendwo eine Stelle als Hausmeister in einem öffentlichen Gebäude oder sonst was wollte, trat der NSDAP bei. Eine Kader-Funktion hatten im dritten Reich andere Organisationionen wie die SS.
Jene die nicht der NSDAP beitraten vielen schon fast mehr auf als jene die es nicht taten.

Wer jetzt der AfD beitritt muss zumindest keine Kontaktscheue gegenüber dem rechten Rand des politischen Spektrums haben. Ich würde dir das Ö1 Mittagsjournal von heute empfehlen, dort wird von einem rechten und einem rechtsextremen Flügel gesprochen. Das muss nicht ganz stimmen, doch die AfD ist zumindest grenzwertig. Es ist nicht mehr die Partei von Henkel und Lucke.

Mo., 25.09.2017 - 19:29 Permalink
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Ludwig Thoma Mo., 25.09.2017 - 21:04

"Leider wird von vielen Journalisten nicht erkannt, dass Rassismus, Konservatismus, Rechtsextremismus und Schwulenfeindlichkeit nicht dasselbe sind und so wird alles in einen Topf geworfen." Genau, und dieser Topf heißt dann Afd. Oder in was für einer Partei findet man sonst Leute die gern stolz auf die Leistungen der Wehrmacht wären, den Begriff völkisch wieder gern positiv besetzen möchten und gegen die sexuelle Selbstbestimmung, gegen den Equal-pay-day und alles was irgendwie mit Islam und Zuwanderung zu tun hat, sind?
Klar fühlen viele konservative Wähler von der Politik Merkels nicht vertreten. Aber wenn mir in der Kneipe das Bier nicht mehr schmeckt, dann sehe ich keinen Grund deswegen aus der Toilette zu trinken.

Mo., 25.09.2017 - 21:04 Permalink
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Julian Nikolau… Mo., 25.09.2017 - 23:36

1. Die große Niederlage der SPD ist, finde ich, nicht zuletzt ein Produkt der medialen Bewusstseinsindustrie: Während die richtungsweisenden Medien den Hype um seine Person z.T. unkritisch unterstützt oder gar befördert haben, fiel Schulz im Frühjahr in "Ungnade". Seitdem wurde permanent von der Langweile und Inhaltslosigkeit des Wahlkampfes gesprochen und von der Unausweichlichkeit von Merkel. Bis das alle verinnerlicht haben. Erst im letzten Moment scheinen einige der großen Blätter - so die SZ - in den gebremsten Schulzzug eingestiegen zu sein und haben von Schulz als "Bewahrer der Würde" der Wahl berichtet.

2. Gut möglich, dass es mittel- oder langfristig zu einem Annäherungsprozess zwischen CDU, FDP und AfD kommt: Die beiden etablierten Mitterechtsparteien könnten dabei getrieben werden von der Angst um ihre Wählerschaft, die AfD vom Willen, immer mehr in die Mitte zu greifen. Eine Symbiose scheint derzeit natürlich ausgeschlossen, aber: Die AfD könnte den kulturpolitischen, die FDP den wirtschaftspolitischen Trend vorgeben, mit der großen schwarzen Mitte als Ausgleicherin, Verwalterin und (leisem) sozialem Gewissen. Bereits lange vor diesen Wahlen gab es informelle Treffen zwischen CDU und AfD, und besonders bei jüngeren Christdemokraten steht Merkels Abgrenzungskurs auf Sand. Diese Jüngeren werden die Partei aber bald prägen, ein interner Rechtsruck ist wahrscheinlich. Zudem wird die "Alternative" sich gewiss - wenigstens in Teilen - normalisieren, sobald sie im parlamentarischen Prozess agiert.

3. Historisch herausgefordert ist die gesellschaftliche Linke, in Deutschland immer noch (wie eh und je) in der strategielosen Defensive. Wenn die jüngere SPD-Geschichte eines gezeigt hat, dann, dass die Anbiederung der Partei an Kapital und Konservativismus allen nützt nur nicht der Sozialdemokratie. Alle Versuche, die SPD neoliberal zu gestalten, sind gescheitert. Die Antwort muss ein überzeugtes und überzeugendes Bekenntnis zum "demokratischen Sozialismus" sein, überhaupt der Mut, dieses Wort seit den 1990ern wieder in den Mund zu nehmen. Im Grunde muss auch die Linke endgültig über ihren Schatten springen und mit der SPD debattieren, wie eine soziale Alternative zum Rechtsruck strukturell, parteilich organisiert werden kann. Bei den linken Grünen könnte (im Falle einer Regierungsbeteiligung) eine solche Entfremdung von ihrer Partei anwachsen, dass sie ihr den Rücken kehren und sich dem rot-roten Lager zuwenden. Das würde frischen, liberalen Wind bedeuten im grauen Staub (SPD) und Mief (DDR-Reste in der Linken) die Rot-Rot teilweise durchziehen. Klar - das ist Zukunftsmusik, sehr phantastische dazu, aber eine m.E. wünschenswerte.

Mo., 25.09.2017 - 23:36 Permalink
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Profil für Benutzer Julian Nikolaus Rensi
Julian Nikolau… Mo., 25.09.2017 - 23:51

Zugegeben, ich würde mir nicht zutrauen sowohl Nationalist als auch nicht-islamophob zu sein - passt doch der Islam nicht ins Konstrukt der abendländisch-christlich-(wenn kein Antisemitismus vorliegt: auch jüdischen) deutschen Nation, das der Nationalist zur Richtschnur seines Handelns erhebt. Wie dem auch sei...
Jedenfalls eine romantische Vorstellung, dass die AfD alles, woran ihr liegt, ins öffentlich einsehbare Programm aufnimmt. Dabei zeigt sich doch vermehrt, dass sich hinter der angeblich konservativen Fassade eine ganz andere Fratze verbirgt; vieles wird im "Geheimen" besprochen, taucht dann aber durch Missgeschick oder als bewusste Provokation auf, ich erinnere an Weidels Emailverkehr. Sie scheinen mir Petrys Standpunkt zu vertreten, wonach die Höckes die Fremdkörper in der Partei sind. Die realen Machtverhältnisse zeigen, dass es wohl genau umgekehrt ist. Petry ist Wackelkandidatin, nicht Höcke und nicht Gauland.

"Konservativ sein" - das ist wohl nur noch zum Vorwand verkommen, endlich mal die Sau rauszulassen und das wählen, was man immer wollte: rechts. Ich zuerst, dann die anderen!

Mo., 25.09.2017 - 23:51 Permalink
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Profil für Benutzer Ludwig Thoma
Ludwig Thoma Di., 26.09.2017 - 17:59

Lesen Sie mal hier:
http://www.faz.net/aktuell/politik/bundestagswahl/hetze-in-afd-kreisver…

Da schreibt einer doch tatsächlich „Die nächste Phase im Krieg gegen dieses widerwärtigste System das je auf deutschem Boden existierte nimmt nun ihren Anfang.“
Und: „Die in ihrer Niedertracht und Abartigkeit alles in der Menschheitsgeschichte bisher je Dagewesene übertreffenden Gestalten aus dem bundesrepublikanischen Establishment werden in einer vereinigten Front aus Blockparteien, Journaille und Staatsapparatschiks alles in ihrer Macht stehende tun, die AfD an ihrer wichtigen Arbeit zu hindern und die Partei aufzureiben. Jeder noch so hinterhältige Trick wird zum Einsatz kommen, jede noch so dreiste Lüge wird ersonnen werden um die AfD zu vernichten. Doch werden wir uns nicht davon aufhalten lassen unsere Mission zum Wohle des Deutschen Volkes fortzuführen.“
Auch dass man unbequeme Zeitgenossen "entsorgen" möchte, steht nicht im Programm, wurde aber so gesagt.

Menschen die auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, sagen und schreiben solche Sachen nicht, ja sie denken sie nicht mal. Parteien die auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, schließen solche Leute aus. Oder habe ich da mangels Intellekt bzw. Reflexionsfähigkeit wieder was falsch verstanden?

Di., 26.09.2017 - 17:59 Permalink
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Stefan Wedra Mi., 27.09.2017 - 18:54

NPD, Republikaner, DVU Sie stiegen alle stark ein und sind an der politischen Realität und am demokratischen Konsens gescheitert. Bei der AfD wird es nicht anders sein. Die Selbstkannibalisierung hat schon vor der Bundestagswahl begonnen. Der Austritt der Parteivorsitzenden erst aus der Franktion, dann aus der Partei ist nur Kapitel 1 nach der Bundestagswahl. Das Problem von Populisten ist, dass sie keine positive politische Perspektive bieten. Da sie keinen Beitrag zur konstruktiven Lösung der Probleme des Landes bieten, haben sie genug Zeit, sich gegenseitig in die Pfanne zu hauen. Mal sehen, wer in zwei Jahren von denen noch am Tisch sitzt. Man könnte ja ein Kinderlied umdichten: "Zehn kleine AfDerlein ..."

Mi., 27.09.2017 - 18:54 Permalink
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Profil für Benutzer Karl Trojer
Karl Trojer Do., 28.09.2017 - 17:11

Nicht die AfD verdient viel Aufmerksamkeit, sondern die Probleme, die zu ihr führten / führen. Je umfassender über Extremismen in Medien berichtet wird, umso wichtiger und glaubwürdiger erscheinen sie einer breiten Öffentlichkeit, Besser erschiene es mir zu sein, sie zu ignorieren und sich ernsthaft mit den Ursachen und ihren Lösungen zu befassen.

Do., 28.09.2017 - 17:11 Permalink