Politik | Aus dem Blog von: Benno Kusstatscher

Wir DÜRFEN wählen!

Wir Südtiroler und Trentinerinnen dürfen am Sonntag wählen. Müssen. Müssen, weil es vielen von uns gar nicht leicht fällt, uns zu entscheiden. Und in Belluno? Dort wird die Bevölkerung kommissarisch verwaltet. Wahlen sind dort ein Traum.

Viele werden nicht aus Inbrunst und Überzeugung eine bestimmte Partei ankreuzen, sondern aus reiner Bürgerpflicht der Partei des geringsten Übels ihr Kreuzchen geben.  Was haben wir uns über die „Unwählbarkeit“ gewisser Parteien, über Visionslosigkeit der anderen, über Vetternwirtschaft, Nicht-Erneuerung, mediale Über- und Unterpräsenz geärgert, uns gar mit märchenhaftem Humor in die Position der Nichtwähler geflüchtet. 

Und doch: wir *dürfen* wählen. Landtagswahlen sind bei uns ein selbstverständliches Bürgerrecht. Selbstverständlich im Herzen Europas? Selbstverständlich im demokratischen Italien? Von wegen! Unsere direkten Nachbarn, die Belluneser dürfen nicht. Sie werden seit zwei Jahren auch nicht von einer gewählten Landesregierung verwaltet, sondern von Nicht-Bellunesern kommissarisch verwaltet. Stellt euch vor, wir wären lethargisch auf Gedeih und Verderb den Taten und Unterlassungen des Herzogparks ausgesetzt!  Wie schön haben wir es doch, wenn wir als freie Wähler über alten und neuen Landeshauptmann wettern dürfen, und dann aus freien Stücken immer wieder dieselbe Partei wählen dürfen.

Vor einem Jahr sind die Belluneser auf die Straßen gegangen. Unter dem Motto „Salviamo la Provincia di Belluno“ wollten sie die Selbstständigkeit ihrer Provinz, etwas Autonomie und vor allem endlich neue Wahlen erzwingen.

Der große Traum, gleichzeitig mit uns am 27. Oktober 2013 zu den Urnen schreiten zu dürfen, hat sich nicht erfüllt. Nur konsequent, dass die Interessensvertretung der belluneser Provinz/Autonomie, der BARD, am morgigen Samstag erneut zu einer Kundgebung aufruft, dessen leicht verändertes Motto die neue Realität auf den Punkt bringt: „Seconda Giornata dell’Autonomia e della Democrazia“. Man fühlt sich nicht nur um die Autonomie betrogen, sondern um die Demokratie insgesamt. Welche Transparente würden wir zum Herzogspalast tragen?

 

 

Wie letztes Jahr werden morgen Abend auf den belluneser Gipfeln Bergfeuer brennen. Keine Sonnwendfeuer. Keine nostalgischen Herz-Jesu-Feuer. Keine 1.-August-Nationalstolzfeuer wie in der Schweiz. Sondern Feuer für ein tiefst demokratischen Grundrecht: Wahlen!

 

 

Doch halt. Bevor ich es unterschlage: In zwei belluneser Gemeinde dürfen die Bürger am Sonntag abstimmen: in Quero und in Vas. Zwei Gemeinden im Süden der Nochprovinz sind nämlich zu teuer. Die Bürger werden genötigt, der Zusammenlegung ihrer beiden Gemeinden zuzustimmen.  

Was mich angeht, werden meine Gedanken am Samstag im Belluno sein, und könnte ich am Sonntag meine Stimme der bellunser Autonomie widmen statt einer unserer langweiligen Parteien, ich würde sie mit Inbrunst und Überzeugung geben.