Chronik | Kaufhaus Bozen

Plädoyer für ein Bahnhof-Bozen-Einkaufszentrum!

Es ist für Bozen eine große Chance, dass René Benko ein solches Interesse am Busbahnhofareal hat und es wäre fahrlässig, diese Chance nicht adäquat zu nutzen.
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Zum Jahresbeginn 2015 konnte man sich an drei Freitagabenden in der EURAC im Rahmen einer öffentlichen Debatte viele externe Meinungen aus den verschiedensten Blickwinkeln zur geplanten Busbahnhofsbebauung anhören. Nun liegt es in der Natur dieser Veranstaltungen, dass sich die Referenten vorwiegend kritisch bis ablehnend zu einem solchen Projekt äußeren und es war sicherlich auch nicht sehr überraschend, dass das Zuschauerinteresse angesichts der mitunter doch recht anstrengenden Fachbeiträge eher sehr gering war. 

Wichtig war diese Diskussionsinitiative, die vom Kandidaten der 5SB für das Bozner Bürgermeisteramt Rudi Rieder ins Leben gerufen wurde, allemal, denn es gehören bei solch einem demokratischen Prozeß grundsätzlich alle Meinungen gehört. Es war auch nicht verwunderlich, dass die Referenten überwiegend Bedenken geäußert haben und so gut wie niemand das Benko-Kaufhaus befürwortete. Und wer bis dahin nicht sowieso schon latenter Gegner des Projektes war, dem konnte man es nicht verübeln, wenn ihn die vielen Argumente der zu erwartenden Nachteile nun vollends auf die Seite der Kaufhausgegner gezogen hätten. Das mag man tendenziös oder auch manipulativ nennen, aber das sind die Informationsveranstaltungen des Innsbrucker Investors im Showroom des Palais Menz ja schließlich irgendwie auch.

Ich persönlich kann Einkaufszentren nicht ausstehen (halte sie aber für notwendig) und besuche sie ausschließlich zu Studienzwecken, ohne dabei jedoch etwas käuflich zu erwerben. Den Referenten, die in der EURAC gesprochen haben, dürfte es wohl ähnlich gehen wie mir, vielleicht jedoch mit einem wesentlichen Unterschied: Ich akzeptiere die Existenz von Einkaufszentren und sehe in ihnen mehr Chancen als Risiken, insbesondere für die Bozner Innenstadt und das angedachte Busbahnhofareal und ich male mir dabei oft und gerne folgendes Szenario aus:

"Im Jahre 2018 fahren drei Mütter mit ihren Töchtern regelmäßig jeweils von Schlanders, Innsbruck und Trento mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ins Signa-EKZ, das sie trockenen Fußes -weil unterirdisch angebunden- bequem und sicher erreichen. Dort finden sie auf gut 30.000 m² die ganzen Geschäfte zum Shoppen, die sie an einem solchen Ort zu Recht erwarten: nämlich die globalen Ketten, die derzeit sowieso schon jede mitteleuropäische Fußgängerzone verramschen.  (H&M, Zara, Deichmann, Tally Weijl... etc. etc. etc.)

Beim vierten Besuch bemerken sie am Ende der Ladenpassage die große Glasfassade zum Waltherplatz und machen sich nun auf, die Innenstadt zu erkunden. In den Lauben entdecken sie viele weitere, ihnen völlig unbekannte kleine und mittlere Geschäfte, die sich jedoch in Qualität und Charakter deutlich und wohltuend vom China-Ramsch im Signa-EKZ abheben, denn es sind regionale Anbieter. Es hat ein erfreulicher Sortierprozeß stattgefunden: Der Ramsch ist aus den Lauben raus ins EKZ und die Qualität ist größtenteils wieder zurückgekehrt ins altehrwürdige Quartier. Die kleinen Einzelhändler können sich dort nun auch die Mieten endlich wieder leisten, nachdem Benko durch seinen Neubau das Angebot an Einzelhandelsfläche enorm erweitert und damit die Macht der Laubenkönige eingeschränkt hat." 

Meines Erachtens wird ein innerstädtisches Einkaufszentrum in Bozen ein großer Erfolg werden, wenn die Stadt ein Pflichtenheft mit folgenden Rahmenbedingungen einfordern und deren Einhaltung (und zum Teil auch Finanzierung) als Voraussetzung für die Erteilung einer finalen Baugenehmigung machen würde:

1) Unterirdische Verknüpfung von Busbahnhof mit Zugbahnhof und dem Eingang EKZ in unmittelbarer Nähe zueinander (maximal 1-2 Minuten Fußweg)

2) Bauliche und gestalterische Wegeführung mit Zielpunkt Waltherplatz zur Ausnutzung der Magnetwirkung des EKZ  für die Innenstadt.

3) Förderung des Einzelhandel-Sortierprozesses (Ketten => EKZ; lokale Händler=> Lauben)

4) Forderung einer kleinteiligen Modulbebauung mit individuellen Baukörpern (siehe z. B. "Fünf Höfe" in München) und jeweils separater Gestaltung zur gestalterischen Auflösung des wuchtigen, ungegliederten Baukörpers aus dem Chipperfield-Entwurf.  

Es ist eine große Chance, dass der Tiroler Investor René Benko ein solches Interesse an dem Busbahnhofareal hat und es wäre fahrlässig, diese Chance nicht adäquat zu nutzen. Hierbei braucht man nun weder willenlos ergeben dem Benko-Fanclub beizutreten und zu glauben, dass Südtiroler Baufirmen und Handwerker dabei groß verdienen werden, denn das werden sie sicherlich nicht. Genauso wenig ist es zielführend, in den Chor der Bedenkenträger einzustimmen, der reflexartig alles ablehnt, was zu Konsum führt. 

Vielmehr ist es hilfreich, öffentliche Forderungen zu stellen und mit dem privaten Bauvorhaben in Einklang zu bringen. Normalerweise zieht man hierfür als Bürgermeister eigentlich einen Masterplan aus der Schublade und reibt sich die Hände über den Glücksfall. Dass es in Bozen leider anders herum läuft ist zwar schade, aber es ist trotzdem noch lange nicht zu spät, die Weichen für eine weitsichtige Stadtplanung richtig zu stellen.

Packen wir's deshalb weiterhin gemeinsam an und nutzen wir diese möglicherweise einmalige städtebauliche Chance für Bozen!  

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Profil für Benutzer Sebastian Felderer
Sebastian Felderer Do., 12.02.2015 - 16:27

Kann Harry dasselbe Kompliment machen. Bin dieser Sache nicht so nachgegangen, doch Gedanken aus urbanistischer und verkehrstechnischer Sicht mache ich mir trotzdem. Der Wettstreit Benko-Oberrauch hat mich eigentlich gestört und fürchte, dass auch in Zukunft Störmanöver von der Verliererseite in das Projekt eingeschleust werden. Was mir am meisten fehlt, ist die totale Anbindung des Zug-Bahnhofes, gerade weil auch dort mit dessen Verlegung entscheidende Veränderungen im Zentrum von Bozen stattfinden. Selbst die Aufwertung des Bozner Bodens und die Trientstraße spielen bei einer solchen Kaufhaus-Kubatur eine Rolle. Deshalb sollte sich Benko und vor allem aber die Stadt Bozen bewusst sein, dass hier etwas ganz Großes und Entscheidendes für Bozen ins Rollen gebracht wird. Ein Einkaufszentrum solchen Ausmaßes verändert Bozen in allen Bereichen.

Do., 12.02.2015 - 16:27 Permalink
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Profil für Benutzer Harry Dierstein
Harry Dierstein Fr., 13.02.2015 - 09:35

Herzlichen Dank für die freundlichen Komplimente.
In der Integration des Mobilitätszentrums (in Chipperfiels Entwurf leider derzeit komplett ignoriert) sehe ich einen sehr wichtigen Kernaspekt für ein schlüssiges Gesamtkonzept von Benkos Einkaufszentrum. Dann wird es auch zu keinem Verkehrsinfarkt kommen, denn die Kunden haben ja die Möglichkeit, das EKZ bequem und sicher mit Bus und Bahn zu erreichen.

Dieses Alleinstellungsmerkmal macht mich auch zu so einem großen Fan von Benkos Projekt, denn welches Einkaufszentrum kann im Untergeschoss schon mit Bus- und Gleisanschluß punkten? Damit hebt es sich auch von den anderen Bozner EKZs, die es ja auch gibt, so wohltuend ab, denn diese können fast ausschließlich nur mit dem Auto erreicht.

Ein klassisches "Kaufhaus" (fünf offene Geschosse und ein Betreiber) wäre übrigens Gift für eine kleine Stadt wie Bozen. Benko hingegen plant aber ein "Einkaufszentrum" mit fremdvermieteten Einzelhandelsflächen und einem strategischen Branchenmix samt übergreifendem Centermanagement. Und darin sehe ich in der Tat eine große Chance für Bozen, gerade wegen des zu erwartenden Sortierprozesses in den Lauben. (Der Oberrauch und die anderen Laubenkönige jetzt schon so sehr zittern läßt, weil dort dann die Mieten nämlich ordentlich sinken werden. )

Fr., 13.02.2015 - 09:35 Permalink
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Lorenz Brugger So., 15.02.2015 - 11:40

Ich würde mir ja ebenfalls wünschen, dass es so läuft. Jedoch zeigen andere Städte, dass dieser Sortiereffekt im Einzelhandel nicht wirklich einritt und nebenbei auch nicht unbedingt gewollt sein kann. Wir sprechen in Europa ja gerne von Durchmischung. Diese wird durch ein EKZ eher verhindert, was bedeutet: soziale Schichten grenzen sich voneinander ab. Der besserverdienende wird sich also niemals in dieses EKZ begeben, er geht weiterhin in seine in der Innenstadt gelegenen High End Shops, lässt sich dort fachlich gut beraten und trinkt seinen Kaffee im Stadtcafe am Waltherplatz. Die weit weniger finanzstarken gehen ins EKZ, kaufen dort t-shirts für 3 euro das Stück und verbringen dann ihren restlichen Tag in den dort angesiedelten Kaffehaus-Ketten um am Ende wieder ins Auto oder in den Bus zu steigen und nach Hause zu fahren. Die Mittelschicht sucht sich heute schon die Alternativen anderswo in der Stadt und findet sie spärlich in der Bio-Bewegung und alternativen Geschäftskonzepten. Das ist leider die Realität. Ich wünschte, es wäre so, wie sie es sagen, aber nicht nur deutsche Städte zeigen, dass sich die gesellschaftlichen Schichten schlicht voneinander trennen, anstatt sich aufeinander zu zu bewegen.

Das alles hat auch damit zu tun, dass das EKZ alles bietet was man braucht: es ist einfach nicht mehr nötig, woanders hin zu gehen. Und wir wissen wie bequem Menschen sein können. Daneben ist es so organisiert, dass man als Besucher in eine Welt eintaucht, die sich nach außen hin abschottet. Das tun im Übrigen die 5 Höfe auch. Auch wenn sie öffentlich sind, wirklich urbane Aufenthaltsqualität bieten sie nicht, was man auch daran sieht, dass sich in diesen Aufenthaltsbereichen kaum jemand aufhält. Sie sind schön gestaltet, mehr leider auch nicht. Daneben sind die 5 Höfe als EKZ für die besserverdienenden anzusehen ist, ramschketten finden sich dort ja eher weniger. Der Vergleich hinkt deswegen meiner Meinung nach. So eine 5-Höfe Kopie ist auch rein städtebaulich an dieser Stelle wohl nicht das richtige, eher wie sie sagen die kleinteilige Bebauung mit Baukörpern, die unabhängig voneinander sind, das erleichtert im Übrigen auch eine Nach- bzw. Umnutzung im Falle eines Misserfolges des EKZs.

Am Ende bin ich der Meinung, dass EKZs in der heutigen Form grundsätzlich schwierig in Städten zu integrieren sind. Aber auch ich glaube, dass man durch eine Öffnung und eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Thema Einzelhandel etwas schaffen kann, dass sowohl einem Investor als auch der Bevölkerung gerecht wird. Dabei liegt der Ball immer bei der Stadt und den Entscheidungsträgern, die sich weit im Vorfeld damit befassen müssen, was mit solchen Entwicklungsflächen passieren soll.

Alles auf Anfang wäre mein Wunsch: Die Stadt beauftragt UNABHÄNGIGE Fachplaner zur Analyse und Bewertung der Stadt Bozen und lobt im Anschluss daran einen Wettbewerb aus, der auf Grundlage dieser neutralen Bewertung ganz klare Rahmenbedingungen vorgibt, was mit diesem Busbahnhofsgelände passieren soll. Dabei ist es wichtig, und da sind wir glaub ich einer Meinung, unvoreingenommen zu sein: d.h. wenn es Einzelhandel braucht, dann findet dieser auch Einzug in die Rahmenbedingungen, wenn nicht, dann eben nicht.

So., 15.02.2015 - 11:40 Permalink
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Salto User
Margot Wittig Mo., 16.02.2015 - 11:37

Antwort auf von Lorenz Brugger

Harry Dierstein, wenn man einen Beitrag liefert, der anscheinend objektiv sein will, dann sollte man auch wirklich auf dem Boden der Realität bleiben und nicht Wunschträume als Tatsachen darstellen:
Wenn die internationalen Ketten aus den Geschäften der Innenstadt in das neue Einkaufszentrum ziehen, dann kann nicht davon ausgegangen werden, dass in diese Geschäften wieder attraktive Läden mit regionalen Produkten einziehen: Beispiele aus anderen Städten mit ähnlichen Voraussetzungen sprechen genau vom Gegenteil: die Kaufkraft kann nun einmal nicht verdoppelt werden. Wenn die Besucher, die über die bequemen Parkplätze unter dem EZ und evtl. auch noch über die Bahn in das Einkaufszentrum kommen und dort ihr Geld ausgeben, dann bleibt für restliche Läden in der Stadt kein Geld mehr übrig! Sofern sie überhaupt noch den zusätzlichen Weg dorthin in Kauf nehmen (Untersuchungen haben ergeben, dass der maximale Fußweg, den Käufer bereits sind, zu gehen ca 500 m ausmacht = Wege im Einkaufszentrum)
Da können vielleicht noch die Lauben und eine Museumsstrasse überleben, in den weiteren Vierteln Bozens, von der Freiheitsstrasse bis zum Grieserplatz oder dem Matteottiplatz, von Casanova gar nicht zu sprechen, werden die Läden, die heute noch offen sind, definitiv zusperren müssen. Das sollte man den Bürgern Bozens nicht zumuten. Sie haben es nicht verdient, dass man ihre Viertel zu Schlafstätten verkommen lässt. Der Masterplan von 2009, der in ganz Italien mit viel Stolz herumgereicht wurde, spricht eine andere Sprache: Bozen soll eine polyzentrische Stadt werden, die verschiedenen Stadtviertel in ihren Eigenheiten gestärkt und durch einige interessante Strukturen aufgewertet und insgesamt durch die grüne Achse der Flüsse verbunden werden. Weiters wurde gefordert, dass das historische Zentrum nicht durch zusätzliche Strukturen mit weiterem Verkehr belastet werden dürfe: alles sehr sinnvolle, nachhaltige Forderungen, die nun in kleinen Schritten durchgeführt werden müssten.
Außerdem sollte man hier wirklich unparteiisch sein und Ausdrücke wie „die Macht der Laubenkönige“ vermeiden:
ich will nicht die Besitzer der Laubenhäuser verteidigen, aber mir liegt sehr wohl daran, dass diese Häuser auch weiterhin einen sehenswerten Teil der historischen Altstadt Bozens ausmachen: die Besitzer eines solchen Gebäudes haben nicht nur ziemlich hohe Abgaben zu bezahlen, sondern müssen auch regelmäßig außerordentliche Instandhaltungsarbeiten durchführen. Nun sind ihnen in den letzten Jahren bereits durch ein unglückliches Gesetz die meisten Büromieten entfallen und sie können diese Räume in den ersten beiden Stockwerken nur mehr durch Billigstmieten an mittellose Mieter vermieten. Sollten auch noch die Ketten ausziehen und wieder Mieter nachkommen, die nur geringe Mieten zahlen können, dann läuft man Gefahr, dass diese Strassen zunehmend verkommen (siehe viele Städte im In-und Ausland)
Noch ein Argument stimmt nicht mit den Tatsachen überein:
ein attraktives Kaufhaus wie z.B. Kastner und Öhler in Graz, kann, wenn es direkt im Stadtzentrum angesiedelt ist, sehr wohl die umliegende Geschäftszone beleben. Und hier warten bereits ein paar Projekte in Bozen auf den Schreibtischen.
Auch Vergleiche mit dem Kaufhaus Tyrol in Innsbruck hinken, da dieses mitten in einer Geschäftszone eine bereits bestehende kommerziell genutzte Struktur nur ersetzt hat. Da hat die Neugestaltung der Maria Theresienstrasse mehr an der Aufwertung der Innsbrucker Innenstadt beigetragen.
Ein Einkaufszentrum in einer Randzone, wie es das EZ in der Perathonerstrasse wäre, bringt sich hingegen als Konkurrenz ein, da hier vorher keine kommerzielle Tätigkeit untergebracht war.
Zum Abschluss noch eine Bemerkung zu Beiträgen im Allgemeinen:
wenn auf einer seriösen Plattform wie salto Beiträge geschrieben werden, wäre es wünschenswert, dass die Verfasser sich nicht hinter Pseudonymen verstecken, um Bemerkungen einzubringen, die teilweise unter der Gürtellinie liegen....

Mo., 16.02.2015 - 11:37 Permalink