Società | Straßenzeitung

Im Schatten von Salvini

Der fünfjährige Geburtstag der Straßenzeitung zebra. wird von der “legge Salvini” überschattet. Einige Zeitungsverkäufer sind direkt von den Auswirkungen betroffen.
zebra.-Jahrestreffen
Foto: oew

Fünf Jahre wären eigentlich ein Grund zu feiern. Den hat man bei der Organisation für Eine solidarische Welt auch: Seit fünf Jahren erscheint die Straßenzeitung zebra. – und sie floriert. Die Auflage konnte inzwischen auf 14.000 Exemplare im Monat gesteigert werden. Zugleich aber gibt es Anlass zur Sorge: Die Auswirkungen der “legge Salvini” betreffen auch zebra. – und zwar direkt.

 

Müssen sie gehen?

Sie sind zwischen 18 und 66 Jahre alt und kommen aus Nigeria, Rumänien, Marokko, Bangladesch, Indien, Libyen, Äthopien, Bulgarien, Burkina Faso, Deutschland, Guinea Bissau, Iran, Italien, Moldawien, Pakistan, Somalia und Südtirol. Neun Frauen und 58 Männer arbeiten mittlerweile für die oew als zebra.-Verkäufer. Anfang der Woche traf man sich in Brixen, um gemeinsam Bilanz zu ziehen und den violetten zebra.-Ausweis für 2019 abzuholen, an dem die registrierten Verkäufer der Straßenzeitung zu erkennen sind.

Einer von ihnen ist Geofferey Onudu. 2011 flüchtete der heute 35-Jährige über das Mittelmeer nach Italien, wo er bei seiner Ankunft humanitäres Asyl erhielt. In Leifers arbeitete Onudu zeitweise in einem landwirtschaftlichen Betrieb, eine Festanstellung hat er bislang aber nicht gefunden und schlägt sich mit dem Verkauf der Straßenzeitung durch. Wie zehn andere zebra.-Mitarbeiter ist Onudu direkt von der “legge Salvini” betroffen.

 

Sozialprojekt reicht nicht für Visum

Bekanntlich ist mit der umstrittenen Gesetzesänderung – initiiert als “decreto sicurezza” von Innenminister Matteo Salvini – Ende vergangenen Jahres der humanitäre Schutztitel für Asylsuchende massiv eingeschränkt worden. Wer ihn noch führt, kann ihn bis zum Ablauf seiner Aufenthaltsdauer in ein Arbeitsvisum umwandeln. Dazu muss aber ein Anstellungsverhältnis oder ein Mindesteinkommen als Selbständiger nachgewiesen werden. Ansonsten droht die Abschiebung. “Die schriftliche Vereinbarung mit der oew bzw. zebra., die ihre Verkäufer als Sozialprojekt registriert, aber nicht offiziell anstellt, reicht für ein Arbeitsvisum nicht aus”, heißt es von der oew.

“Einige in der Gruppe müssen um ihren Aufenthaltstitel bangen”, bringt es Alessio Giordano die Sorgen auf den Punkt. Er arbeitet bei der oew als Street Worker und Berater und hält Kontakt mit den zebra.-Verkäufern. Auch mit Geofferey Onudu, der meint: “Ich bin seit acht Jahren hier in Italien. Ich zahle für mein eigenes Apartment und ich würde gerne meinen Beitrag für diese Gesellschaft leisten. Wenn man mich jetzt abschiebt, war alles umsonst.”

 

Mehr Fragen als Antworten

Die Bozner Anwältin Anna Bilello stellte sich zuletzt als Beraterin für die betroffenen zebra.-Verkäufer zur Verfügung. Sie bestätigt: “Das neue Gesetz ist sehr unklar und schafft mehr Probleme als Lösungen. Es ist weder eine Präventionsmaßnahme, um Migration einzudämmen, noch eine Maßnahme, das Asylsystem in Italien zu verbessern. All jene, die in der Vergangenheit in Italien den humanitären Asylstatus erhalten haben, haben ihn von einer rechtskräftigen, italienischen Kommission erhalten, die es für nötig und berechtigt ansah. Dass nun genau diese Menschen wieder vors Gericht geholt werden, zeigt, dass die Gesetzesänderung nicht lösungsorientiert ist.”

Der Fall von Geofferey Onudu zeigt die aussichtslose Situation, vor die Matteo Salvinis Gesetzesänderung viele Menschen stellt: Sollte Onudu bis zum Ablauf seines humanitären Asylstatus die neue, einjährige “Protezione speciale” (PSD) erhalten, kann er sich zwar für ein weiteres Jahr legal in Italien aufhalten, “ein Arbeitsvisum wird ihm dadurch aber kategorisch verweigert – auch wenn er in der Zwischenzeiten eine feste Anstellung finden sollte”, heißt es aus der oew. “Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass er diesen Aufenthaltstitel nicht erhält. Sollte dies eintreffen, kann Goefferey nochmals Berufung einreichen, muss aber bei negativem Ausgang das Staatsgebiet innerhalb eines Monats verlassen. Wie er das ohne finanzielle Mittel und Hilfe bewerkstelligen soll, bleibt offen.”

Wenngleich bei der oew Ratlosigkeit herrscht, blickt man zuversichtlich auf die kommenden Monate. Im September wird die 50. Ausgabe von zebra. erscheinen und “trotz der Gesetzesänderung versuchen wir positiv zu bleiben”, meint oew-Geschäftsführer Matthäus Kircher. Gemeinsam mit den zebra.-Verkäufern habe man auch schon neue Ideen entwickelt, “auf die wir aufbauen und so gemeinsam den Verkauf von zebra. optimieren möchten”.