Cultura | Wörtersammler

Eine Datenbank für unseren Dialekt

Natürlich, auch Sprache lebt, ist in Bewegung und wie alles im Leben stetem Wandel unterworfen. Wörter und Begriffe verschwinden, andere kommen neu hinzu. Und so finde ich es, ehrlich gesagt, ein bisschen unpassend, wenn manche "Gralshüter" ihre Zeigefinger erheben, kaum dass neue Wort- und Sprachvarianten am Sprach- oder Dialekt-Horizont auftauchen - vor allem, was junge Leute in ihrer Unbefangenheit so (er-)schaffen an Wort- und Satzkreationen, ist doch höchst faszinierend und animierend. Nichtsdestotrotz schnürt sich mir immer ein bisschen der Magen zu, wenn ich daran denke, wie viele Begriffe und Wörter andererseits aus unserer Sprache schon verschwunden sind, und wie viele weiterhin verschwinden werden. Denn mit dem Wort geht ja auch sein Inhalt, und mit beiden ein Stück (unserer) Geschichte, (unseres) Wesens, (unseres) Seins.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
Foto: Transart23

Ich weiß, es gibt mehr oder minder private Initiativen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben und machen, Dialekt-Ausdrücke zu sammeln und sie in kleineren oder größeren Bänden festzuhalten. Leider aber ist dieses „festhalten“ wörtlich zu nehmen, weil das Gesammelte zwischen den Buchdeckeln eingesperrt wird und dort auch eingesperrt bleibt. Die Dialekt-Wörter werden aus der Bevölkerung geholt (wo sie aber hingehören) und "über"-leben im bestmöglichen Falle in irgendwelchen Archiven, fern von der Welt und den Menschen. Und ja, ich weiß auch von einigen größer angelegten, wissenschaftlichen Projekten, die sich z. B. mit den verschiedenen Dialekten, Unterschieden und Entwicklungen befassen - aber auch sie erreichen die Bevölkerung nur sehr bedingt. Nicht zuletzt ist Sprache dynamisch, Bücher aber statisch – es bräuchte also ein dynamisches Vehikel, das sich mit der Sprache entwickeln und ihr folgen kann.

Ein Wiki für den Südtiroler Wortschatz

Kann es sein, dass noch niemand daran gedacht hat, für die Dialekt-Begriffe eine schöne, zentrale Datenbank ins Netz zu stellen, an der alle Südtiroler und andere Interessierte mitarbeiten und mitwirken können? À la salto.bz, à la wikipedia? Alte und weniger alte Dialekt-Wörter könnten aufgefangen, frisch aufbereitet, mit möglichst viel Rundum-Wissen garniert werden (denn im Netz ist ja, im Gegensatz zu Büchern, Platz ohne Ende) und – wer weiß – wieder in den Südtiroler Alltag zurück geschickt werden. Was der eine nicht (mehr) weiß, fällt schon der anderen ein, und überhaupt könnten alle gemeinsam und gleichzeitig ihr großes oder kleines Wissen einbringen und auf diese Weise am Erhalt unseres Dialektes, seines Wortschatzes und also ein bisschen am Erhalt unseres Seins mit-arbeiten. Was bisher schon gesammelt wurde und verstreut irgendwo im Lande vor sich hin träumt, könnte an diesem zentralen Ort noch einmal ge- bzw. versammelt und aufgearbeitet werden, vom Sammler selbst und allen anderen Usern, je nach Bedarf und Belieben, Mögen und Vermögen, Können und Wissen und Lust und Laune… hach, das könnte ja richtig Spaß machen und erst recht, wenn womöglich noch die Datenbank und ihre Inhalte wissenschaftlich betreut und ihre Entwicklung von kompetenter Stelle koordiniert würde.

Jedenfalls aber bliebe die Sache lebendig, offen nach allen Richtungen und für alle Entwicklungen - und ziemlich nahe dran an der Bevölkerung. Nicht zuletzt könnten ja auch noch unsere großen und kleinen traditionellen Medien eine Hauptrolle spielen, indem sie in regelmäßigen Abständen ein paar wenige oder ein paar mehrere Südtiroler-Wort-Schätze aus der Dialekt-Bank herausnehmen, präsentieren, erklären, erzählen. Und so den altüberlieferten (aber nicht nur) Wortschatz aus der Sammlung heraus und wieder in die Bevölkerung – und damit ins Leben - zurück bringen.

 

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Sebastian Felderer Lun, 05/06/2013 - 08:49

Hatte es eigentlich schon lange vor, ein Karrnerlied von Luis Stefan Stecher zu präsentieren:

Dia Welt isch a Suurgruab,
mit an enz groaßn Luck,
dou druntr bleib olz
wos zon Himml stinkt zruck.

Assou houbmr a gute Luft
und pliawaiße Kraagn,
und guatschmeckate Hänt
und morzguate Maagn.

Oubr oamoll weart oanr
an Earzengl schickn,
deir lupft lai deis Luck auf
und ollz weart drschtickn!

Lun, 05/06/2013 - 08:49 Collegamento permanente
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Maximilian Ben… Lun, 05/06/2013 - 12:41

Tolle Idee. Hoffentlich gibt es in Zukunf mehr öffentliche Förderungen aus den Kulturassessoraten, die Innovation huldigen. Ich bin mir sicher es gäbe die Macher, es fehlt aber GELD!

Lun, 05/06/2013 - 12:41 Collegamento permanente
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Benno Kusstatscher Lun, 05/06/2013 - 14:16

Hallo Silvia,

da gibt es einiges. Hauptsächlich fehlt es doch an Unterstützung, damit es etwas richtiges wird:

Der Rittner Oschpele:
http://oschpele.ritten.org/

Etwas wissenschaftlicher, aber halt nicht so zum Mitmachen (zum Ladinischen):
http://ald.sbg.ac.at/ald/ald-i/

Da könnte das Rumantsch Wörterbuch als Vorbild herhalten:
http://www.pledarigrond.ch/

Boarisches Wikipedia:

Wie herzhaft erfrischend Wikipedia im Dialekt klingen kann, sieht man beim Eintrag „Minga“ im boarischen Wikipedia:
https://bar.wikipedia.org/wiki/Minga

Dass solche Seiten dann aber auch wieder einer gewissen, politisch gefärbten Vereinnahmung ausgesetzt sind, erkennt man im Beitrag „Sidtiroul“, bei dem ich mich sofort an großbayrische Allüren erinnert fühle:

https://bar.wikipedia.org/wiki/S%C3%BCdtirol

Womit ich beim Punkt wäre: Unabhängigkeit und eine gewisseses, wissenschaftliches Grundniveau sind notwendig, damit etwas Brauchbares, Ungefärbtes dabei herauskommt.

Lun, 05/06/2013 - 14:16 Collegamento permanente
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Sepp.Bacher Lun, 05/06/2013 - 18:09

Liebe Silvia, das ist eine sehr gute Idee. Dialekt interessiert mich immer. Zwar ist mein Mutter-Dialekt vor bald 10 Jahren im "Psairer Wèrterpuach" zusammengefasst worden, aber auch da habe ich gemerkt, dass Wörter, die meine greise Mutter noch verwendet, dort nicht beschrieben sind. Beim Dialekt ist es immer auch eine Frage der Schreibweise. Z. B. habe ich in genanntem Wörterbuch keine Begriffe mit dem Anfangsbuchstaben "B" finden können. Die Autoren waren der Meinung, dass es im Psairerischen kein weiches B gibt. Wenn ich Gedichte der Mundartdichterin Anna Landthaler lese, kann ich mehrere Wörter nicht verstehen, denn jede/r schreibt Dialekt-Wörter anders. Ich denke, dass der Durchschnitts-Leser nicht auf Anhieb versteht, dass mit Minga München gemeint ist, obwohl das noch verständliches Bayrisch ist.
Danke dem Benno für die Links. Werde bei Gelegenheit stöbern.

Lun, 05/06/2013 - 18:09 Collegamento permanente
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Sylvia Rier Mer, 05/08/2013 - 07:14

In risposta a di Sepp.Bacher

Genau das hatte ich gemeint, lieber Sepp, da gäb's schon alleweil viel zu tun für dich :-). Und natürlich wäre es auch interessant, zu wissen, welche Wörter sich z. B. im Psairer Dialekt anders als z. B. im Vinschger Dialekt entwickelt haben und wie und warum, Geschichtliches, Verbindungen, Trennlinien, alle Dialekte an ein und demselben Ort, und das Ganze wissenschaftlich betreut und vervollständigt und abgesichert... ja schön wär's, wenn's was Gscheites wäre! Aber wir haben ja kein Geld, leider!

Mer, 05/08/2013 - 07:14 Collegamento permanente
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Benno Kusstatscher Mer, 05/08/2013 - 08:42

In risposta a di Sylvia Rier

Silvia, jetzt schägst Du ins gleiche Horn wie Max: Idee geboren, Bedarf erkannt, Interesse naheliegend, um dann mit Hinweis auf Finanzen das Thema gleich wieder pseudo-frustriert zu begraben. Und das im immer noch wohlhabenden Universitätsland? Wenn wir so "argumentieren" könnte uns noch eine/r als "vorauseilend desillusioniertes Proletariat" bezeichnen und als undankbar obendrein! In einem Tourismusland, das gerade seine Autonomie neu zu erfinden versucht, oder eben durch Abgrenzung seine Identität exakt definieren möchte, soll es nicht möglich sein, Gelder für ein solches Projekt aufzutreiben? Wir haben wohl keinen richtigen Drive, leider!

Mer, 05/08/2013 - 08:42 Collegamento permanente
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Sylvia Rier Mer, 05/08/2013 - 09:25

In risposta a di Benno Kusstatscher

Dankedankedanke lieber Benno, für diesen Sager, ich hatte ihn mir so gewünscht :-) Es geht um Geld (vom Land, sicher) aber nicht nur: Seit Jahren immer wieder mal sage ich hier im Bekannten- und Freundeskreis, wir könnten doch, machen wir doch... und stets ist die Antwort: Tolle Idee, aber das Land hat kein Geld. Und ich sag: Hä? Wo kein Geld vom Land da kann nix sein, oder wie? Was ist das für ein blindwütiges Schäfchentum? Das ist ja übrigens eine perfide Strategie :-) um Abhängigkeiten zu schaffen (zwar war das wohl kaum die Absicht - oder doch??? - aber gewirkt hat sie trotzdem, diese Beiträgesache...). In diesem Punkt hat Kompatscher bei mir definitiv einen Stein im Brett: Weniger Geld vom Land, mehr Eigeninitiative, mehr Fantasie, mehr Selbständigkeit (dafür kann dann auch das Land nicht überall die Finger drin haben, oder?). Von dort könnte man statt immer "nur" Geld auch z. B. Know How (aus vorhandenen Strukturen, z. B. ein paar von den gefühlten 7.000 Köpfen bei der EURAC???) usw. zur Verfügung stellen, Betreuung und was weiß ich noch alles... Wenn ich nur schau, wie man sich im Ausland z. T. organisiert und was man dort alles auf die Füße zu stellen imstande ist, erblasse ich vor Neid!

Mer, 05/08/2013 - 09:25 Collegamento permanente
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Sylvia Rier Mar, 05/28/2013 - 08:30

http://www.argealp.org/atlas/index.html
(Benno!) und hier noch ein schöner Link (hey, mittlerweile haben wir ja schon ganz was gesammelt, wenn das bloß nicht am Ende noch was Richtiges wird ;-), den du mir wieder in Erinnerung gerufen hast. Oh, wie fasziniert ich doch über dieser Sache rumgehangen bin und mir gewünscht habe, die Vergleiche mögen nie aufhören! Was mich allerdings auch sehr beschäftigt im Zusammenhang mit der "Bewahrung" bzw. "Aufarbeitung" unserer Sprache: Wie sollensolltenmüssten die sog. Italianismen behandelt werden, sind sie doch inzwischen unleugbarer und teils sogar sehr charakteristischer/charakterisierden Wesenszug unserer sprachlichen Identität?!

Mar, 05/28/2013 - 08:30 Collegamento permanente