Ambiente | Mobilität

"Erfolgsmodell KombiTicket" für Südtirol

Eintrittskarte und Nahverkehrsticket in einem - bequem mit Zug und Bus zu Messe, Konzert, Eishockeyspiel und anderen Veranstaltungen. Draußen bewährt, bald auch bei uns?
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
Flirt Zug im Pustertal
Foto: Provinz Bozen

Südtirol 2021: Ich kaufe in Bozen, Toblach, Innsbruck, Mals oder Trient am Bahnhof meine Eintrittskarte für die (Klimahouse) Messe in Bozen und steige in Zug oder Bus. Die Eintrittskarte ist gleichzeitig Ticket für den öffentlichen Nahverkehr. Extra aufgestockte Sonderzüge bringen mich dicht getaktet direkt zum Messeeingang. Wer dennoch mit dem Auto anreist oder in der Industriezone arbeitet freut sich über weniger Verkehr und freie Parkplätze. Auch dadurch atmet die Bozner Bevölkerung endlich bessere Luft und mindert den täglichen Verkehrsinfarkt. Die Messe Bozen verzeichnet derweil neue Besucherrekorde.

Messe, Stadion, Theater- und Konzertsaal: Die Eintrittskarte ist gleichzeitig Ticket für den öffentlichen Nahverkehr

Diese Zukunftsvision ist gar nicht weit hergeholt. Bereit seit 1993 (das sind 25 Jahre) gibt es das KombiTicket für alle Heimspiele des Bundesligavereins SC Freiburg. In Deutschland und Österreich ist das KombiTicket für viele längst Alltag beim Konzert-, Theater- oder Stadionbesuch.

Wie funktioniert das KombiTicket?

Das KombiTicket basiert auf einer freiwilligen Vereinbarung zwischen Verkehrsbetrieb und Veranstalter und funktioniert in der Regel nach einem Solidarprinzip: Alle Besucher und Besucherinnen bezahlen einen geringen Aufpreis für die Nutzung aller lokalen und regionalen öffentlichen Verkehrsmittel vor und nach der Veranstaltung bzw. am gesamten Tag der Veranstaltung.

Der Aufpreis ist dabei deutlich geringer als der Preis eines durchschnittlichen Nahverkehrstickets. Ebenso hängt es nicht von der Entfernung zum Ziel und dem gewählten Verkehrsmittel (Zug, Bus) ab. Allerdings bezahlt den Aufpreis auch derjenige, der das Angebot nicht in Anspruch nimmt. Autofahrer profitieren jedoch von weniger Verkehr am Zielort und mehr verfügbaren Parkplätzen.

Wie kommt das KombiTicket nach Südtirol?

Die Messe Bozen, sowie die Eiswelle (Palaonda) bieten sich in Südtirol deshalb als Pilotobjekte an, da beide direkt neben der Zughaltestelle Bozen Süd liegen und zudem durch die zentrale Lage Bozens ideal an den lokalen, regionalen und überregionalen öffentlichen Nahverkehr angebunden sind. Gerade die ländliche Bevölkerung kann von diesem Angebot profitieren. Außerdem können das Land Südtirol und die Stadt Bozen als Mehrheitseigner von Messe und Eiswelle entscheidend Einfluss nehmen.

Für Besucher aus dem Trentino, dem Veneto und der Lombardei, die mit dem Auto anreisen, bietet sich die Möglichkeit "Park and Ride" Parkplätze entlang der Bahnstrecke wie in Mezzocorona oder Auer anzusteuern, um auf die Bahn umzusteigen. Das spart allein schon zwischen 2.80 € und 6,00 € Autobahngebühr (für Hin- und Rückfahrt).

Die Landes- und Lokalpolitik muss die Machbarkeit prüfen und die politischen, technischen und organisatorischen Vorraussetzungen schaffen

Dazu gehört der KombiTicket Verkauf am Fahrkartenautomat, am Bahnhofsschalter oder Tabakladen, über den Südtirol Pass und Online. Wichtig ist die Gültigkeit des KombiTickets im gesamten Südtiroler Verkehsverbund, dem Gültigkeitsgebiet des Südtirol Passes. Dieses umfasst ganz Südtirol und erstreckt sich darüber hinaus bis Innsbruck und Trient. Natürlich werden auch alle Freikarten KombiTickets.

Welche Vorteile bringt das KombiTicket? Wie sieht es in der Praxis aus?

Auf eine Anfrage der Linken im Abgeordnetenhaus von Berlin von 2014 antworten die Berliner Verkehrsbetriebe. Sie benennen die Vorteile des KombiTickets für Kunden, Veranstalter, Verkehrsbetriebe und die Region. Im Wesentlichen kann geschlussfolgert werden:

KombiTickets erhöhen die Besucherzahlen durch bessere Erreichbarkeit und Kundenzufriedenheit, stärken den öffentlichen Nahverkehr und verringern Umweltbelastungen

Dabei ist wichtig:

Aus Sicht der Verkehrsunternehmen gibt es keine Nachteile durch KombiTicket Regelungen

Im Gegenteil werden langfristig, durch den Abbau von Zugangshemmnissen, und die Verbesserung des Images von ÖPNV-Unternehmen, neue Kundenpotentiale erschlossen. Eine klassische win-win Situation für praktisch alle Beteiligten.

Es wird betont, dass die bereits beschriebenen solidarischen KombiTicket Modelle am sinnvollsten sind, bei der alle Besucher zwingend und automatisch ein KombiTicket erwerben. Nur dadurch kann die Wahl des Verkehrsmittels zugunsten des öffentlichen Verkehrs beeinflusst werden. Der Aufpreis auf das Ticket beträgt in Berlin zwischen 1,20 € und 1,44 €. Im Hinblick auf ein ausgewogenes Aufwand-Nutzen-Verhältnis werden KombiTicket-Vereinbarungen in der Regel ab 100 Besuchern abgeschlossen. Die Art der Veranstaltung spielt dabei keine Rolle.

Eine Liste an Beispielen für Verkehrsverbünde mit KombiTickets:

Auch für Konzerte im Stadion "San Siro" in Mailand gibt es bereits eine Art KombiTicket.

Auffallend ist, dass neben großen Ballungsgebieten auch mittlere und kleinere Verkehrverbünde KombiTickets anbieten. Dazu gehören der Verkehrsverbund Neckar Alb Donau (Tübingen/Reutlingen) mit einem Einzugsgebiet von 815.000 Einwohnern oder die Magdeburger Verkehrsbetriebe mit 230.000 Einwohnern. (Im Vergleich zählt der Verkehrsverbund Südtirol inklusive der Städte Trient und Innsbruck etwa 750.000 Einwohner)

Das Angebot an KombiTickets erstreckt sich dabei vom Puppentheater Magdeburg, über den Kinder- und Familienzirkus Zabaioni in Tübingen bis zum Olympiastadion in Berlin.

Die Gemeinderatsfraktion der CDU in Stuttgart hat schon 2012 das KombiTicket als Erfolgsmodell gepriesen und in einem Antrag die Ausweitung des KombiTickets gefordert. Dies soll bedeuten das KombiTicket nicht nur für Veranstaltungen in der Mercedes Benz Arena, der Porsche Arena, oder im Staatstheater zu nutzen, sondern auch für Veranstaltungen auf dem zentralen Schlossplatz in der Innenstadt von Stuttgart einzuführen.

Zurück zu 2021

Ich werde auch 2021 wohl noch mit dem Fahrrad zur Klimahouse Messe fahren. Tatsächlich sind Radfahrer (und evtl. Fußgänger) die einzige Zielgruppe, die nicht unmittelbar profitiert. Vielleicht reicht es durch die höheren Besucherzahlen und die entsprechenden Einnahmen aber immerhin, im Sinne der Fahrradfahrer und Fahrradfahrerinnen, für ein paar mehr überdachte Stellplätze und Ladestationen für e-Bikes.

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Christian Mair Mar, 03/20/2018 - 11:46

Gute Idee!
Denkbar ist weiters eine Integration von Parkplätzen/ Radverleih/Bonusskikarte...

FAhrrad: https://www.bahn.de/p/view/service/fahrrad/call_a_bike.shtml
Skikarte: https://kombitickets.railtours.at/kombitickets-wintersport/oesterreich/…
PArkplatz: http://www.vvt.at/page.cfm?vpath=service/parkride

P.S.: Im Sinne von Kundenfreundlichkeit und Zeitersparnis könnte zusätzlich zum erfolgreichen Südtirol PAss ein JAhresticket euregioweit mit integrierter ÖBB- Vorteilskarte ausgegeben werden zu einem Einheitspreis von 490€: die Euregio - Verkehrsverbund - Card: http://www.vvt.at/page.cfm?vpath=tickets/jahres-ticket/die-neuen-jahres…

Mar, 03/20/2018 - 11:46 Collegamento permanente
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Pascal Vullo Mar, 03/20/2018 - 17:13

Vielen Dank für den Kommentar!

Ich stimme zu, dass Tarifverbund, Vernetzung und "Inter- oder Multimodalität" sicherlich ganz wesentliche Elemente zukünftiger und nachhaltiger Mobilität sind!

Hier dazu noch eine ganze Seite mit Material vom Verkehrsclub Deutschland:
https://www.vcd.org/themen/multimodalitaet/

Wie zum Beispiel die Infomappe Multimodalität:
https://www.vcd.org/fileadmin/user_upload/Redaktion/Themen/Multimodalit…

Das fängt an mit kostenlosen und ausreichend Park and Ride Parkplätzen und Fahrradstellplätzen am Bahnhof. Ganz wichtig auch für das KombiTicket Konzept!

Mar, 03/20/2018 - 17:13 Collegamento permanente