Politica | Verfassungsreform

Sechs Möchtegern-Argumente für ein JA I

Basta un sì? Ma anche no! Teil 1 von 2
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.

 Auf Matteo Renzis Internetseite „basta un sì“ zur Verfassungsreform, werden sechs Argumente für ein „SÌ“ zur Verfassungsreform kurz und bündig vorgestellt. Ich erlaube mir hier diese Argumente genau so kurz und bündig, es braucht in der Tat ja nicht viel, zu dementieren.

Abschaffung des jetzigen Zweikammernsystems

„Endlich wird Italien aufhören das einzige Land in Europa zu sein, welches über ein Parlament verfügt in dem beide Kammern gleich sind. Die Abschaffung des paritätischen Zweikammernsystem dient zur Senkung der Politikkosten und macht die Arbeit des Parlaments schneller und effizienter. Der Abgeordnetenkammer obliegt das Vertrauensverhältnis zur Regierung, der Senat wird vorwiegend die Anliegen der Gemeinden und Regionen vertreten“

Aha, toll! Mich hätte es zwar mehr gefreut wenn Italien aufgehört hätte das einzige Land zu sein in dem verurteilte Politiker mir nichts dir nichts weiterhin ihr Amt besetzen können, aber hey! Ein idiotisches Zweikammernsystem bei dem die Gemeinden (wirklich jetzt? Was haben die Im Senat verloren und wo gibt es das sonst auf der Welt?) mit der Faust auf den Tisch hauen können, hat auch etwas. Zu melden haben die Senatoren zwar wenig, aber für einen Bürgermeister ist es sicher cool auch Senator zu sein. Wie ein Senat effizient arbeiten soll, dessen Abgeordnete eigentlich Bürgermeister und Regionalratsabgeordnete sind, muss mir auch einer erst erklären, haben die werten Herren nicht schon genug zu tun? Wie sollen die einen Termin finden an dem sie alle Zeit haben nach Rom zu traben um an eine oder gar mehreren Sitzungen teilzunehmen, oder soll alles via Skypekoneferenz ablaufen?

Um Gesetze schneller zu haben

Viel zu oft haben die Bürger Jahre auf Reformen und konkreten Antworten gewartet, die den Anschein gehabt haben nie zu kommen. Wenn das „ja“ gewinnt werden Gesetzesentwürfe endlich nicht mehr zwischen Kammer und Senat pendeln müssen in der Hoffnung auf ein Text zu kommen der bis zu den Beistrichen von beiden Seiten gutgeheißen wird. Mit Ausnahme einiger begrenzten Sachgebiete, wird die Kammer Gesetze erlassen und der Senat wird maximal 40 Tage Zeit habe um Änderungsvorschläge zu diskutieren und vorzutragen, über welche dann die Kammer endgültig abstimmt. Mehr Geschwindigkeit bedeutet nicht mehr Gesetze, sonder rechtzeitige Antworten von Seiten eines glaubwürdigen Parlaments.“

Was die Schnelligkeit angeht kann man wirklich nur noch lachen. Oder nein, besser wäre es den Stinkefinger zu zeigen, ist doch unser jetziges System doch äußerst schnell, nahezu turbogeladen könnte man sagen. Aber nur wenn es will! Weiß noch jemand wie lange es dauerte unser Rentensystem komplett zu reformieren? Wir sprechen hier von einer kompletten Reform und nicht von der Änderung des Mindestabstands zwischen Rosenpflanzen in öffentlichen Gartenanlagen. Ein Jahr? Nein. Ein halbes? Daneben. Zwei Monate? Ach was: icht mal die Hälfte! Es waren satte 16 Tage! SECHZEHN TAGE um das Leben etlicher Bürger dieses Landes maßgeblich zu verändern. Weiß jemand wie lange wir auf eine einfachen Akt der Regierung warten können? 17 Jahre! SIEBZEHN JAHRE! Menschen mit Behinderung können ein Lied davon singen. Diese warten in Italien seit nun 17 Jahren darauf, dass die Regierung den sogenannten „nomenclatore“, will heißen die offizielle Liste aller öffentlich geförderte Geräte und technische Hilfsmittel für Menschen mit Behinderungen, aktualisiert. Nachdem jetzt eine italienische TV-Sendung seit zwei Jahren über diesen unmöglichen Zustand berichtet, scheint, kurz vor den Referendum (ein Zufall? Pff...hahaha ja logisch!), sich etwas zu tun. Also keine Sorge, wenn es darum geht den Bürger sich selbst zu überlassen ist die Regierung in Rom die beste Adresse. Lassen wir sie doch noch mehr schlecht machen als sie es so schon tut, da kommt die zentralistische Reform gerade richtig. Vielleicht kann man morgen Reformen wie die von Frau Fornero gleich in nur einen Tag durchboxen, wäre ja auch was um die Kosten der Politik zu senken. Man hätte ja frisch die opposition auch aus den Parlament bannen können. Mal ehrlich, wer braucht die ständigen Nörgler denn schon? 

Um die Kosten der Politik zu senken 

Die Anzahl der Parlamentarier wird gekürzt, weil die gewählten Senatoren von 315 auf 95 sinken (plus 5 Senatoren die von Präsidenten der Republik ernannt werden). Das CNEL wird abgeschafft und damit seine 65 Mitglieder; die Abgeordneten der Regionen werden eine Vergütung erhalten, die nicht höher sein kann als die des Bürgermeisters der Hauptstadt der Region; die Fraktionen auf Regionalebene werden keine öffentlichen Gelder mehr erhalten; die Provinzen werden aus der Verfassung gelöscht. Die Reduzierung der Kosten und Sessel wird den Institutionen Glaubhaftigkeit zurückgeben“

Hier sind wir beim Witz des Jahres angelangt! Man könnte ja einfach die Ordnungen von Kammer und Senat ändern, um die Millionen einzudämmen welche uns Politiker kosten die von Dienstag 14 Uhr bis Donnerstag 10 Uhr „arbeiten“. Aber wenn ich eine Delle am Kotflügel habe, dann lackiere ich selbstverständlich das ganze Auto um. Ist ja logisch oder? Und wieso nur beim Senat sparen? Würden es 300 Abgeordneter der Kammer nicht auch tun? Toll, dass wir jetzt dann den Gehalt der Regionalabgeordneten deckeln... aber Moment mal, das wird ja nicht gedeckelt, es wird nur eine Zahl festgelegt die alles sein kann! Boah! Sehr schlau! Genauso werden die Provinzen aus der Verfassung gelöscht, wer hindert das Parlament oder die Regionen sie morgen wieder mit anderer Bezeichnung einzuführen? Doch das größte Meisterstück hier ist mit Abstand die Abschaffung der Fraktionsgelder auf Regionalebene. Nicht, dass man den Wählerwillen des Referendums von '92 respektiert hätte und die öffentliche Finanzierung der Parteien abgeschafft hätte (wie war das noch gleich mit der Glaubhaftigkeit Herr Renzi?), nein! Der Zentralismus wird soweit gefördert, dass man es, aller Ansicht nach, den Parteizentralen in Rom überlässt zu entscheiden wer in den Regionen brav war und sein Taschengeld bekommt. Außer man glaubt wirklich Politik ohne Geld würde in Italien möglich sein. Der war gut! Wir sind ja alle damit einverstanden die Sessel zu reduzieren, aber noch lieber wäre uns die Ärsche die darauf Sitzen in die Wüste zu schicken. Solange immer die Selben, wenn auch in geringerer Zahl, vorhanden bleiben, wird sich in diesem Staat gar nichts ändern! Da hilft auch keine Verfassungsreform. Ach ja nur so am Rande erwähnt, mit "gewählten Senatoren" meint man nicht, dass diese vom Volk gewählt werden, die werden nämlich von den Regionalräten ernannt, nein man will sie nur von den fünf Senatoren abgrenzen die der Präsident der Republik nach Lust und Laune ernennt. Schon lustig diese Wortwahl "gewählt"...