Gesellschaft | Gastbeitrag

Geburtshäuser für Südtirol

Die Stunde der Hebammen in Südtirol könnte endlich da sein. Astrid Di Bella, Vorsitzende des Kollegiums der Hebammen sagt: "Wir müssen Frauen weiter direkt betreuen."

Rund 30 Hebammen sind in den nächsten Jahren von der möglichen Schließung der Geburtsabteilungen an den kleineren Krankenhäuser betroffen. Die Hebamme im Krankenhaus wird es dann in der heutigen Form in den peripheren Krankenhäusern nicht mehr geben.

Wir haben die Diskussion über die Schließung der Geburtenabteilungen in den kleineren Krankenhäusern nicht nur in den Medien verfolgt, sondern uns eingehend mit dem Thema auseinandergesetzt und den direkten Kontakt mit Marta Stocker, der zuständigen PolitikerInnen gesucht. Und zum ersten Mal ist es uns als Berufsverband gelungen, die Diskussion über die Rolle der Hebamme im Südtiroler Gesundheitssystem auf die Agenda einer Politikerin zu bringen.

Eine mögliche Schließung der Geburtsabteilungen an den kleineren Krankenhäusern darf nicht heißen, dass die flächendeckende Betreuung von schwangeren Frauen und Müttern abgeschafft wird. Das Ziel muss eine gute Lösung für alle Beteiligten sein und das kann nur eine Alternative zur bisherigen Betreuung durch die Hebamme im Krankenhaus sein. Die Aufwertung der Hebamme in ihrer Rolle als Fachkraft für die physiologische Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett rückt endlich auch in Südtirol in greifbare Nähe.

Paradigmenwechsel für Schwangere und Gebärende
Es gibt alternative Dienste für die Betreuung von Frauen rund um Schwangerschaft und Geburt. Sämtliche Studien und wissenschaftlichen Untersuchungen belegen, wie wichtig es ist, Frauen während der Schwangerschaft und bei der Geburt möglichst vor Ort - persönlich und kontinuierlich zu betreuen, idealerweise im Verhältnis 1:1 . Diese Art der direkten Betreuung (jede Frau wird von einer Hebamme betreut) hat sehr viele Vorteile und birgt ein großes Potential an Gesundheitsförderung von Anfang an. Bestimmte Krisensituationen in der Familie können dadurch bereits in der Schwangerschaft angesprochen und gelöst werden.

Im Ausland gibt es zahlreiche Beispiele für gut funktionierende Hebammenbetreuungs-Modelle. Eines davon ist das sogenannte "Beleghebammensystem". Hier arbeiten Hebammen freiberuflich oder als Angestellte eines Gesundheitsdienstes und betreuen Frauen bereits während der Schwangerschaft. Im Moment der Geburt begleiten sie "ihre" Frau in ein Gebärzimmer im Krankenhaus und leiten dort - unabhängig vom bestehenden Schichtdienst - die Geburt. Nach der Geburt unterstützt die Beleghebamme die Mutter weiterhin während des Wochenbettes und gewährleistet damit die bereits geplante Einführung der Frühen Hilfen, der frühen und präventiven Unterstützung von Familien in dieser Zeit des großen Umbruches.

Unterstützung für freiberufliche Hebammen
Dringend notwendig ist auch die Unterstützung der freiberuflichen Hebammen. Bei der Ausübung ihrer Tätigkeit müssen die freiberuflichen Hebammen - wie GynäkologInnen oder PhysiotherapeutInnen - ihre Leistungen abrechnen können. Bisher ist es nämlich so, dass Hebammenleistungen privat bezahlt werden müssen und vom öffentlichen Gesundheitssystem nicht rückvergütet werden. Dies bedeutet ein großes Ungleichgewicht gegenüber GynäkologInnen. Ein weiteres erfolgreiches Modell für Hebammenbetreuung ist der von Hebammen geleitete Kreissaal (d.h. ohne diensthabende KinderärztInnen oder GynäkologInnenin) an peripheren Krankenhäusern. Frauen mit physiologischer (gesunder) Schwangerschaft können - nach eingehender Aufklärung selbst entscheiden, ob sie hier und nicht im entfernten Krankenhaus entbinden möchten. Bereits in mehreren Provinzen Italiens gibt es solche, von Hebammen geleitete "Außenstellen" eines größeren Krankenhauses. Die Erfahrungen diesbezüglich sind sehr positiv.

Ausbau der Sprengel notwendig
Eine Schließung der periferen Betreuungseinrichtungen in Krankenhäusern macht den Ausbau der Sprengel notwendig, d.h. es braucht dann mehr Hebammen in den weitverbreiteten Sprengelsitzen. Derzeit gibt es in dieser Hinsicht noch sehr große Unterschiede zwischen den Gesundheitssprengeln in Südtirol. So etwa gibt es nur im Bezirk Bozen Sprengelhebammen, die auch (kostenlose) Hausbesuche im Wochenbett machen und Schwangerschafts-Betreuung anbieten. Im Rest des Landes müssen Mütter ins Krankenhaus oder in die Mütterberatung gehen. Die Betreuung der Schwangerschaft durch eine Hebamme ist schwierig, außer die Familie wählt eine freiberufliche Hebamme, die sie privat bezahlen muss.

Wir sind überzeugt, dass gerade die Phase der Umstrukturierung genützt werden muss, um bessere Betreuungsmodelle für Familien rund um die Geburt zu schaffen. Denn erst eine individuelle und professionelle Begleitung für Frauen und deren Partner durch die Zeit der Schwangerschaft hindurch und im Wochenbett unterstützt die Paare auf ihrem individuellen Weg zum Mutter- und Vatersein und stärkt Familien frühzeitig und von Anfang an.

 

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Stephan Kerschbaumer Mo., 06.10.2014 - 13:44

Hallo Astrid,
ich finde diesen Ansatz sehr interessant. Seit Beginn dieser leidlichen Diskussion um die Sanitätsreform - die dann nur mehr auf Ebene der Geburtenstationen geführt wurde - stellte ich mir die Frage ob in Südtirol ein System freiberuflicher Hebamme existiert bzw. wie ein solches in Südtirol gestaltet werden könnte. Daher bedanke ich mich für diesen informationshaltigen Artikel, möchte aber eine kleine Frage anbringen: In Deutschland gibt es das System der "Hebammenstationen" oder der "Hebammenpraxen". Beziehen Sie sich im Artikel auf dieses System? Wenn nein, wie funktioniert dieses?

Mo., 06.10.2014 - 13:44 Permalink
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Astrid Di Bella Mo., 06.10.2014 - 23:07

Antwort auf von Stephan Kerschbaumer

Nein es geht einerseits um Hebammenkreissäle, wo angestellte oder/und freiberufliche Hebammen arbeiten und Frauen nach einer genauen Selektion und Aufklärung bei physiologischen Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett betreuen. Andererseits geht es um Unterstützung der freiberuflichen Hebammen, die unter anderem auch Hebammenpraxen gründen können.
In Südtirol gibt es zur Zeit neben den Hebammen im Krankenhaus wenige freiberufliche Hebammen, die aber in den letzten Jahren immer mehr geworden sind, und Hebammen im Sprengel, letzteres aber nur im Bezirk Bozen. Das ist einer unserer großen Kritikpunkte. Die Hebammenbetreuung ist in Südtirol nicht flächendeckend und eine Frau kann nicht überall gleich kostenlos eine Betreuung durch eine Hebamme in Anspruch nehmen, obwohl sie laut Gesetz das Recht dazu hat.

Mo., 06.10.2014 - 23:07 Permalink