Wirtschaft | Gastronomie

Große brauchen Kleine

Ohne Harald Gasser und den Aspingerhof in Barbian können wir nicht arbeiten, mahnen zahlreiche Spitzenköche. Sie appellieren an die Landesregierung, den Hof zu retten.
Hannes Pignater - Aspinger
Foto: Facebook/Aspinger Raritäten - De Horto Naturali

Eines schicken die Verfassers des Appells an die Landesregierung voraus: Sie wollen sich “nicht in technische Fragen einmischen oder politisch Stellung beziehen”. “Allerdings fordern wir Sie auf, alles dafür zu tun, dass Produzenten wie Harald und landwirtschaftliche Betriebe wie der Aspingerhof weiterhin frei und ohne negative äußere Einflüsse – in diesem Fall eine Hochspannungsleitung – arbeiten können.” Ein Dutzend Südtiroler Spitzenköche haben das Schreiben unterzeichnet.

 

Die Vorgeschichte ist bekannt: Eine Hochspannungsleitung gefährdet die Existenz von Harald Gasser. Der Landwirt betreibt in Barbian den Aspingerhof und gilt als Pionier im alternativen Anbau. Die alten und seltenen Gemüsesorten, die der “Aspinger” anbaut, landen inzwischen auch auf den Tellern der Gäste vieler Spitzenköche. Und die machen sich nun Sorgen um die Zusammenarbeit. Stephan Zippl, Küchenchef im Parkhotel Holzner am Ritten und Hannes Pignater, Küchenchef im Adler Lodge Ritten, haben unter ihren Berufskollegen Unterschriften gesammelt, um die Landesregierung aufzufordern, das Projekt der Stromverteilung unterirdisch durchzuführen und damit Harald Gassers Arbeit abzusichern. Den Appell haben bekannte Sterne-, Hauben- und Spitzenköche aus dem ganzen Land mit unterzeichnet: Gerhard Wieser, Anna Matscher, Herbert Hintner, Theodor Falser, Martin Lechner, Matteo Contiero, Reinhard Daverda, Roman Feichter, Christoph Mayr, Raimund Frötscher, Denny Mair.

Die Küchenchefs betonen: “Wir alle bangen um unserer Existenz, jene Existenz, die es uns ermöglicht, Produkte mit Null Kilometer zu beziehen, Konzepte wie die regionale Küche einzuhalten und die Stärken Südtirols auszuspielen. Wenn es nach wie vor renommierte Betriebe geben soll, dann muss gehandelt werden, denn nur durch Kleinproduzenten können wir eine hervorragende Küche präsentieren und anbieten und uns von anderen Ländern abheben.”


Der Appell an die Landesregierung im Wortlaut

 

“Kennen Sie Knollenziest, Erdmandeln, Topinambur, Wasserpfeffer, Kerbelrübe oder Senfkohl? Wissen Sie, dass Karotten ursprünglich violett waren und zu Ehren der Niederländischen Königin orange gezüchtet wurden, heute die Urkarotte aber fast gänzlich vom Markt verschwunden ist? Dass es über 10.00 Sorten Tomaten gibt, wir aber auf dem Großmarkt nur Zugriff auf einen minimalen Prozentsatz davon haben? Haben Sie schon mal etwas von Zuckerwurzel gehört, welche bis ins 18. Jahrhundert als Stärkelieferant auf jedem Markt in Südtirol erhältlich war, bis sie von der Kartoffel verdrängt wurde?
Viele von uns auch nicht.

Vor circa 20 Jahren hat Harald Gasser vom Aspingerhof in Barbian begonnen, einen Versuchsacker anzulegen. Die Überzeugung, der Natur freien Lauf zu lassen, die natürlichen Kreisläufe in Einklang zu bringen und auf chemische Hilfen wie Pflanzenschutzmittel zu verzichten, zwangen ihn dazu, alternative Anbaumethoden zu studieren, altes Bauernwissen wieder aufzuarbeiten und sich mit Bodenbeschaffung und Pflanzeneigenheiten auseinanderzusetzen.

Es geht um einen kleinen Bauernhof, um Ideale, um Nachhaltigkeit, Kultur, Qualität und auch um Glaubwürdigkeit

Durch Samenbanken wie die der Arche Noah, wo vor dem Aussterben bedrohte Sorten aufbewahrt werden, und Menschen wie Harald, welcher sich dafür interessiert, bleiben uns diese Schätze erhalten. Aus einem Samen wächst eine Pflanze, welche wiederum Samen bildet, welche wiederum von Hand zu einer Pflanze gezogen wird und so wieder Eingang in unsere Kulturlandschaft und in unsere Küchen findet. Durch das Wissen, welche Pflanzen vor der Industrialisierung der Landwirtschaft in Südtirol heimisch waren, wie sie angebaut wurden, wozu sie verwendet wurden und wie sie schmecken, eröffnet sich uns Köchen die Möglichkeit, einzigartige Gerichte zu erschaffen. Dieses Wissen vermitteln Menschen wie Harald, diese Lebensmittel werden auf kleinen Höfen wie dem Aspingerhof angebaut. Diese Lebensmittel begeistern unsere Gäste und tragen zum ausgezeichneten internationalen Ruf der Südtiroler Gastronomie und des Genusslandes Südtirol bei, mit der wir uns alle gerne schmücken. Diese Lebensmittel brauchen wir, sie sind Qualität, sie sind Kultur, sie sind authentisch.
Diese Anbau- und Arbeitsweise nennt man nachhaltig.

Harald hat diesen Weg gewählt und vielen von uns dadurch neue Möglichkeiten geschenkt. Er wurde u.A. als ‘eroe italiano’ auf der Expo in Mailand für nachhaltige Landwirtschaft ausgezeichnet, ist Testimonial einer Südtirol-Werbung und soll den Pavillon Italia bei der Expo in Dubai nach Permakulturprinzipien umbauen.
Er ist ein angesehener Experte im Bereich der nachhaltigen Landwirtschaft und Permakultur, sein Hof gilt als Vorbild und Beispiel für viele.

Diese Lebensmittel begeistern unsere Gäste und tragen zum ausgezeichneten internationalen Ruf des Genusslandes Südtirol bei

Wir wollen uns nicht in technische Fragen einmischen oder politisch Stellung beziehen, allerdings fordern wir Sie auf, alles dafür zu tun, dass Produzenten wie Harald und landwirtschaftliche Betriebe wie der Aspingerhof weiterhin frei und ohne negative äußere Einflüsse – in diesem Fall eine Hochspannungsleitung – arbeiten können.
Wir fordern Sie dazu auf, einen Kompromiss zu finden.
Es geht um einen kleinen Bauernhof, um Ideale, um Nachhaltigkeit, Kultur, Qualität und auch um Glaubwürdigkeit.”

 

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Karl Trojer Mi., 03.03.2021 - 10:13

Diesen Köchen sei Dank für Ihr Engagement ! Die Landesregierung möge die zukunftsfähige Lösung der entsprechenden Erdkabelverlegung durchsetzen.

Mi., 03.03.2021 - 10:13 Permalink