Gesellschaft | Grünes und Co.

Soziales Gärtnern

In Bruneck öffnet eine neue Sozialgenossenschaft: Die Gärtnerei Grünes und Co. Präsidentin Irmgard Hitthaler im Interview.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: Grünes und Co.

Salto.bz: Frau Hitthaler, herzlichen Glückwunsch für die Eröffnung. Nun ist der Samen gesetzt, die ersten Keimlinge beginnen zu sprießen. Was steht bei Ihnen jetzt an, um richtig zu gedeihen und zu blühen?

Hitthaler: Ja jetzt hat die große und wichtige Arbeit begonnen! Die Vorbereitungen für die Eröffnung waren intensiv, die gesamte Gärtnerei musste befüllt, das Team zusammengestellt, Adaptierungsarbeiten durchgeführt werden und vieles mehr. Jetzt haben wir seit über einem Monat geöffnet, das Team hat sich gut eingearbeitet, die Abläufe und Zuständigkeiten sind klar und jede/r hat ihre/seinen Platz gefunden. Wir bereiten uns nun Schritt für Schritt auf die großen Ereignisse der Gärtnereisaison vor, somit lernen auch jene, die neu im Betrieb und überhaupt in einer Gärtnerei sind, die saisonalen Höhepunkte des Jahres kennen und welche Arbeiten damit verbunden sind. Die Produktion ist bereits losgestartet, und für unsere Kund*innen noch nicht sichtbar gedeihen in unseren Glashäusern Tausende von Geranien, verschiedene Kräuter und Gräser, Verbenen, Begonien, Primeln, Chrysanthemen, Gladiolen, Narzissen und vieles mehr. Wir bekommen aktuell viele Anfragen von Schulen, Universitäten und anderen Institutionen, welche etwa nach Praktikumsplätzen für Schüler*innen suchen oder Führungen durch unseren Betrieb machen möchten. Da gerade viel Energie in unsere Aufbauarbeit geflossen ist und nach wie vor fließt, konnten wir auf solche Anfragen aktuell noch nicht wirklich eingehen. Zukünftig möchten wir das sicherlich ermöglichen. Aber hier bitten wir noch um etwas Zeit. Ideen für die Zukunft gibt es viele, wir sind ja auch eine Sozialgenossenschaft vom Typ A, somit bestehen hier noch zahlreiche Möglichkeiten, zum Beispiel Dienstleistungen im soziokulturellen und pädagogischen Bereich anzubieten. Aber eben alles Schritt für Schritt.

Was unterscheidet eine sozialgenossenschaftliche Gärtnerei von einer „herkömmlichen“? Bzw., welche Vorteile bietet Ihnen die Genossenschaftsstruktur?

Bei uns war von vorn herein klar, dass wir es nur als Sozialgenossenschaft machen werden, eine andere Überlegung gab es gar nicht. Die Idee selbst ist ja auch innerhalb einer Sozialgenossenschaft entstanden und zwar bei CO-OPERA. Dadurch, dass wir als Sozialgenossenschaft agieren, steht bei uns an erster Stelle der Mensch, wir wollen gute Integrationsarbeit leisten. Uns ist wichtig, dass alle unserer Mitarbeiter*innen gut als Team zusammenarbeiten, jede und jeder entsprechend seiner und ihrer Fähigkeiten. Guter Teamgeist motiviert und wird wiederum bei den Kund*innen spürbar. Diesbezüglich erhalten wir viele positive Rückmeldungen, das freut uns sehr!

Sozialgenossenschaften leisten einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag im Sinne der Subsidiarität, Inklusion und Teilhabe. Das Genossenschaftsprinzip lautet „Hilfe zur Selbsthilfe“. Die Mitglieder einer Genossenschaft sind gleichzeitig Entscheidungsträger*innen, Geschäftspartner*innen und Kapitalgeber*innen. Somit kann jedes Mitglied - unabhängig von der Höhe der finanziellen Beteiligung – sich am Entstehungs- und Entwicklungsprozess der Genossenschaft beteiligen und diese mitgestalten. Dadurch entsteht nicht nur ein großer persönlicher Mehrwert für den/die Einzelne/n, sondern gesellschaftliche Partizipation und Innovation.

Kurzer Rückblick auf die Vorbereitung für die Eröffnung: Wie blicken Sie auf die Organisationszeit zurück? Was ist gut gelungen, wofür sind Sie dankbar. Was hingegen waren Herausforderungen?

Am Anfang standen wir vor einem großen Berg an Herausforderungen. Eine Gärtnerei mit 17.000 m2 zu eröffnen macht man ja nicht alle Tage und schon gar nicht als Vorstand, der rein ehrenamtlich aktiv ist. Zu Beginn schwirrten tausend Fragezeichen umher, doch durch professionelle Unterstützung von Seiten des Coopbundes, der sozialgenossenschaftlichen Direktorin und der sozialpädagogischen Führungskraft von GRÜNES UND CO sowie der Leiterin der Gärtnerei haben wir die Fragezeichen nach und nach auflösen können. Es war eine aufregende und spannende Zeit für uns alle. Jeder und jede hat ihr Fachwissen eingebracht und dadurch zur gelingenden Eröffnung beigetragen. Somit sind wir bereits zu Beginn schnell als Team zusammengewachsen. Dass die ehemalige Gärtnerei Mahlknecht im Sommer 2019 zugesperrt hatte, haben viele bedauert. Besonders gefreut hat uns, dass auch viele ehemalige StammkundInnen bei der Eröffnungsfeier dabei waren und uns regelmäßig besuchen. Dankbar sind wir für jede Unterstützung, die wir erhalten haben, für motivierende Zusprüche, für jeden Tipp und für das Engagement, das uns von allen Seiten entgegen getreten ist. Viele Angehörige unserer MitarbeiterInnen haben im Hintergrund tatkräftig mitunterstützt und zum Beispiel Dekomaterial aus der Natur gesammelt, welches wir gut in der Floristik verwenden können. Andere haben uns bei der Eröffnung mit leckeren Tirtlan versorgt. Es ist schön, dass so viele Menschen an dieses Projekt glauben.

Auf Ihrer Homepage schreiben Sie, es stehen bei Ihnen nicht nur Pflanzen im Mittelpunkt, sondern auch die Menschlichkeit und die Inklusion. Inwiefern vertreten und leben Sie diese Werte?

Die Inklusion von Menschen, welche Unterstützung bei der (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsplatz benötigen, ist die Essenz der Sozialgenossenschaften und somit auch des Unternehmens GRÜNES UND CO. Der Gesetzgeber spricht von Inklusion von „benachteiligten Personen“ im Kontext eines sozial-ökonomischen Unternehmens. Deshalb ist die Inklusion von „benachteiligten Personen“ die vordergründige Triebfeder der Führungsebene. Damit die Inklusion gut gelingt, sind fördernde Rahmenbedingungen im Unternehmen zu schaffen. In diesem Sinne legen wir großen Wert auf eine gute Teamarbeit, auf professionelle Kommunikation und einen wertschätzenden Umgang unter den Mitarbeiter*innen.

Der Inklusionsansatz kommt ganz zum Tragen, wenn das qualifizierte Personal ihre beruflichen Kompetenzen ins Unternehmen einbringt, Kolleg*innen aus den Inklusionsprojekten begleiten und dem Kunden eine professionelle Dienstleistung bzw. ein gutes Produkt, sprich Pflanzen, anbieten können.

Nachhaltigkeit ist für Sie auch ein wichtiges Stichwort. Wie setzten Sie Nachhaltigkeit in Ihrer Arbeit um?

Die Nachhaltigkeit ergibt sich aus unserem täglichen verantwortungsvollen Handeln im Unternehmen. Wir fördern unsere Mitarbeiter*innen über Weiterbildungen und lassen sie aktiv am Geschehen des Sozialunternehmens teilnehmen. Über die Arbeitsinklusion von mehreren Personen wirken wir möglichen Stigmatisierungen und Armutsgefahren der Betroffenen entgegen. Wir pflegen einen guten Kontakt zu unseren Kund*innen, welcher sich hoffentlich in positiven Verkaufszahlen niederschlagen wird und beim Verkauf der Waren wollen wir in der Gärtnerei dem ökologischen-biologischen Aspekt künftig vermehrt Aufmerksamkeit zukommen lassen.

Sie nennen auch Arbeitsintegrationsprojekte für Menschen, die vor besonderen Herausforderungen stehen. Können Sie mir hier konkrete Projekte nennen?

Wir arbeiten mit den unterschiedlichsten Diensten zusammen, welche uns Menschen, die vor besonderen Herausforderungen stehen, vermitteln. Die Entscheidung ob, jene im Betrieb möglichen Arbeits- und Betätigungsfelder auch für die Person passen, werden zusammen mit den potentiellen Mitarbeiter*innen, den Ansprechpartner*innen der Dienste und der sozialpädagogischen Leitung getroffen. Das Gesetz 381/91 regelt, welche Personen Anrecht auf ein Arbeitsintegrationsprojekt haben. Zur Zielgruppe gehören „physische, psychische und sensorielle Invaliden, Insassen von psychiatrischen Anstalten, Personen in psychiatrischer Behandlung, Alkoholiker, Rauschgiftsüchtige, Minderjährige im arbeitsfähigen Alter mit schwierigen Familienlagen und Verurteilte, die zu Maßnahmen zugelassen sind, die als alternativ zur Haft gelten.“ 

Gemeinsam mit ihnen schauen wir in die Zukunft und unterstützen sie auf ihrem Weg, ihren Fertigkeiten entsprechend einzubringen und ermöglichen ihnen Teilhabe am Arbeitsmarkt.

Die Genossenschaft wurde von der Co-opera gegründet, eine Genossenschaft, der es vor allem darum geht, Frauen in schwierigen Lebenssituationen in die Arbeitswelt zu integrieren. Warum sind Frauen oft von der Arbeitswelt ausgeschlossen bzw. welche Frauen sprechen Sie mit ihrer Sozialgenossenschaft an?

Ja, die Idee ist bei CO-OPERA entstanden, eine seit 20 Jahren gut agierende und wirtschaftende Sozialgenossenschaft. Ursprünglich ist CO-OPERA aus dem Willen heraus entstanden, Frauen aus schwierigen Lebenslagen den Wiedereinstieg ins Arbeitsleben zu ermöglichen. Mittlerweile zeigt aber die Erfahrung, dass auch der Bedarf für Männer da ist.

Leider besteht nachweislich bis heute ein gender pay gap. Die Konditionen am Arbeitsmarkt ermöglichen benachteiligen, oft jungen Müttern nicht, ihren beruflichen Ambitionen nachzukommen. Unsere Gesellschaft profitiert von der unsichtbaren Erziehungs- und Pflegearbeit, die bis heute noch vermehrt von Frauen getragen und finanziell leider kaum anerkannt wird. Für die Zukunft benötigen wir alternative Arbeitszeitmodelle, die es Frauen und Männern ermöglichen, Familie und Beruf besser zu vereinbaren. Die Gleichstellung der Frau sollte allerdings nicht nur in beruflicher Hinsicht ein gesamtgesellschaftliches Ziel sein.

Bei GRÜNES UND CO sind Frauen wie Männer beschäftigt. Klassische Rollenbilder gibt es bei uns nicht. Die Werte und Eigenschaften, die wir in unserer Genossenschaft großschreiben– Qualität, Authentizität, Wertschätzung, Inklusion, Verantwortung, Solidarität – sehen wir nicht als geschlechtsbezogen. Wir sind überzeugt, jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter kann durch ihre/seine Fähigkeiten und Stärken zur Entwicklung der Genossenschaft und zu einer solidarischen und partizipativen Gesellschaft beitragen.

Inwiefern kann Gartenarbeit Sinn geben?

Die Verbundenheit mit der Natur, das Miterleben von Vorgängen in der Natur wie Wachstum, Reifung, Anpassung und das Entstehen von neuem Leben und die Eingebundenheit in diesen Prozess durch säen, pflegen, gießen, betreuen ua. helfen Menschen, Vertrauen in das eigene Tun zu gewinnen. Hier geht es viel um Gespür und Wahrnehmung. Wir wollen den Mensch in seiner Eigenständigkeit fördern. An sich wirkt bereits der Aufenthalt im Grünen beruhigend und wird mit Schönem assoziiert. In der Gärtnerei sind viele Handgriffe notwendig. Wir setzen die Menschen dort ein, wo sie sich auch gut einbringen können, hier bietet eine Gärtnerei sehr viele Möglichkeiten vom Gießen, Jäten, Zurückschnitt der Pflanzen, Auffüllen der Pflanzentische, bis hin zum Begleiten der Kunden, Dekorieren, Anpreisen, Verkauf und Kundenberatung; vieles ist möglich.

 

Das Interview wurde vor der aktuellen Corona-Krisensituation verfasst.

Weitere Infos und angebotene Lieferdienst findet ihr auf der offiziellen Web- oder Facebookseite.