Politik | Neue Studie zur Überqualifikation der Ausländer

Zuwanderer: die Bedeutung der deutschen Sprache wird immer noch stark unterschätzt

Nur 9% der ausländischen Zuwanderer in Südtirol haben laut einer kürzlich erschienenen, breit angelegten Studie (Paolo Attanasio, Ungenutztes Humankapital - Qualifikationen von Zuwanderern in Südtirol als Schlüssel für deren Integration am heimischen Arbeitsmarkt, apollis 2013, EU-15-BürgerInnen sind in der Studie nicht erfasst) ihre Deutschkenntnisse besser ausgebaut als das Italienische. Drei Viertel von ihnen sprechen Italienisch gut oder halbwegs gut, aber nur 29% können sich laut Selbsteinschätzung zumindest halbwegs gut auf Deutsch verständigen. Dabei leben die befragten Ausländerinnen zu 71% seit über 8 Jahren im Land.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: Südtiroler Blinddates

Kein Wunder, ließe sich schließen, dass 35% wegen mangelnden Deutschkenntnissen auf Probleme bei der Arbeitssuche stoßen, wie in der Studie ermittelt, aber nur 22% wegen zu geringen Italienischkenntnissen. Anscheinend schätzen Zuwanderer, vor allem aus Nicht-EU-Ländern, Gewicht und Bedeutung der deutschen Sprache in Südtirol falsch ein. Obwohl die allermeisten längerfristig hier bleiben wollen, hat nur ein Viertel der Zuwanderer Sprachkurse besucht und davon wieder ein geringerer Teil Deutschkurse. Warum wagt man sich nicht ans Deutschlernen? Vielleicht aus der Annahme heraus, die Staatssprache würde ohnehin von allen verstanden. Südtiroler - mich eingeschlossen - verstärken diese unter Ausländern verbreitete Annahme, indem sie oft ganz automatisch mit Zuwanderern Italienisch reden. Dass in Südtirol aber die eigenen beruflichen Chancen mit ausreichend Deutschkenntnissen zusammenhängen können, muss vielfach erst durchsickern. Vor allem wenn man den im Heimatland erlernten Beruf hier anwenden, Weiterbildungsmöglichkeiten nutzen und einen besser qualifizierten Job finden will, geht das nicht ohne vertiefte Kenntnis der Landessprachen. Natürlich müssen auch Arbeitgeber und öffentliche Hand dafür bessere Rahmenbedingungen schaffen, aber ohne eigene Anstrengung geht es nicht.

Die Fehleinschätzung der Bedeutung der deutschen Sprache wirkt sich in den Familien der Zuwanderer auch auf die Folgegeneration aus, was sich in den Zahlen der Schuleinschreibungen widerspiegelt. 2011/12 hatte die deutsche Berufsbildung einen Migrantenanteil von 4,3%, die italienische Berufsausbildung von 37%. Der Anteil der ausländischen Schüler in der Mittelschule ist von 2002 bis 2011/12 in der deutschen Schule von 1,2 auf 4,9% gestiegen, in der italienischen Schule von 9,4 auf 22,1%. Deutsch kann man natürlich auch in der italienischen Schule und außerhalb der Schule erlernen. Dennoch ist eine gewisse Schieflage nicht zu übersehen, denn die Integration der Zuwanderer in die Südtiroler Gesellschaft und ihr sozialer Aufstieg kann - mal abgesehen von 2-3 Städten - nicht mehr nur übers Italienische gelingen.

Thomas Benedikter

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Maximilian Ben… Mi., 03.07.2013 - 12:03

Ich musste schmunzeln, als mir ein Pfleger in Bozen dies verkündigte. Und in der Tat. Es wurde einige Krankenpfleger entlassen, um mit Neulingen aus der Claudiana aufzustocken. Alles Autoktone. Die Entlassenen arbeiten und leben schon seit 10 Jahren in Bozen, sprechen aber in der Regel fast kein deutsch. Rumenen, Peruaner, Polen. Wiso? Der Artikel versucht Antworten zu geben. Aber dass wir in Südtirol einen professionellen Pfleger entlassen, weil er kein deutsch spricht, bzw. Die Zweisprachigkeitsprüfung nicht schafft, und der selbe Pfleger wird in Deutschland angestellt, verblüft mich.

Mi., 03.07.2013 - 12:03 Permalink

Gemäß Autonomiestatut gibt es für den Zugang zum öffentlichen Dienst die Zulassungsvoraussetzung der bestandenen Zweisprachigkeitsprüfung, sowie die Proporzregelung für die Verteilung der Stellen auf der Basis der Volkszählungen und Sprachzugehörigkeitserklärung der Bewerber/innen. Nur dort, wo essenzielle Dienste nicht mit "Zweisprachlern" gedeckt werden können (betrifft vor Allem die Berufe Arzt, Krankenpfleger, Hebamme und einige Techniker) darf mit Freiberuflern gearbeitet werden. Diese sind eben de facto nicht Angestellte, wie besagter Krankenpfleger, besetzen aber Stellen im (gesetzlich festgelegten) Stellenplan des Sanitätsbetriebes. Sobald aber eine mit Zweisprachigkeitsnachweis ausgestattete Person besagter Berufe um eine Anstellung ansucht und keine weiteren freien Stellen mehr im Stellenplan aufscheinen, muss notwendigerweise ein Freiberufler diese Stelle räumen (denn er konnte ja nur wegen des Personalmangels genommen werden). Der Arbeitgeber hat in diesem Fall keine andere Wahl, auch dann, wenn der Freiberufler nach langen Jahren der Zusammenarbeit mehr berufliche Erfahrung hat als der neue Stellenanwärter, der meist frisch von der Universität kommt und vielleicht Jahre eingearbeitet werden muss, bevor er die gleichen Leistungen bringt.

Mi., 03.07.2013 - 20:51 Permalink

unsere freiberuflichen Krankenpfleger/innen ohne Zeisprachigkeitsnachweis sind entweder deutscher, italienischer, oder irgendeiner anderen Muttersprache. Sehr viele sind Südtiroler, die hier Matura und die zweisprachig unterrichtende Fachhochschule Claudiana besucht haben. Einige sprechen beide Sprachen besser als viele der normal angestellten. Wir sehen leider oft, dass die bestandene Zweisprachigkeitsprüfung noch keine Garantie für gute Sprachkenntnisse ist. Ich kenne Leute, die perfekt zweisprachig aufgewachsen sind, aber Jahre gebraucht haben, bis sie die Prüfung geschafft haben. Andere waren einfach zu bequem sich damit zu beschäftigen und meinten, sie bräuchten das nicht, weil ja immer ein Mangel an qualifiziertem Personal bestand und sowieso alle genommen wurden. Das ist aber heute nicht mehr ganz so wie früher...

Do., 04.07.2013 - 23:25 Permalink

Die Diskussion aufs Krankenhaus abzubilden, stellt sie in ein neues Licht. Zweisprachigkeit im Krankenhaus leidet bestimmt nicht nur unter auswärtigen Pflegerinnen. Ich hatte bespielsweise ein sehr persönliches und trauriges Erlebnis im Bozner Krankenhaus bei dem der offensichtlich weder des Deutsch noch eines verständlichen Italienisch mächtigen Arzt auch nach mehrmaligen Nachfragen nicht in der Lage war, mir den Sachverhalt zu erklären. Als der Arzt das Zimmer verließ, fragte ich hoffnungslos die perfekt zweisprachige Pflegerin nach "Übersetzung" des auf süditalienisch Gesagten. Ihre Antwort: "Ich habe es auch nicht verstanden."

Fr., 05.07.2013 - 10:19 Permalink
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Lorenzo Zanasi Di., 30.07.2013 - 16:44

L’apprendimento del tedesco da parte degli adulti stranieri in Alto Adige è un tema sensibile e ben conosciuto da chi lavora nell’educazione linguistica. Le lingue sono sistemi complessi che richiedono tempo, pratica costante, motivazione e risorse adeguate, per essere padroneggiati. Questo aspetto diventa ovvio quando si inizia a studiare un’altra lingua, ma spesso, al di fuori di questa esperienza, viene sottovalutato o “dimenticato”. In Alto Adige si trovano in contatto tedesco e italiano e attirare un pubblico eterogeneo come quello dei lavoratori stranieri verso entrambe le lingue del territorio (e in particolare verso il tedesco che come si vede è la lingua meno conosciuta, per i motivi riportati nell'articolo e anche per altri) presuppone un approccio didattico nuovo e comunque adeguato alla realtà locale.
Ci sono certamente strumenti e strategie che possono favorire il miglioramento delle competenze per gruppi specifici di persone, ma è necessario anche sviluppare e testare questi strumenti che hanno un costo sia in termini di realizzazione sia di formazione.
Lorenzo Zanasi
Istituto di Comunicazione Specialistica e Plurilinguismo (EURAC)

Di., 30.07.2013 - 16:44 Permalink