Wirtschaft | Covid-Krise

Die Klagen von Confindustria

Auch wenn ein Teil von Normalität zurückgekehrt ist, wird es ein langer Weg sein, um die Folgeschäden der Covid-Krise zu überwinden.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: ©Cgil

Diese Krise hat nicht alle Italiener gleich stark getroffen. Trotz vieler Schwierigkeiten ist Italien ein Land, das im europäischen Vergleich wirtschaftlich immer noch in der Spitzengruppe steht, das aber auch eine hohe Anzahl an armen Personen aufweist.

Offensichtlich kommt der produzierte Wohlstand in Italien nicht allen zugute. Es sind nun ausgerechnet jene, die besser dastehen, die an die Staatskassen klopfen, um aus der Krise noch besser herauszukommen.

Confindustria fordert mehr Entlassungsfreiheit, weniger Steuern, weniger Bürokratie, Direktzahlungen, öffentliche Garantien für den Zugang zu Krediten und, wenn möglich, weniger Gewerkschaften. Nach dem Motto: Es ist das Unternehmen, das Arbeit schafft und den Arbeitern das Einkommen garantiert.

Der Staat darf diese Aufgabe nicht behindern, sondern muss sie nur fördern und schützen und im Krisenfall für die Verluste aufkommen.

So behauptet Bonomi, der neue Präsident von Confindustria, dass die Regierung keine zufriedenstellenden Antworten gebe und dass man "die Fehler und Irrtümer der letzten 25 Jahre" nicht länger dulden könne. Bleibt die Frage welche Mängel er damit meint.

Wenn Confindustria den Verlust von Arbeitsplätzen, die längeren Arbeitszeiten, die geringen Löhne, die 10-15 Prozent Verschiebung des Volkseinkommens von den Löhnen zu den Gewinnen als Fehler ankreiden will, sind wir seiner Meinung. Viele Errungenschaften der Arbeitswelt sind nämlich in den letzten Jahren verloren gegangen.

Ein Drittel der ArbeitnehmerInnen sahen ihre Löhne real sinken, während sie für zwei Drittel weniger stiegen als die Produktivität ihrer Arbeit. Die fachlich spezialisierte und die wissenschaftliche Arbeit wurde durch prekäre und "flexible" Vertragsformen abgewertet.

Forscher, Fachleute, Lehrer, Berater, haben im Gegensatz zu ihren berufstätigen Vätern keine Hoffnung mehr, dass ihre Zukunft besser sein wird als die der vorangegangenen Generationen.
Daher ist es unverständlich, wenn sich Confindustria immer lauter beschwert, dramatisiert und sich über die Politik beklagt.

Man schürt die Angst, dass die Politik das Geld aus Brüssel schlecht verwenden wird. Dabei ist nicht klar, was damit gemeint ist. Ob Confindustria dabei vielleicht an eine universelle Ausgleichskasse, an einen Wohlfahrtsstaat für alle Bürger, an die Einstellung von öffentlich Bediensteten in strategischen Berufen oder an den Kampf gegen die Armut denkt?

Sicher ist, dass die alte Logik zurückgekehrt ist, die besagt, dass Einkommen und Arbeit allein von den Unternehmen geschaffen werden und dass es unumgänglich ist, dass diese die Regeln ohne Einmischung der öffentlichen Hand und der Gewerkschaften bestimmen können. Aber man kennt auch die Politik und weiß, dass es genug Politiker gibt, die damit einverstanden sind.

Forderungen wie Geld an Unternehmen, Unternehmen unterstützen, die Schulden der öffentlichen Hand an Unternehmen begleichen, Steuern für Unternehmen senken, Geld an Unternehmen vorschießen, so klingt es aus allen Medien.

Dabei vergisst man, dass die Beschäftigten am stärksten von der Krise betroffen sind. Sich um die Familie zu kümmern, ganz zu schweigen von der Hypothek, der Miete und der Pflege wird immer schwieriger.

In Krisenzeiten müssten wir eigentlich jenen helfen, die in dieser zutiefst ungleichen Gesellschaft weniger haben und die in den letzten Jahren einen hohen Preis gezahlt haben, um die Umgestaltung der Wirtschaft zu ermöglichen. Diejenigen, die in diesen Jahren große Gewinne eingestrichen haben, könnten hingegen ruhig mehr zahlen und so zum Abbau von Ungleichheiten in unserer Gesellschaft beitragen.

Ähnliche Dynamiken gibt es leider auch in Südtirol. Auch hier geht es um die Einflussnahme auf die Politik und um die Verteilung der Gelder. Allerdings geht man hierzulande mit mehr Feingefühl vor und vermeidet eine allzu aggressive Wortwahl. Dies auch, weil wir besser dastehen als viele anderen Regionen und eine übertriebene Kritik von vielen als ungerechtfertigt empfunden würde.

Trotzdem sind die Ungleichheiten auch bei uns vorhanden, aber aufgrund einer besseren Absicherung durch den Sozialstaat, weniger ausgeprägt.

Aber auch wir in Südtirol werden nicht von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen verschont werden.  Daher wäre eine offene und ehrliche Diskussion ein guter Weg, unser Land zukünftig noch besser aufzustellen.
 

Alfred Ebner