Politik | World Overshoot Day

Immer wieder, immer früher

Der Zeitpunkt der „globalen Ressourcenerschöpfung“ (Earth Overshoot Day) fällt heuer laut Global Footprint Network auf den 1. August, also heute.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Terra
Foto: upi

Mit heutigem Datum (1.8.18) hat die Menschheit die Menge an natürlichen Ressourcen und Ökosystemleistungen erschöpft, die die Erde aus eigener Kraft in einem Jahr regenerieren kann. Ab heute lebt die Menschheit sozusagen von der Substanz. Aufs ganze Jahr gerechnet werden heuer 1,7 Mal so viele Ressourcen verbraucht als unser Planet zur Verfügung stellen kann. Dies ist, als ob wir für unseren Bedarf und Konsum 1,7 Erden nutzen würden.

Das Global Footprint Network berechnet das Datum der Ressourcenerschöpfung alljährlich aufgrund eines hochkomplexen Datensets zum globalen ökologischen Fußabdruck in allen Ländern. Dieser Umweltindikator fasst jeden Verbrauch an Ressourcen und Natur durch menschliche Nutzung zusammen wie etwa den Verbrauch von Nahrungsmitteln, Holz, Naturfasern, die Absorption des durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern entstandenen Kohlendioxids, die Versiegelung von Flächen durch Gebäude, Straßen und andere Infrastrukturen. Seit dieser Indikator erfasst wird (1970), ist der Ressourcenerschöpfungstag noch nie so früh im Jahr angefallen. Das GFN und zahlreiche Umweltschutzorganisationen begehen diesen heutigen Tag mit verschiedenen Großveranstaltungen unter hoher medialer Aufmerksamkeit.

„Unsere Ökonomien halten sich anscheinend im Umgang mit den Ressourcen der Erde ans Pontius-Pilatus-Prinzip“, schreibt der Gründer und Leiter des GFN, Mathis Wackernagel, „denn wir verbrauchen die zukünftigen Ressourcen der Erde, um heute zu wirtschaften und versinken immer mehr in ökologischen Schulden. Es ist an der Zeit, dieses Prinzip aufzugeben und unsere Kreativität und unseren Erfindergeist dafür einzusetzen, eine fruchtbare Zukunft zu ermöglichen, ohne fossile Brennstoffe und ohne die Erde zu zerstören.“

Das GFN hat vier Prioritäten ausfindig gemacht, die das größte Potenzial zur Senkung der heutigen Überausbeutung der Ökosysteme bieten:

1. Die Städte: wenn wir die Nutzung von PKW weltweit um 50% reduzieren und ein Drittel der zurückgelegten Kilometer mit öffentlichen Mitteln, zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen, können wir den Welterschöpfungstag um 12 Tage nach hinten schieben.

2. Energie: wenn wir die Kohlendioxidemission um 50% senken würden, könnten wir den Welterschöpfungstag gleich um 93 Tage aufschieben.

3. Ernährung: wenn wir alle die Lebensmittelverschwendung um die Hälfte reduzieren und Kalorien im Ausmaß der weltweit im Tagesdurchschnitt verzehrten Menge verzehren, könnte der Erschöpfungstag nochmals um 38 Tage nach hinten rücken.

4. Bevölkerung: wenn alle Familien auf der Erde ein Kind weniger hätten, könnte der Welterschöpfungstag um 30 Tage aufgeschoben werden.

Der ökologische Fußabdruck kann übrigens auch ganz individuell in zwei Minuten berechnet werden, sozusagen ein „persönlicher Ressourcenübernutzungstag“, und zwar mit dem www.footprintcalculator.org

Obwohl 86% der Weltbevölkerung in einem Land mit ökologischem Defizit (Ressourcen-Übernutzung) leben, lassen sich aus den jüngsten Daten zu den nationalen Fußabdrücken einige ermutigende Signale erkennen. So ist der ökologische Fußabdruck Chinas von 2013 auf 2014 um 0,3%  gesunken, nach einem ständigen Anwachsen seit 2000, als der chinesische Fußabdruck erst halb so groß war als sein heutiger. Auch der ökologische Fußabdruck jedes einzelnen Chinesen (Einwohner der VR China) ist um 0,8% gesunken, und zwar weil der Kohlenstoff-Gesamtindex für China um 0,7% und jener pro Person von 2013 auf 2014 um 1,2% gesunken ist. Von 2000 bis 2014 hat auch Deutschland seinen ökologischen Fußabdruck insgesamt um 8% gesenkt. Pro Person ist in Deutschland dieser Fußabdruck von 2013 auf 2014 um 2,5% geschrumpft. Italiens Fußabdruck kommt zwar nur der Hälfte des US-Fußabdrucks gleich, liegt aber mit 2,6 noch sehr hoch, m.a.W. es werden 2,6 Erden benötigt, wenn die ganze Erde Ressourcen im italienischen Stil verbrauchen würde. Die Daten für Südtirol gehen aus diesen Quellen nicht hervor, liegen aber mit Sicherheit nicht unter dem gesamtitalienischen Schnitt. Hier Videos zum heutigen Weltressourcenerschöpfungstag.

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Franz Linter So., 05.08.2018 - 21:42

https://www.overshootday.org/newsroom/infographics/ zeigt Grafiken länderbezogen. Italien verbraucht mit seinen Einwohnern die Ressourcen von 4,6 Italien. Das ist deutlich mehr als z.B. Deutschland, welches Ressourcen von 2,8 Deutschlands benötigt (jeweils Stand 2014). Der Grund liegt darin, dass nicht nur der Ressourcenverbrauch sondern auch die verfügbare Kapazität berücksichtigt wird. Deutschland steht vor allem in der Tendenz besser da, da die Kapazität leicht zunimmt, während der Verbrauch leicht abnimmt. https://data.footprintnetwork.org/#/

So., 05.08.2018 - 21:42 Permalink
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Martin Daniel Mo., 06.08.2018 - 18:30

Bin immer mehr überzeugt, dass nur etwas verändert werden kann, wenn das Verhalten der Individuen von der Politik konditioniert wird. Das kann marktkonform (über Steuern, Steuervorteile, Subventionen oder Klimazölle, die Kostenwahrheit in den Konsum bringen) passieren oder durch Festlegen von Grenzwerten u. Verboten. Der liberale Ansatz von der Eigenverantwortlichkeit des Individuums hat beim Thema genauso versagt wie die links-grünen Erziehungsversuche u. moralischen Appelle. Wenn die große Mehrheit der Menschen nicht eigenverantwortlich, sondern egoistisch handelt, konnten sie keinen Erfolg haben, weil sie von einem falschen Menschenbild ausgehen. Wie die klassische Wirtschaftswissenschaft mit ihrem immer rational handelnden Subjekt. Erfahrungen zeigen, dass oft minimalste Anreize ausreichen, um relevante Reaktionen hervorzurufen. UK hat vor 3-4 Jahren eine Abgabe von 1p (pence!) auf Plastiktüten eingeführt, worauf der Verbrauch um sage und schreibe 86% zurückgegangen ist. Chile optiert nun hingegen für ein Totalverbot angesichts der 3,8 Mrd. Stück, die jährlich über den Ladentisch gingen.
Aktueller u. sehr interessanter Artikel zum Thema mit seinen Dilemmeta: https://text.derstandard.at/2000084716305/Wir-verbrennen-die-Erde

Mo., 06.08.2018 - 18:30 Permalink
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Christian Mair Mo., 13.08.2018 - 22:12

Antwort auf von Martin Daniel

Interessante und wichtige Erkenntnis:
"(Anm.: Es kann)...nur etwas verändert werden (kann), wenn das Verhalten der Individuen von der Politik konditioniert wird. Das kann marktkonform (über Steuern, Steuervorteile, Subventionen oder Klimazölle, die Kostenwahrheit in den Konsum bringen) passieren (Martin Daniel)

Allerdings ist das nicht marktkonform, sondern so in etwa könnte eine Abkehr ohne Gesichtsverlust der konservativen Mitte von der neoliberalen Ideologie aussehen. Die Aufgabe von Staatlichkeit ist es einen Grundkonsens zwischen den Polen herzustellen. Der Markt versagt bei der Lösung so mancher Probleme,bringt aber Innovation und Dynamik bei anderen Dingen.

Mo., 13.08.2018 - 22:12 Permalink
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Karl Trojer Mi., 08.08.2018 - 16:58

Ich stimme dem Martin Daniel zu : unser Menschenbild ist verzerrt ! Wir verstehen uns Menschen als autonome Individuen und die Gemeinschaft als die Summe der Individuen. Dem ist nicht so ! Als Menschen sind wir gleichzeitig und gleichermaßen Individuen (in unserer Beschränktheit frei) und Zellen der Gemeinschaft; und diese Gemeinschaft ist keine Summe, sondern ein Organismus von Feldern, die alle mit allen zusammenhängen und damit sich gegenseitig beeinflussen. So gesehen wären uns Solidarität und Verantwortlichkeit für einander und für den Lebensraum selbstverständlich. Dem derzeitigen Zustand Rechnung tragend, kann aber nicht nur und vorrangig auf "Freiwilligkeit" gesetzt werden, es braucht politische, gesetzliche Rahmenbedingungen um zu retten, was noch zu retten ist.

Mi., 08.08.2018 - 16:58 Permalink