Kultur | Interview

“Betonstatuen von Politikern”

Betonblöcke zur Terrorabwehr? Der Architekt Oswald Zoeggeler warnt davor, “Monumente der Tragödien” zu schaffen. Und liefert einige Alternativvorschläge.
Oswald Zoeggeler
Foto: Fondazione Architettura Alto Adige

Als Städtebauer und Universitätsprofessor hat Oswald Zoeggeler eine klare Vorstellung davon, wie man die Absperrungen rund um die Bozner Altstadt am besten verwenden könnte. Mit subtiler Ironie spricht der Architekt über Alternativen zu den tristen Betonblöcken.

salto.bz: Herr Zoeggeler, die Betonblöcke, die in Bozen zur Terrorabwehr aufgestellt wurden, spalten Parteien und Bevölkerung. Was sagen Sie dazu?
Oswald Zoeggeler: Ich war überrascht, dass das überhaupt gemacht wurde. Diese Betonblöcke erinnern sehr an die Tragödien, die passiert sind. Macht man diese Erinnerung derart sichtbar, werden die Blöcke beinahe zu einem Monument der Tragödien.

Die Barrieren sind überflüssig?
Es wird sie sicher brauchen, aber ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass es besser wäre, sie so unsichtbar wie möglich zu machen. Obwohl mir doch Zweifel kommen, ob man sie tatsächlich brauchen wird. Nach den Attentaten in Berlin und Barcelona sehe ich eher eine Stadt wie Rom gefährdet. Diese Leute werden jetzt nicht nach Sarnthein kommen, um dort etwas zu verüben. Und auch Bozen wird nicht unbedingt in den Fokus rücken, denn der erzielte Effekt wäre sicher nicht der, der er in Rom wäre.

 

Solange das Thema aber aktuell ist, werden auch die Betonblöcke überdauern. Danach wird man sie bald einmal vergessen haben.

 

Was bedeuten es nun für das Stadtbild von Bozen, wenn plötzlich rund um das Zentrum Betonblöcke stehen?
Übertreibt man damit, glaube ich, dass es bald wie nach Krieg ausschaut. Die extreme tägliche Angst vor Attentaten wird sichtbar. Aber: Es können auch Attentate anderer Art verübt werden. Wenn es in den Köpfen dieser Leute unbedingt sein muss, werden sie sich andere Wege suchen. Daher sind solche Blöcke nicht unbedingt eine Lösung für diese Art von Verbrechen.

 

 

Nun sind sie aber da. Sie schlagen vor, die Blöcke “unsichtbar” zu machen. Wie?
Man könnte sie als Sitzbänke “verkleiden”, 50 Zentimeter hoch, 80 Zentimeter tief und 2 Meter lang. Auch dann würde kein LKW mehr durch kommen. Oder man könnte einen Diwan oder eine Art Polstersessel daraus machen – ein öffentliches Möbelstück wie wir es bereits öfters in unseren Projekten für Stadtgestaltung einfließen lassen haben. Das wäre sicher lustiger anzuschauen – und man könnte sich hinsetzen!

Eine solche Umgestaltung würde dem Ganzen die Bedrohlichkeit nehmen?
Es würde dann ausschauen wie ein – auf gut Deutsch gesagt – “arredo urbano”, ein städtisches Gestaltungselement. Anstatt die alten Wasserrohre der Ritsch mit Blumen zu befüllen und in der Altstadt aufzustellen, könnte man auch diese Blöcke hinstellen.

 

Je mehr man es aufbauscht, desto tragischer wird es.

 

Ein Vorschlag, der vom Bürgermeister in Betracht gezogen wird, ist in der Tat auch die Betonblöcke mit Blumen beziehungsweise Pflanzen zu schmücken. Oder aber sie zu bemalen. Wäre das für Sie ein akzeptabler Kompromiss?
Es hängt davon ab, wie man es macht. Wenn man davor und dahinter einen Buchsbaum hinstellt, steht eben so komisches Grün mitten auf der Straße. Das kann man sicher auch machen. Oder man könnte das Grün so auf die Elemente setzen, dass sie noch sichtbarer werden.

Sie scherzen?
Ich glaube es wäre gut, wenn man eine andere Funktion zumindest vortäuscht. Wenn man drei Polstersessel und einen Diwan aus Beton hinstellt, wird daraus ein kleiner Wohnbereich. Denn die Straße und der Platz – und insbesondere die Fußgängerzone – ist bereits ein öffentlicher Wohnraum. Als solchen soll man die Flächen auch nutzen. Sie sind ja Treffpunkt und nicht nur Verkehrsweg. Das Leben in der Stadt spielt sich vor allem im Sommer auf der Straße ab. Man könnte eine ganze Bar aus Beton hinstellen!

 

 

Die Wirkung auf die Menschen wäre wahrscheinlich eine ganz andere als die nackter, grauer Blöcke, die bei manchen auch Verunsicherung hervorruft?
Man kann dem Ganzen eine andere Funktion geben, klar. Nebenbei, ein Hindernis sind sie so oder so. Ich glaube, dass zu 95 Prozent keine Gefahr eines Anschlags besteht. Aber man könnte es natürlich auch ganz fest übertreiben, es ganz militärisch und kriegerisch gestalten und neben die Blöcke Soldaten mit Maschinengewehren hinstellen. Je mehr man es aufbauscht, desto tragischer wird es.

 

Solche Blöcke sind nicht unbedingt eine Lösung für diese Art von Verbrechen.

 

Die Betonbarrieren sollen – in welcher Form auch immer – für längere Zeit aufgestellt bleiben. Mindestens bis zum Ende des Christkindlmarktes, heißt es. Muss man das veränderte Stadtbild einfach hinnehmen? Wie die Bedrohung durch Terroristen, die Attentate hunderte Kilometer entfernt verübt haben?
Wir werden es hinnehmen müssen. Aber es hängt immer damit zusammen, wie das Ganze gemacht wird. Man könnte ja auch Betonstatuen von Südtiroler Politikern aufstellen. Wenn man solche Standbilder mit irgend einem Politiker hoch zu Ross irgendwo hinstellt, kommt auch kein LKW mehr durch – und es würde, ich würde nicht sagen lustiger, aber… (lacht)

Sie haben es im Gespräch durchklingen lassen: Kreativität, Humor und Ironie können helfen, Angst und Verunsicherung nicht überhandnehmen zu lassen…
Wenn die Attentate irgendwann aufhören, redet ein Jahr später niemand mehr darüber. Dann werden auch die Blöcke verschwinden. Wenn hingegen alle Monate wieder irgendwo etwas passiert, werden sie länger bleiben. Sie sind derzeit eben eine Modeerscheinung in den Städten. Die Welle von Attentaten hört aber irgendwann wieder auf. Solange das Thema aber aktuell ist, werden auch die Betonblöcke überdauern. Danach wird man sie bald einmal vergessen haben.

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△rtim post Sa., 02.09.2017 - 09:57

Erst in einer Kultursendung gesehen. In London und Berlin haben sie schon längst andere, ästhetisch-ansprechendere, unauffälligere Lösungen. In Bozen, Meran ziehen sie halt anscheinend Schandflecke und teure Grausligkeiten.vor.

Sa., 02.09.2017 - 09:57 Permalink
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gorgias Sa., 02.09.2017 - 11:23

in Brixen wurden zwei Betonbumenbeete aufgestellt. Diese sind sicher estehtischer als Blöcke. Doch der City-Bus muß ja noch vorbeikommen. Warum sollte nicht dann jeder vorbeikommen der nicht ganz unbegabt ist?

Ich wäre dafür überhaupt keine Sperren aufzustellen. Ich lebe gerne gefährlich bzw. Ich nehme uns nicht so wichtig. Das erinnert mich an einem Interview nach dem 11.Settember in einem US-Kaff, wo man sich Sorgen machte ob Al Kaida dort ein Anschlagsziel suchen würde.

Sa., 02.09.2017 - 11:23 Permalink